Nach dreijährigem Abwärtstrend überraschte die deutsche Industrie zuletzt mit einem Auftragsplus. Ein Faktor: Die Zinswende. Dass die amerikanische Notenbank jetzt nachzog, nährt die Hoffnung der Unternehmen auf neue Großaufträge. Ein schneller Push ist zwar unwahrscheinlich, aber für innovative Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen ergeben sich dennoch Chancen.
Es ist ein historischer Deal. 55 Elektro-Bagger, 60 batterieelektrische Planierraupen und 360 Muldenkipper. Gesamtwert 2,5 Milliarden Euro. Nicht weniger als den größten Auftrag der 75jährigen Firmengeschichte verkündete die familiengeführte Liebherr-Gruppe Ende September. Der Bergbaukonzern Fortescue möchte die Fahrzeuge in seinen Minen in Australien einsetzen. Entwickelt und produziert werden die Maschinen sowie der Großteil der verbauten Schlüsselkomponenten und Maschinenelektronik in Deutschland sowie an fünf weiteren Liebherr-Standorten.
Der Rekordauftrag des familiengeführten Weltkonzerns mit Sitz in der Schweiz ist ein dringend benötigtes Ausrufezeichen mit Signalwirkung. Auch die deutsche Industrie konnte zuletzt erstmals wieder ein Auftragsplus vermelden. Das kam durchaus überraschend, zumal die Inlandsnachfrage weiter schwächelte. Treiber waren auch hier Großaufträge aus dem Ausland.
Die Hoffnung auf mehr ist groß. Unterstützung kommt von den Notenbanken. Gleich um einen halben Punkt senkte die amerikanische FED den Leitzins. Die erste Zinssenkung seit Anfang des Jahrzehnts, die Spanne liegt jetzt bei 4,75 bis 5,00 Prozent. Glaubt man Experten, könnte es bis Mitte 2025 in kleinen Schritten Richtung drei Prozent gehen. Der jetzige Schritt sei „die richtige Sache“, erklärte US-Notenbankchef Jerome Powell mit Blick auf Fortschritte beim Kampf gegen die Inflation und eine Abkühlung des US-Arbeitsmarktes. Angst vor einer Rezession haben Ökonomen derzeit aber nicht.
Oops, they did it again
Die EZB hatte ihre geldpolitische Wende bereits im Juni begonnen. Im September ging es einen weiteren Viertelpunkt auf 3,50 Prozent runter, die nächste Sitzung ist am 17. Oktober. Eine neuerliche Zinssenkung gilt an den Finanzmärkten mittlerweile als so gut wie sicher. Vor allem die Energiepreise sind zuletzt gesunken, insgesamt belief sich die Teuerungsrate von Waren und Dienstleistungen im September nur noch auf durchschnittlich 1,8 Prozent.
Das ist nicht nur der niedrigste Stand seit drei Jahren, sondern liegt auch unter der Zielmarke von 2,0 Prozent, die die EZB mittelfristig als ideal für die Konjunktur im Euroraum sieht. Entsprechend optimistisch zeigt sich Christine Lagarde: „Die jüngsten Entwicklungen stärken unsere Zuversicht, dass die Inflation zeitnah wieder auf das Zielniveau zurückkehren wird“, sagte die EZB-Präsidentin bei einer Anhörung im Europa-Parlament in Brüssel.
Kein schneller Push
Doch was bedeutet das für das Segment der Mittelstandsanleihen? Klar, niedrigere Zinsen machen Investitionen für Unternehmen günstiger. Gleichzeitig wird für Verbraucher der Konsum relativ zum Sparen attraktiver. Beides stärkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Dies wirkt aber erst mit einer Verzögerung von mehreren Monaten. Eine schneller Push für die Konjunktur ist von einer Zinssenkung also ebenso wenig zu erwarten wie von der vergangenen Fußball-EM.
Dennoch helfen Zinssenkungen natürlich. Gerade angesichts der seitens FED und EZB erwarteten weiteren Schritte. Diese relative Planungssicherheit resultiert in einem deutlichen Anziehen der Investitionsbereitschaft. Dies ist es zumindest, was wir sowohl bei Bestands- wie auch bei Debütemittenten des Mittelstandes verspüren. Innovationskraft und Ingenieurskunst sind Pfründe, die im globalen Wettbewerb nach wie vor ziehen. Insbesondere dann, wenn sie mit nachhaltigen Prinzipien einher gehen.
Innovativ und nachhaltig
Gerade im wichtigen Baugewerbe spiegelt sich das wider. Der Liebherr-Auftrag steht dafür exemplarisch, aber das gilt genauso für kleinere Mittelständler. „Cradle to cradle“ ist ein Trend, der immer stärker sichtbar wird. Also die durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft durch Vermeidung von Abfall. An nachhaltigen Bauweisen und umweltschonenden Baustoffen führt kein Weg mehr vorbei.
Umso mehr freut es uns, dass der Kapitalmarkt mit der WeGrow AG, einem führenden Anbieter von Bio-Holz, Zuwachs erhalten hat. Seit Ende September ist die Gesellschaft aus dem nordrheinwestfälischen Tönisvorst im Freiverkehr der Börse Düsseldorf notiert. Das Listing ist Teil einer langfristigen Wachstumsstrategie, die irgendwann vielleicht auch einmal eine Anleihe beinhalten könnte. Natürliche Wälder erhalten und gleichzeitig Millionen von Tonnen CO2 für Jahrhunderte speichern, ist ja nicht die schlechteste Investment Story.
Markus Knoss, BankM AG
Markus Knoss ist zugelassener Börsenhändler und Certified Investor Relations Officer und verfügt über jahrelange Erfahrung in verschiedenen leitenden Positionen im Aktienhandel, Salestrading und Portfoliomanagement. Der ausgewiesene Experte für Nebenwerte im deutschsprachigen Raum ist seit 2013 für die BankM AG tätig und verantwortlich für den Bereich Business Development DACH.