Der Begriff "vertikale Bearbeitung" hat bei EMAG Tradition. Die Salacher Maschinenbauer haben in der Vergangenheit eine Vielzahl von Maschinen konstruiert, die sich diesem Prinzip unterwerfen. Das Werkzeug befindet sich während der Bearbeitung seitlich des vertikal gespannten Werkstücks. Das sorgt zum Beispiel beim Drehen und Schleifen für einen optimalen Spänefall und somit für stabile und prozesssichere Bearbeitungsabläufe - eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte. Für die Aufgabenstellung bei Changan Automobile mussten die Experten allerdings einen außergewöhnlichen Innovationsschritt vornehmen, denn die komplette Weich- und Hartbearbeitung einer Nockwelle innerhalb einer mehrstufigen Produktionslinie mit ausschließlich vertikalen Bearbeitungsabläufen hat es bislang überhaupt noch nicht gegeben. "Wir haben in der Tat mit dieser Komplettlösung Neuland betreten", erklärt Dr. Guido Hegener, Geschäftsführer der EMAG Salach Maschinenfabrik GmbH. "Natürlich verfügen wir über viel Erfahrung mit horizontalen Schleif- und Bohrprozessen. Aber zum Beispiel das dazugehörige Tieflochbohren der Welle ist in vertikaler Ausführung ungewöhnlich. 320 Millimeter tief muss der Bohrer in das Bauteil eindringen. Unser Ziel war es von Anfang an, das Prinzip der vertikalen Bearbeitung auf die gesamte Linie anzuwenden und seine Vorteile konsequent zu nutzen."
EMAG-Technologie im Einsatz
Die Nockenwellenanlage wurde im Mai am Produktionsstandort von Changan in der Stadt Chongqing übergeben. Zu ihr gehören zwei parallel aufgestellte, fast baugleiche Fertigungslinien - jeweils für Einlass- bzw. Auslassnockenwellen. Die verkettete Wellenbearbeitung startet mit zwei VTC 250 DUO-Drehzentren von EMAG. Hier erfolgt die Enden-und Dreh-Bearbeitung der Welle sowie (in der zweiten Maschine) die angesprochene Tieflochbohrung sowie die Bohrung von radialen Öllöchern und das Fräsen einer Markierungsfläche. Anschließend wird in den zwei nachfolgenden EMAG Schleifzentren VTC 315 DS die komplette Schleifbearbeitung ausgeführt. Die erste Anlage übernimmt dabei die Bearbeitung der Hauptlager, in der zweiten erfolgt das Unrundschleifen der Nocken. Der Clou beider Maschinen: Ihr Prinzip basiert auf dem Einsatz von zwei Schleifscheiben, die von zwei Seiten mit unterschiedlicher Laufrichtung auf die Nockenwelle einwirken. Die in Vorschubrichtung auftretenden Kräfte werden durch die gegenüberliegende Anordnung der Schleifscheiben aufgehoben. Diese Konstruktion wirkt sich mehrfach positiv aus. Einerseits sind aufgrund der steifen Einspannung extreme Vorschübe bei der Schleifbearbeitung einer Nockenwelle möglich. Andererseits befinden sich zwei Schleifscheiben gleichzeitig im Einsatz. Das verkürzt die Bearbeitungsdauer zusätzlich.
Intelligente Automation, effiziente Kühlung
Grundsätzlich gilt zudem mit Blick auf alle Dreh- und Schleifprozesse, dass erst die eingesetzte EMAG Technologie die besonders effiziente Automation der Gesamtlinie ermöglicht. Die integrierten Pick-up-Revolver der Drehzentren nehmen die Bauteile von einem Shuttle auf und setzen es auf dem nachfolgenden wieder ab. Dann erfolgt der Weitertransport. Innerhalb der Schleifzentren befinden sich wiederum Roboter, die jeweils die Übergabe der Werkstücke von Shuttle zu Shuttle sicherstellen. "Besonders effizient ist aus unserer Sicht auch die Kühlmittel-Versorgung der Gesamtanlage", führt Hegener einen weiteren wichtigen Punkt an. "Weil die zwei Linien für Einlass- und Auslasswelle dicht beieinander stehen und ihre Konstruktion fast baugleich ist, konnten wir die Kühlung ihrer Produktionszentren gut zusammenfassen. Es gibt nur zwei Anlagen für die Kühlmittelreinigung." Eine übernimmt die Kühlung der Drehzentren beider Produktionslinien, die andere sichert die Kühlung aller Schleifzentren - eine effektive Lösung, die letztlich auch die Investitionskosten senkt. Zum weiteren Produktionsablauf bei der Komplettbearbeitung der Nockenwelle gehören eine Reihe von Anlagen, die zum Beispiel mithilfe einer Rissprüfung und verschiedenen Messungen die Bauteilqualität sicherstellen sowie mit einem Wasch- und einem Konservierungs-Prozess das Bauteil in einen einbaufertigen Zustand versetzen.
Kurze Taktzeiten garantiert
Zwei Drehzentren, zwei Schleifanlagen, ein Entgrat- und Finish-Prozess, eine zusätzliche Anlage, mit der ein Zahnrad aufgepresst wird, sowie die angesprochenen Prozesse zur Qualitätssicherung - jeden dieser Produktionsschritte durchläuft die Nockenwelle in maximal 69 Sekunden. Wie ist die kurze Taktzeit möglich? "Hier machen sich verschiedene Faktoren bemerkbar. So sichert zum Beispiel das Synchro-Stützschleifen mit zwei Schleifscheiben kurze Bearbeitungszeiten. Gleiches gilt für die Vier-Achs-Drehbearbeitung. Außerdem weisen die Anlagen insgesamt geringe Nebenzeiten auf, weil das Be- und Entladen der Teile immer parallel erfolgt", erklärt Hegener.
Lösung aus einer Hand
Insgesamt profitieren die Autobauer von Changan von einer äußerst effizienten Lösung, die eine hochgenaue Bauteilqualität garantiert. Zudem macht sich die komplett vertikal ausgeführte Bearbeitung auch bei der Prozesssicherheit der Anlage bemerkbar. "Es gibt sicher viele Argumente, die für diese Lösung sprechen", so Hegener abschließend. "Ganz entscheidend für die Investitionsentscheidung unserer chinesischer Partner war aber das große EMAG Gesamt-Know-how bei der Wellenbearbeitung. Wir haben die vollständige Produktionslinie geplant und zusammengestellt - inklusive ihrer Verkettung und der benötigten Peripheriegeräte. Diese 'Alles-aus-einer-Hand-Lösung' hat die Planung der neuen Produktionsstätte natürlich massiv vereinfacht."
EMAG präsentiert auf der AMB in Stuttgart vom 18.-22.09.2012 die neue Vertikaldrehmaschine VT 2-4 für Wellen bis 400 mm Länge und 100 mm Durchmesser.