Ein Blick auf den KMU-Anleihemarkt von Markus Knoss, BankM AG:
Passend zur EM kommt unsere Fußnote heute einmal als Fußballnote daher. Nicht nur die vielen Millionen Fans, auch Emittenten und Investoren hoffen auf einen erfolgreichen Turnierverlauf. Um mehrere Prozentpunkte könnte das BIP von einer organisatorisch und sportlich gelungenen Veranstaltung profitieren. Der erste Schritt ist getan.
Die Temperaturen klettern langsam in die Höhe, auf den Fanmeilen wird bunt und friedlich gefeiert und die deutsche Nationalmannschaft steht als ungeschlagener Gruppensieger im Achtelfinale. Mal ehrlich: Wer hätte daran geglaubt, wenn wir gedanklich ein paar Wochen zurückgehen? Wer hat erwartungsvoll auf die Heim-EM hin gefiebert? Wer traute unserer Nationalmannschaft etwas zu?
Im Vorfeld war die Europameisterschaftsstimmung im eigenen Land doch eher ein Spiegelbild der tristen wirtschaftlichen Lage. Die Konsumentenstimmung ist schlecht, das BIP ist 2023 um 0,2 Prozent geschrumpft und auch für das laufende Jahr herrscht grundsätzlich Skepsis. Kein anderes großes Industrieland wird 2024 schlechter abschneiden als Deutschland prognostizieren internationale Organisationen wie IWF und OECD.
We’re in this together
Keine Frage: Europas größte Volkswirtschaft kann derzeit jede Unterstützung gebrauchen. Nicht nur wir Fans hoffen nach dem gelungenen Start deshalb plötzlich auf ein Sommermärchen 2.0. Kann eine aus deutscher Sicht erfolgreiche Europameisterschaft das konjunkturelle Bild aufhellen und die desillusionierte Stimmung verbessern? Tatsächlich dürfte es einige positive Effekte geben.
So rechnet der Tourismus Verband schon jetzt mit einem absoluten Rekordjahr. Die 2,7 Mio. Tickets sind restlos ausverkauft und zahlreiche Fans ohne Tickets bevölkern die Fanzonen und Zentren der Austragungsorte. Das Buchungsportal AirBnB verspürt in Deutschland einen deutlichen Rückenwind für die Vermietungsraten in Deutschland und die Marketingkampagne von Check24 bei der unter anderem Reisen im Wert von 24 Millionen Euro verlost werden, gilt trotz geschätzter Kosten von rund 100 Millionen Euro unter Experten schon jetzt als Gewinner der EM-Vorrunde.
Ein weiterer Profiteur der Europameisterschaft sind die Brauereien, die von einem hohen Absatz ausgehen. Denn für viele Fans gehören Fußball und Bier weiterhin zusammen. Große Events in der Vergangenheit haben gezeigt, dass während der Dauer eines großen Turniers signifikant mehr getrunken wird als sonst in den Sommerwochen. Im WM-Jahr 2006 ist vor und während des Turniers rund fünf Prozent mehr Bier verkauft worden, bei den Folgeveranstaltungen waren es rund vier Prozent.
Endless summer
Die Brauereien könnten den Impuls gut gebrauchen, denn der Bierabsatz in Deutschland sank im letzten Jahr um 4,5 Prozent. Das beschriebene Szenario unterliegt allerdings zwei Bedingungen. Erstens muss das Wetter mitspielen und zweitens sollte die heimische Nationalmannschaft erfolgreich sein. Beides trifft zumindest bislang zu. Vielleicht auch deshalb notiert die im Frühjahr emittierte Anleihe 24/29 der Karlsberg Brauerei GmbH deutlich über Ausgabeniveau.
Doch nicht nur die Bierbranche, auch der Einzelhandel erhofft sich frische Umsatzimpulse durch die größeren Besucherströme. Das freut auch Erstemittent The Platform Group, kommen die Kunden des Softwareherstellers doch aus Bereichen wie Möbelhandel, Autoplattformen oder Luxusmode. Mit dem feststehenden Einzug in die KO-Runde geht der Einzelhandelsverband HDE jedenfalls von einer deutlichen Aufhellung der Konsumstimmung aus. Vor allem Sportartikel dürften eine Sonderkonjunktur erleben. Erst kürzlich verkündetet Adidas-CEO Björn Gulden die höchsten Verkaufszahlen an Nationalmannschaftstrikots jemals. Gerade die von Traditionalisten kritisierten pinken Auswärtstrikots sind restlos ausverkauft und die Nachfrage steigt stetig.
Wo es einen Gewinner gibt, findet sich in der Regel jedoch auch ein Verlierer. Das gilt auf dem Fußballplatz wie am Kapitalmarkt. Eine wirtschaftliche Niederlage ist das Turnier für die ohnehin gebeutelte Baubranche. Laut einer Analyse von Deutsche Bank Research summierten sich die Bauinvestitionen im Zusammenhang mit der EURO 24 auf vergleichsweise mickrige 250 Millionen Euro. Überwiegend für die Modernisierung der Stadien. Zum Vergleich: Für die WM 2006 hatte Deutschland für die Erneuerung der Infrastruktur noch rund 3 Milliarden Euro ausgegeben und für die in einem Monat beginnenden Olympischen Sommerspiele in Paris werden etwa 5 Milliarden in neue Projekte investiert.
Campione
Der wichtigste Effekt einer Großveranstaltung wie der Europameisterschaft ist aber ohnehin psychologischer Natur. Imagegewinn und verbesserte Konsumentenstimmung haben eine nachlaufende Wirkung auf das konjunkturelle Stimmungsbild. 2006 erhöhte sich das Verbrauchervertrauen über mehrere Monate von etwa -0,5 auf +1,5 Punkte. Natürlich nicht allein durch König Fußball, aber ein relevanter Beitrag ist unbestritten. Ohne Frage würde ein sportlich und organisatorisch erfolgreicher Turnierverlauf der angekratzten Attraktivität des Standorts Deutschland guttun. Nicht nur das Münchner Ifo-Institut sieht darin vor dem Hintergrund zuletzt schwacher Direktinvestitionen einen enormen Gewinn.
Die Kirsche auf der Torte wäre der EM-Titel. Die University of Surrey hat den “Titelpush” in der Studie “A Kick for GDP: The Effect of Winning the Fifa World Cup” berechnet. Plus 0,48 Prozentpunkte beträgt der Effekt auf das BIP der Siegernation demnach über zwei Quartale. In leicht abgeschwächter Form dürfte das auch für die etwas kleinere EM gelten. Zumal für einen Sieg im eigenen Land. Die Hoffnung ist nach der erfolgreichen Vorrunde deutlich größer als noch vor ein paar Wochen. Oder frei nach Welt- und Europameister Andreas Möller: „Vom Feeling her habe ich ein gutes Gefühl“.
Markus Knoss, BankM AG
P.S.: Haben Sie die Song-Titel in Headline und Zwischenüberschriften erkannt? Bei allen vier Liedern handelt es sich um offizielle EM-Hymnen vergangener Turniere. Reinhören auf eigene Gefahr.
Markus Knoss ist zugelassener Börsenhändler und Certified Investor Relations Officer und verfügt über jahrelange Erfahrung in verschiedenen leitenden Positionen im Aktienhandel, Salestrading und Portfoliomanagement. Der ausgewiesene Experte für Nebenwerte im deutschsprachigen Raum ist seit 2013 für die BankM AG tätig und verantwortlich für den Bereich Business Development DACH.
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