Mitte dieses Jahres erregte ein Gerichtsurteil die Gemüter: Das Berliner Kammergericht verwehrte in zweiter Instanz den Eltern einer 2012 bei einem U-Bahn-Unfall ums Leben gekommenen 15-Jährigen den Zugriff auf deren Facebook-Konto. Die Mutter der Verstorbenen wollte im Chat-Verlauf ihrer Tochter nach Hinweisen auf Mobbing oder Suizidabsichten suchen, was Facebook jedoch verweigerte, da das Konto nach einem Hinweis eines Facebook-Freundes bereits in den sogenannten Gedenkzustand versetzt worden war. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Mutter über sämtliche Zugangsdaten verfügte. Die erste Instanz hatte noch die Eltern als Erben des digitalen Nachlasses ihrer Tochter und somit als zugriffsberechtigt angesehen. Das Kammergericht gab jedoch Facebook Recht, welches sich auf das Fernmeldegeheimnis berufen hatte. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, denn eine Revision ist zugelassen. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sich auch das Bundesverfassungsgericht mit dem Fall beschäftigen muss.
„Der Fall zeigt, wie schwierig das Thema des digitalen Erbes ist. Wir sind die erste Generation, die sich überhaupt damit befassen muss und es herrscht viel Unsicherheit“, sagt Götz Schartner vom Verein Sicherheit im Internet e. V., einem Mitveranstalter von SpardaSurfSafe. „Er zeigt aber auch, dass das Thema uns alle angeht“. Die Zahlen geben Schartner Recht. 90 % der deutschen Bevölkerung über 14 Jahren sind laut der Onlinestudie von ARD und ZDF im Netz unterwegs. Ihr digitales Erbe haben hingegen nur 8 % geregelt, weitere 4 % haben zumindest für die wichtigsten Konten Vorsorge getroffen. Erschreckend: Ganze 45 % der Befragten waren sich der Problematik bislang überhaupt nicht bewusst! Diese Zahlen ergab eine YouGov-Umfrage im Auftrag von Web.de und GMX. „Die wenigsten Angehörigen wissen, wo die Verstorbenen überhaupt Online-Konten eingerichtet haben“, sagt Schartner. Das Problem vieler Accounts: Sie sind kostenpflichtig. Als Erbe muss man für anfallende Kosten aufkommen.
Um Überraschungen zu vermeiden, sollte man schon zu Lebzeiten vorsorgen und sein digitales Erbe regeln. SpardaSurfSafe hat die wichtigsten Maßnahmen hier zusammengefasst:
1. Bestimmen Sie eine Vertrauensperson zu ihrem digitalen Nachlassverwalter.
Diese Person erhält eine Vollmacht, um sich um Ihr digitales Erbe zu kümmern. Diese Vollmacht muss handschriftlich erstellt werden, ein Datum tragen und mit dem Zusatz „über den Tod hinaus“ versehen sein. Ebenfalls in die Vollmacht gehören genaue Anweisungen, was mit welchen Daten und Konten geschehen soll.
2. Erstellen Sie eine Liste mit allen Accounts.
Verschaffen Sie sich einen Überblick über alle Dienste, bei denen Sie ein Nutzerkonto haben, notieren Sie Benutzername und Kennwort. Im Idealfall erstellen Sie diese Liste als Word- oder Excel-Dokument und speichern es dann auf einem verschlüsselten oder zumindest kennwortgeschützten USB-Stick. Das Kennwort oder den Entschlüsselungscode sollte nur der Bevollmächtigte erhalten, während der Stick selbst an einem sicheren Ort verbleibt. Wichtig ist, diese Liste aktuell zu halten.
3. