Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), einst als starke und einheitliche Stimme der Apotheker in Deutschland angesehen, befindet sich zunehmend in einer tiefen Krise. Die Herausforderungen, denen sich die Apothekenbranche heute gegenübersieht, sind enorm – von stagnierenden Honoraren und steigenden Betriebskosten bis hin zu einer zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung, die die Arbeitsweise der Apotheker grundlegend verändert. In diesem schwierigen Umfeld ist die Frage nach der Zukunft der ABDA drängender denn je. Es stellt sich die Frage: Kann die ABDA ihre Relevanz in einer Zeit der tiefgreifenden Veränderungen bewahren, oder ist ihre Rolle als Dachorganisation für Kammern und Verbände nicht mehr zeitgemäß?
Die ABDA agiert traditionell als Sammelbecken für die Interessen der Apotheker in Deutschland. Sie vereint sowohl die Kammern als auch die Verbände und hat damit eine Doppelrolle: Einerseits repräsentiert sie die Kammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts, die eine Aufsichtsfunktion ausüben und die ethischen Grundsätze des Apothekerberufs wahren sollen. Andererseits treten die Verbände als Interessenvertretung der Apotheker auf, die insbesondere die wirtschaftlichen Belange der Apotheker und Apothekenbetriebe vertreten. Doch genau dieser Dualismus birgt zunehmend Probleme. Die Kammern, die ihren Ursprung in der Aufsicht und dem Schutz des Berufsethos haben, stehen in starkem Gegensatz zu den Verbänden, die die wirtschaftlichen Interessen der Apotheker vertreten. Diese Zielkonflikte sind nicht nur theoretisch, sondern spürbar in der täglichen Arbeit der ABDA. Es entstehen Unstimmigkeiten, die die Handlungsfähigkeit der Organisation massiv einschränken.
Ein weiteres gravierendes Problem ist die ineffektive politische Vertretung der Apotheker durch die ABDA. Angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen die Apothekenbranche steht, ist die ABDA in ihrer politischen Rolle zunehmend schwach und wenig durchsetzungsfähig. Statt proaktiv Lösungen zu entwickeln und die Interessen der Apotheker in der Politik nachhaltig zu vertreten, beschränkt sich die ABDA häufig auf das Verhindern von Verschlechterungen, anstatt aktiv die Zukunft des Berufsstandes zu gestalten. Der Beruf des Apothekers steht unter enormem Druck – nicht nur aufgrund von finanziellen Belastungen und gesetzgeberischen Eingriffen, sondern auch wegen der immer schnelleren technologischen Veränderungen, die den Apothekenbetrieb revolutionieren. Doch die ABDA bleibt hinter den Erwartungen zurück und verharrt in einer Haltung der Abwehr, anstatt mutige und zukunftsorientierte Schritte zu wagen.
Diese Haltung hat dazu geführt, dass immer mehr alternative Zusammenschlüsse und Interessenvertretungen an Bedeutung gewinnen. Gruppen wie die „Freie Apothekerschaft“ oder der „Verband innovativer Apotheken“ setzen sich für eine modernere, dynamischere Interessenvertretung ein, die stärker auf die wirtschaftlichen Herausforderungen der Apotheker und die Veränderungen in der Branche eingeht. Diese neuen Akteure sind zwar noch nicht in der Lage, die ABDA zu ersetzen, gewinnen jedoch zunehmend an Einfluss und stellen die Frage nach der Notwendigkeit einer zentralen Vertretung der Apotheker in ihrer jetzigen Form.
Die ABDA selbst steht zunehmend in der Kritik, da ihre Strukturen als veraltet und unflexibel wahrgenommen werden. Besonders die Trennung von Kammer- und Verbandsfunktionen wird zunehmend als problematisch angesehen. Die Kammern, die eigentlich die Aufgabe haben, den Berufsethos zu wahren und eine Aufsichtsfunktion auszuüben, stehen in einem fundamentalen Widerspruch zu den Verbänden, die sich den wirtschaftlichen Interessen der Apotheker verschreiben. Dieser Widerspruch wird immer deutlicher, je stärker die ökonomischen Herausforderungen der Apotheken in den Vordergrund treten.
