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Apotheken-News: Grenzüberschreitende E-Rezepte: Europas digitale Vision

Wie der European Health Data Space Apotheken und Patienten vernetzen soll

(PresseBox) (Karlsruhe, )
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet voran, doch die grenzüberschreitende Einlösung von E-Rezepten stellt Apotheken und Patientinnen weiterhin vor große Herausforderungen. Während die EU mit dem European Health Data Space (EHDS) eine gemeinsame Lösung anstrebt, bleiben technische und rechtliche Hürden ein Hindernis. Wie funktioniert die Versorgung heute, welche Zwischenlösungen gibt es, und wann können Apotheken auf ein vernetztes System hoffen? Ein Blick auf den aktuellen Stand und die Zukunft einer digitalen Gesundheitsversorgung in Europa.

Die Einführung des elektronischen Rezepts (E-Rezept) in Deutschland markiert einen wichtigen Schritt in Richtung Digitalisierung des Gesundheitswesens. Mit dem Ziel, die Prozesse für Ärztinnen, Apotheken und Patientinnen zu vereinfachen, hat sich das E-Rezept binnen kurzer Zeit etabliert. Doch während die innerdeutsche Nutzung zunehmend reibungslos funktioniert, zeigt sich im grenzüberschreitenden Kontext eine Reihe von Hürden. Besonders in Grenzregionen wird die Frage laut, wie und ob E-Rezepte aus anderen Ländern in deutschen Apotheken eingelöst werden können. Trotz rechtlicher Klarheit bleibt die technische Umsetzung komplex.

Innerhalb der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) regelt eine EU-Richtlinie, dass ärztliche Verschreibungen in allen Mitgliedsstaaten gültig sind. Dies gilt unabhängig davon, ob sie in Papierform oder elektronisch vorliegen. Wichtig ist, dass die Verschreibung alle vorgeschriebenen Angaben enthält, wie beispielsweise Patientendaten, Informationen zur ärztlichen Person sowie eine klare Bezeichnung des Medikaments. Auch die Schweiz ist durch eine nationale Sonderregelung eingebunden: Laut der deutschen Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) werden schweizerische Rezepte denen aus EU- und EWR-Ländern gleichgestellt, sofern sie die notwendigen Angaben enthalten. Einschränkungen gibt es lediglich bei Betäubungsmittel- und T-Rezepten, die besonderen Formvorschriften unterliegen.

Die rechtlichen Grundlagen allein reichen jedoch nicht aus, um die Einlösung ausländischer E-Rezepte in Deutschland zu ermöglichen. Technisch gesehen fehlt es an der notwendigen Interoperabilität zwischen den verschiedenen digitalen Gesundheitssystemen der EU-Mitgliedsstaaten. Jedes Land verfügt über eigene Infrastrukturen und digitale Standards, die nicht miteinander kompatibel sind. Während Deutschland auf die Telematikinfrastruktur setzt, arbeiten Länder wie Frankreich, die Niederlande oder Polen mit eigenen Systemen.

Um diese Herausforderung zu bewältigen, hat die EU den Aufbau eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (European Health Data Space, EHDS) angestoßen. Diese Initiative zielt darauf ab, einen sicheren und interoperablen digitalen Raum zu schaffen, in dem Gesundheitsdaten – darunter auch E-Rezepte – grenzüberschreitend ausgetauscht werden können. Eine zentrale Komponente dieses Projekts ist die Plattform „MyHealth@EU“, die es Patientinnen und Patienten ermöglichen soll, ihre Gesundheitsdaten im gesamten EU-Raum abrufen und nutzen zu können.

Bereits 14 EU-Mitgliedstaaten, darunter auch einige deutsche Nachbarländer wie Luxemburg, Frankreich und die Niederlande, sind an „MyHealth@EU“ beteiligt. Doch obwohl erste Schritte getan sind, bleibt die vollständige Integration Deutschlands in dieses System ein längerfristiges Projekt. Die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) und die gematik arbeiten gemeinsam daran, die Voraussetzungen für die Anbindung deutscher Apotheken zu schaffen. Pilotprojekte und Tests laufen bis 2025, und die flächendeckende Umsetzung wird nicht vor Ende desselben Jahres erwartet.

