Glaubt man der Legende von Borjomi, zeigte eines der berühmtesten Mineralwasser der Welt seine lebensspendende Wirkung erstmals an einem verwundeten Hirsch in den kaukasischen Tannenwäldern Georgiens. Ein Jäger, der die Wunderheilung beobachtete, kostete selbst von dem Wasser, fühlte sich gestärkt und verbreitete die Nachricht. Durch archäologische Funde belegt ist eine rund tausendjährige Nutzung der Mineralquelle, deren Erfolgsgeschichte insbesondere ab Mitte des 19. Jahrhunderts an Fahrt aufnahm: In dieser Zeit des in ganz Europa florierenden Bädertourismus entwickelte sich der Ort Borjomi zu einem feudalen Kurort, in dem sich der russische Adel sowie wohlhabende Perser und Aserbaidschaner prächtige Palais oder Villen errichten ließen. Namhafte Gäste wie Tschaikowski oder Tolstoi suchten in der Stadt Erholung, genau wie – bis in die Achtziger- und Neunzigerjahre des vorigen Jahrtausends – viele Familien mit ihren Kindern.
Synonym für Mineralwasser
Seit 1890 wird das Heilwasser von Borjomi hier in Glas abgefüllt – anfangs immerhin schon 10 bis 12 Millionen Flaschen pro Jahr. 1969 löst ein neuer Abfüllbetrieb das historische Werk ab, das heute als Museum genutzt wird. In den Achtzigern werden von hier aus jährlich rund 400 Millionen Flaschen verkauft. Das nach der Stadt am Fluss Kura benannte Getränk gilt in der gesamten Region als Synonym für Mineralwasser schlechthin, hochgeschätzt für seinen ausgeprägt mineralischen und leicht salzigen Geschmack. Über 60 verschiedene Mineralien und weitere natürliche Inhaltsstoffe machen das mit einer Temperatur zwischen 37 und 41 Grad Celsius und natürlicher Quellkohlensäure aus dem Felsen sprudelnde Wasser unverwechselbar. Seit über 170 Jahren von Geologen und Physikern engmaschig überwacht, bescheinigen weit mehr als 100 Studien und Analysen eine gleichbleibend hohe Qualität sowie unveränderte physikalische und chemische Eigenschaften: Dank Kalium, Kalzium, Magnesium, Natrium, Chlor, Kohlenwasserstoffe und einer hohem Alkalität könne das Wasser mit seiner „verjüngenden Wirkung auf Körper, Geist und Seele“ punkten, wie es auf der Website des Unternehmens heißt.
Auch in emotionaler Hinsicht ist Borjomi auf mehrfache Weise einzigartig. In Georgien so bekannt wie keine andere heimische Marke, entwickelte es sich über die Jahrzehnte nicht nur zum unangefochtenen Marktführer, sondern zugleich zu einer identitätsstiftenden Ikone. Außerhalb der Landesgrenzen übernimmt das Wasser aus dem Kaukasus die Funktion eines Aushängeschildes: Immerhin trägt es heute einen erheblichen Anteil zum gesamten Exportvolumen des Landes bei. Und schließlich ist der Name Borjomi eng mit der sprichwörtlichen Gastfreundschaft verbunden, die in dem Land zwischen Bergen und Schwarzmeerküste allgegenwärtig ist. „Mit allem, was wir tun, möchten wir einerseits unsere eigene Historie und das reiche kulturelle Erbe Georgiens feiern“, betont Ivane Matchavariani, CEO von IDS Borjomi Georgia. „Andererseits wollen wir ein Leuchtturm für die Zukunft unseres Landes sein. Dafür müssen wir die Sprache der nächsten Generation sprechen.“
Gemeinsame Geschichte
Auf dem Weg in die Zukunft ist der deutsche Maschinen- und Anlagenbauer KHS seit vielen Jahren ein verlässlicher Begleiter. Eine erste Filtrieranlage wurde vor über 60 Jahren beim Vorgängerunternehmen Seitz in Bad Kreuznach bezogen, und in den Jahren 2004 und 2006 war KHS maßgeblich an der Lieferung, Montage und Inbetriebnahme einer PET-Linie sowie des Trockenteils einer Glaslinie beteiligt. Gemeinsam blickt man aber nicht nur zurück, sondern vor allem nach vorne: Als Technologiepartner begleitet der Dortmunder Systemanbieter IDS Borjomi Georgia, wie der Getränkehersteller heißt, auf seinem Weg in die Zukunft. In dem früheren Kurort entsteht seit 2020 für über 40 Millionen Euro ein weiteres, hochmodernes Werk. Mit Hightech vor allem aus Deutschland setzt es einen neuen Standard für Branche und Region und gibt der Wirtschaft des Landes einen starken Impuls. Der auf einer Fläche von 25.000 Quadratmeter entstehende neue Abfüllbetrieb schafft 20 Prozent zusätzliche Arbeitsplätze und wird es mittelfristig ermöglichen, den Ausstoß zu verdoppeln. So sollen zum einen die steigende Nachfrage bedient und zum anderen die Voraussetzungen für eine Ausweitung des Portfolios geschaffen werden. Ökologie ist dabei besonders wichtig: So sind die neuen Maschinen beispielsweise auf effizienten Energie- und Wasserverbrauch hin optimiert und eine hochmoderne Kläranlage übernimmt die Filtration der Abwässer. Ein großer Teil der Arbeiten ist bereits abgeschlossen, für Ende 2024 wird die Fertigstellung von Logistikzentren und Eisenbahnanschlüssen erwartet.
Jenseits der Lieferung von großen Teilen der Ausstattung für Prozesstechnik, Abfüll- und Verpackungsanlagen übernimmt KHS die Rolle eines Beraters und Generalunternehmers, auf dessen Erfahrung der Getränkeabfüller sich gerne verlässt: „Wir haben volles Vertrauen in die technologische Kompetenz von KHS rund um die Abfüllung von Mineralwasser und kohlensäurehaltigen Softdrinks“, erklärt Gia Shatirishvili, I;ndustrial Development Director von IDS Borjomi Georgia. „Gemeinsam haben wir einen konzeptionellen Masterplan erstellt, der die technische Vorbereitung, die Berechnung von Produktions- und Versorgungskapazitäten sowie das perspektivische Layout der neuen Fabrik umfasste.“ Konkret wirkt KHS bei der Dimensionierung der Wasseraufbereitung, der Versorgung der Linien mit Medien wie Dampf, Luft, CO2 und Kälte mit und beteiligt sich an der Planung der Versorgungsnetze und CIP-Konzepte. Selbst in die Gestaltung der Halle sind die Dortmunder involviert. Dabei werden alle Möglichkeiten der 3D-Anlagenplanung ausgeschöpft.
Hightech für PET und Dose
Zwei komplette KHS-Linien sind inzwischen installiert und in Betrieb genommen: Für die Abfüllung in PET-Flaschen mit einem Volumen von 0,5 bis 1,25 Liter steht ein Streckblas-Füllblock InnoPET BloFill für bis zu 30.000 Behälter pro Stunde zur Verfügung. Beim Redesign der Kunststoffflaschen brachten sich die KHS-Experten von Bottles & Shapes im Dialog mit dem Marketing des Kunden unmittelbar mit ein. Auf vielfältige Weise wurde die Optimierung der ikonischen Borjomi-Flasche begleitet, zum Beispiel, um das Embossing mit dem legendären Hirschen zu ermöglichen. Innerhalb der Blocklösung wartet auch der Füller in Form des Innofill PET DRV mit dem neuesten Stand der Technik auf. Weitere Highlights im Nassteil der Linie sind die Mischanlage Paramix C sowie die Etikettiermaschine Innoket Neo Flex 90 – eine der ersten mit umlaufendem HMI. Mittels vier Kameras werden die drei Kaltleim-Papieretiketten pro Flasche an Bauch, Brust und Rücken exakt wie vom Marketing vorgegeben am Markenlogo ausgerichtet. Den Trockenteil beschließen der Schrumpfpacker Innopack Kisters SP Advanced mit Handle Applicator sowie die flexible Palettiertechnik des Innopal PB N kombiniert mit einem Gruppiersystem Innopal RG.
Auf der zweiten Linie werden pro Stunde bis zu 36.000 Getränkedosen abgefüllt. Nach der Ausmischung im Paramix C übernimmt der kompakte Füller Innofill Can C, an den sich ein Verschließer des Schweizer Maschinenbauers Ferrum, der KHS-Kurzzeiterhitzer Innopro KZE sowie ein Tunnelpasteur anschließen. Bedingt durch den Export in 40 Länder und eine entsprechend große Zahl an Sprachversionen werden die vorne mit dem Markenmotiv bedruckten 330-Milliliter-Sleek-Dosen auf der Rückseite mit einem Selbstklebeetikett versehen. Im Trockenteil wird als Packer ein Innopack Kisters TSP für Trays und Schrumpffolie eingesetzt. Für die Zuführung der leeren Behälter in die Verpackungslinie sorgt der Depalettierer Innopal LD Z. Die Palettierung der verpackten Produkte übernimmt erneut ein Innopal PB N.
Maßgeschneiderte Prozesstechnik
Im Bereich der Prozesstechnik steuert KHS zudem einen komplett maßgeschneiderten Sirupraum bei, der neben den beiden neuen Linien zukünftig noch zwei weitere bedienen kann und einige Besonderheiten bietet. „Von hier aus erfolgt die Steuerung des komplexen Wasserkonzepts über das Prozessleitsystem“, erklärt Ilya Kukushkin, Technical Sales Manager Key Accounts bei KHS. „Es ermöglicht zum Beispiel die Rezeptverwaltung und ist vor allem in Kombination mit dem vollautomatischen Ventilknoten besonders bedienerfreundlich. Neben Maschinen zur Herstellung, Behandlung und Lagerung von Zuckersirup umfasst der Sirupraum Trichter und Sauglanze zur Aufgabe und Verarbeitung flüssiger und fester Kleinkomponenten sowie eine Fassentleerungsstation für viskose Konzentrate – alles in direkter Anbindung an die sechs Mischtanks mit jeweils 10,5 beziehungsweise 22 Kubikmeter Volumen. In diesen können vollkommen flexibel alle Arten von Grundstoffen produziert werden.“
Darüber hinaus sind drei CIP-Stationen integriert worden, eine für beide Linien, den Sirupraum sowie für die Wasseraufbereitung inklusive aller Wasserwege. „Die Verrohrung schließt die vier Kilometer lange Verbindung mit der Dosierstation für Desinfektionsmittel im alten Werk ein. Das ist die längste gereinigte Rohrleitung, von der ich je gehört habe“, stellt Kukushkin fest.
Im Sommer 2023 wurde außerdem der Auftrag für eine weitere PET-Linie an KHS erteilt: Diese Anlage soll künftig pro Stunde bis zu 36.000 Flaschen mit einem Volumen von 1,5 Liter abfüllen können – eine ganz neue Behältergröße für den Abfüller. „An KHS schätzen wir vor allem die End-to-End-Lösungen, die eine ausgezeichnete Balance zwischen hoher Anlageneffizienz und kleinem Fußabdruck schaffen“, betont Shatirishvili. „Mit seiner leistungsfähigen Technologie, der hohen Flexibilität und dem großem Engagement seiner Mitarbeitenden ist das Unternehmen für uns ein Partner, mit dem wir gerne weiterhin langfristig zusammenarbeiten wollen.“
Premiummarke mit Zukunft
Schließlich hat Borjomi noch viel vor – nicht nur mit Blick auf die technische Ausstattung. Auch in puncto Marke ist bei dem Mineralbrunnen einiges in Bewegung: Bereits 2019 wurde das visuelle Erscheinungsbild runderneuert. Seitdem betont der Markenauftritt den Heimatbezug mit hochmoderner Gestaltung noch stärker als bisher. 2021 folgte eine dann auch inhaltlich neue Positionierung, sinngemäß übersetzt als „Lebendiges Wasser, lebende Legende.“
„Seit 133 Jahren befassen wir uns damit, wie unsere Produkte abgefüllt und etikettiert werden“, erklärt Shatirishvili. „Insofern spielt das Flaschen- und Verpackungsdesign eine entscheidende Rolle für unser gesamtes Produktportfolio – umso mehr für unsere historische Premiummarke Borjomi.“
Auch bei den angebotenen Getränken selbst herrscht inzwischen frischer Wind. Neben Limonaden gibt es neuerdings aromatisiertes Wasser in den vier Geschmacksrichtungen Kirsche-Granatapfel, Zitrus-Ingwer, Limette-Koriander und Walderdbeere-Kräuter – alles in den schlanken Aluminiumdosen, die in dieser Region eine vergleichsweise exotische Verpackung darstellen. „Speziell durch die Etikettierung ist unsere neueste Dosenlinie ein echtes Highlight und die erste Anlage ihrer Art im gesamten Kaukasus“, stellt Kukushkin stolz fest. „Für Borjomi sind diese über Wasser hinausgehenden Produkte ein ganz neues Business, bei dem sich der Kunde gerne von uns beraten und helfen lässt. Im Fokus stehen dabei sowohl Flexibilität als auch Produktsicherheit bei der Herstellung, Abfüllung und Pasteurisierung.“