Turbulente Wochen liegen hinter uns. Nicht wenige sprechen sogar von Wochen historischen Ausmaßes. Fest steht: Das Ergebnis der Wahlen in den USA und die Selbstdemontage der Ampel in Deutschland definieren einen Neubeginn, der auf alle Anlageklassen Implikationen haben wird.
Grund genug auch für mich, zuerst das „Big Picture“ zu betrachten. Beginnen wir bei den US-Wahlen. Das von vielen erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen hat sich als mediales Wunschdenken der Europäer im Allgemeinen und der Deutschen Wirtschaft im Besonderen herausgestellt. Und nicht nur das Präsidentenamt, sondern auch der Senat und das Repräsentantenhaus werden die nächsten Jahre republikanisch dominiert sein. Es ist sogar davon auszugehen, dass auch der Supreme Court, also die Richter des Höchsten Gerichts, neu bestellt werden.
Damit gilt ab sofort (erneut) „America First“. Die ersten politischen Postenbesetzungen unterstreichen dies und werfen durchaus größere Sorgenfalten auf. Vorausschauende Unternehmen dürften aber gut darauf eingestellt sein, was aus der größten Volkswirtschaft der Welt auf sie zukommt. Bereits nach der ersten Trump-Regentschaft haben global agierende Unternehmen globale Kapazitäten aufgebaut. Für viele Konzerne verliert das Thema Zölle damit an Bedeutung. Anders für den Mittelstand, der sich weltweite Standorte nicht leisten kann.
Um nicht die Hauptlast der amerikanischen Neuausrichtung zu tragen, wird Europa sich emanzipieren müssen. Speziell Deutschland muss sich mit neuem politischem Personal global positionieren. Ob mit Blick auf die Nachhaltigkeit oder mögliche Friedensverhandlungen zwischen Washington/Moskau/Kiew. Nach aktuellem Stimmungsbild zeichnet sich bei der kommenden Neuwahl ein Regierungs- und Wirtschaftswechsel ab. Mit dem ehemaligen Europa-Chef von Blackrock als designiertem Bundeskanzler könnte ein neuer, frischer Wind in der deutschen Volkswirtschaft und den Märkten einsetzen.
Drei Fakten für ein Halleluja
Nach Daten von Bloomberg wird das erwartete Gewinnwachstum in Deutschland nächstes Jahr auf 17% anziehen und somit erstmals seit langem wieder über jenem der USA liegen. Gleich eine ganze Reihe an Fakten sprechen für eine Erholung. Allen voran der anhaltende Trend, dass die Inflation in den Zielkorridor der EZB von zwei Prozent zurückkehrt und dort auch stabil bleiben könnte. Die Notenbanken zeigen sich jedenfalls fest entschlossen, die Inflation im Zusammenspiel zu bekämpfen. Gerade der Mittelstand würde von einem Anziehen des privaten Konsums profitieren.
Ein weiterer wichtiger Fakt ist der Zinsrückgang. Auf beiden Seiten des Atlantiks hat die Zinswende längst begonnen und wird durch die Politik befeuert. Entsprechend gut sind die Vorzeichen auf ein Anziehen der Aufträge im Wohnungsbausegment. Zwar wird uns die gewaltige Bereinigung der Immobilienmärkte auch über das Jahr 2024 hinaus beschäftigen, dies jedoch viel mehr auf der Bewertungsseite, denn auf der Baugewerbeseite.
Ein dritter Punkt spielt dem Mittelstand in der Finanzierung in die Karten. Gemäß der Bundesbank summierte sich das private Geldvermögen Ende 2023 auf den Rekordwert von 7.716 Milliarden Euro. Geld, das real vielfach an Wert verliert, weil es größtenteils in unter der Kerninflationsrate verzinstem Bar-, Giro-, Tages- und Festgeld gehalten wird. Dies könnte sich aber ändern. Die privaten Haushalte nehmen die anhaltende langfristige reale Enteignung der Zinsanlage vermehrt wahr und berücksichtigen dies stärker in ihren Anlagenentscheidungen. High-Yield Anleihen, wie wir sie am KMU-Anleihemarkt vorfinden, könnte dies einen Mittelzufluss bescheren.
Noch ist von einer wirtschaftlichen Erholung aber nichts zu sehen. Im letzten Quartal zeigten sich vielmehr deutliche Bremsspuren im Zahlenwerk der Mittelständler. Die Kunst besteht deshalb darin, die mittelständischen Gesellschaften zu identifizieren, welche vom eingangs skizzierten „Big Picture profitieren oder deren Geschäftsmodelle eine hohe Resilienz aufweisen. Ebenso sollte die Sicherheitenstruktur der in Frage kommenden Anleihen noch stärker in die Betrachtung einfließen. Echte Asset-Backed-Securites (ABS) dürften weiter Konjunktur haben.
Markus Knoss, BankM AG
Hinweis: Diese „Fußnote“ erschien zunächst in der neuen Ausgabe des Anleihen Finder Newsletters (18-2024). Registrieren Sie sich hier für unseren KOSTENLOSER NEWSLETTER und seien Sie stets informiert.
Markus Knoss ist zugelassener Börsenhändler und Certified Investor Relations Officer und verfügt über jahrelange Erfahrung in verschiedenen leitenden Positionen im Aktienhandel, Salestrading und Portfoliomanagement. Der ausgewiesene Experte für Nebenwerte im deutschsprachigen Raum ist seit 2013 für die BankM AG tätig und verantwortlich für den Bereich Business Development DACH.
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