Ein noch grundlegenderer Kritikpunkt ist, dass die ABDA ihre eigenen Strukturen nicht in Frage stellt. Die Organisation verharrt in einer eher konservativen Haltung und sieht sich nicht in der Lage, sich an die neuen, dynamischen Anforderungen der Branche anzupassen. Die Digitalisierung, die Automatisierung von Apothekendienstleistungen und die Veränderung der Rolle des Apothekers – all diese Themen werden von der ABDA nur zögerlich und mit wenig Innovationskraft angegangen. Während andere Branchen längst von der Digitalisierung profitieren, bleibt die ABDA in der Frage, wie sie diese Herausforderungen aktiv gestalten kann, weit hinter den Erwartungen zurück.
Die Frage, ob die ABDA sich reformieren kann oder ob eine vollständige Auflösung der Organisation erforderlich ist, steht daher im Raum. Der Vorschlag, die Kammer- und Verbandsfunktionen zu trennen und eine klare Fokussierung auf wirtschaftliche Interessen zu ermöglichen, ist eine denkbare Lösung. In einer solchen Struktur könnten die Kammern weiterhin ihre Rolle in der Aufsicht und ethischen Beratung der Apotheker wahrnehmen, während die Verbände die wirtschaftlichen Belange und die politische Interessenvertretung übernehmen. Eine solche Trennung könnte den Weg für eine effizientere und zukunftsorientierte Vertretung der Apotheker ebnen, die stärker auf die wirtschaftlichen Herausforderungen der Branche reagiert.
Kommentar: Die ABDA und ihre Zukunft – Eine notwendige Neuausrichtung
Die ABDA steht in einer Krise, die ihre Existenz als Dachorganisation fundamental infrage stellt. Der Beruf des Apothekers ist heute mit enormen Herausforderungen konfrontiert, die eine moderne, dynamische und zukunftsorientierte Interessenvertretung erfordern. Doch statt mutig voranzugehen und die Weichen für eine nachhaltige Zukunft zu stellen, verharrt die ABDA in einem Zustand der Passivität. Es ist, als ob die Organisation sich weigert, die Realität anzuerkennen, dass der Apothekerberuf sich in einer tiefgreifenden Transformation befindet, die auch die Art und Weise verändert, wie Apotheker ihre Interessen vertreten müssen.
Die Kritik an der ABDA ist nicht unbegründet. Die Organisation hat sich zu sehr in ihren eigenen Strukturen und Prozessen verfangen, um als treibende Kraft in der notwendigen Transformation der Apothekerschaft zu agieren. Statt als aktive Interessenvertretung aufzutreten, die Lösungen für die Zukunft entwickelt, konzentriert sich die ABDA vor allem darauf, das bestehende System zu bewahren – auch wenn dieses längst nicht mehr den Anforderungen einer modernen Apothekerschaft entspricht. Es ist kaum zu fassen, dass die ABDA sich noch immer nicht in der Lage sieht, eine klare und kraftvolle Vision für die Zukunft des Apothekerberufs zu entwickeln. Stattdessen wird lieber auf den Status quo vertraut, in der Hoffnung, dass sich die Probleme irgendwie von selbst lösen.
Die Entwicklung von Alternativen zur ABDA zeigt, dass immer mehr Apotheker und Apothekerinnen nicht länger bereit sind, diese Zurückhaltung hinzunehmen. Gruppen wie die „Freie Apothekerschaft“ oder der „Verband innovativer Apotheken“ zeigen, dass es einen klaren Bedarf an einer modernen, unternehmerisch denkenden Interessenvertretung gibt, die den Herausforderungen der heutigen Zeit gerecht wird. Diese neuen Akteure setzen auf eine klare Trennung von Kammer- und Verbandsfunktionen, um eine stärkere und flexiblere Vertretung der Apothekenwirtschaft zu ermöglichen.
Es ist höchste Zeit, dass die ABDA sich grundlegend neu orientiert. Statt die Vergangenheit zu bewahren, muss die Organisation den Mut haben, die Zukunft aktiv zu gestalten. Eine Neuausrichtung ist notwendig – und sie ist möglicherweise der einzige Weg, um die Relevanz der ABDA in einer sich rapide verändernden Welt zu sichern. Die Apothekerschaft braucht eine starke, zukunftsfähige Vertretung, die den Herausforderungen von Digitalisierung, Automatisierung und wirtschaftlichen Belastungen gerecht wird. Die Frage ist nur, ob die ABDA noch in der Lage ist, diese Aufgabe zu übernehmen – oder ob es Zeit wird, den Weg für eine neue, moderne Form der Interessenvertretung zu ebnen.
Von Engin Günder, Fachjournalist