Bis dahin setzt die EU auf Übergangslösungen. Ärztinnen und Ärzte werden dazu angehalten, zusätzlich zur elektronischen Verordnung einen Papierausdruck des Rezepts auszustellen, um die Einlösung im Ausland zu erleichtern. Apothekenbetreiber müssen sich daher weiterhin auf hybride Prozesse einstellen, die analoge und digitale Elemente kombinieren. Die Schulung des Apothekenpersonals spielt hierbei eine zentrale Rolle, um rechtliche und technische Anforderungen zu erfüllen und Patienten optimal beraten zu können.

Der Fortschritt bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens wird von vielen als zu langsam empfunden. Die Verzögerungen beim E-Rezept und die mangelnde Interoperabilität der Systeme werfen ein Schlaglicht auf die Herausforderungen der digitalen Transformation. Der EHDS hat das Potenzial, eine der bedeutendsten Innovationen im europäischen Gesundheitswesen zu werden, doch sein Erfolg hängt von politischem Willen, finanziellen Investitionen und der Kooperationsbereitschaft aller Mitgliedsstaaten ab.

Kommentar:

Die Vision eines grenzüberschreitenden E-Rezepts ist ein Paradebeispiel für den europäischen Gedanken: Länderübergreifende Zusammenarbeit soll Bürgerinnen und Bürgern gleichermaßen Zugang zu medizinischer Versorgung ermöglichen. Doch die Realität zeigt, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens ein mühsamer Prozess ist, der technische, rechtliche und organisatorische Herausforderungen mit sich bringt.

Für Apotheken ist die Situation besonders anspruchsvoll. Sie befinden sich an der Schnittstelle zwischen Patientenbedürfnissen, ärztlichen Verordnungen und der oft schwerfälligen Bürokratie. Die fehlende Interoperabilität zwischen den nationalen Systemen zwingt Apothekenbetreiber dazu, kreative Lösungen zu finden, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Dabei trägt die Empfehlung der EU, weiterhin auf Papierausdrucke zu setzen, eher zur Frustration bei, als dass sie den Weg zu einem digitalen Gesundheitswesen ebnet.

Auch politisch lässt sich Kritik nicht vermeiden. Die EU verfolgt mit dem EHDS ein ehrgeiziges Ziel, doch die Umsetzung scheint vielerorts durch bürokratische Hürden und nationale Eigeninteressen gebremst. Deutschland, das sich in der Vergangenheit oft als Vorreiter für technische Innovationen präsentiert hat, kommt hier nur schleppend voran. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wird von anderen Ländern schneller und effizienter vorangetrieben – ein Zustand, der nicht nur den Fortschritt behindert, sondern auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in digitale Projekte gefährdet.

Trotz aller Herausforderungen bietet der EHDS eine immense Chance. Der grenzüberschreitende Austausch von Gesundheitsdaten könnte die Versorgung erheblich verbessern und Patientinnen und Patienten im gesamten EU-Raum mehr Flexibilität ermöglichen. Doch damit dieses Potenzial ausgeschöpft werden kann, sind gezielte Investitionen und eine klare Strategie erforderlich. Apothekenbetreiber müssen in die Lage versetzt werden, die neuen Systeme schnell und effektiv zu nutzen. Dazu gehört nicht nur die Bereitstellung technischer Infrastruktur, sondern auch eine umfassende Schulung des Apothekenpersonals.

Letztlich steht und fällt der Erfolg des EHDS mit der Frage, wie reibungslos die praktische Umsetzung gelingt. Die Politik muss sicherstellen, dass aus der Vision eines digitalen Gesundheitswesens keine weitere bürokratische Baustelle wird. Apothekenbetreiber verdienen klare und verbindliche Vorgaben, um ihre essenzielle Rolle im Gesundheitssystem auch unter den neuen Bedingungen erfüllen zu können.

Die kommenden Jahre werden entscheidend dafür sein, ob Europa den digitalen Balanceakt zwischen Vision und Realität schafft – oder ob die Chance auf eine zukunftsweisende Gesundheitsversorgung an technischen und politischen Hindernissen scheitert. Bis dahin bleibt die Verantwortung bei den Apotheken, die tagtäglich die Lücken im System ausgleichen müssen, während sie sich auf eine ungewisse digitale Zukunft vorbereiten.

Von Engin Günder, Fachjournalist

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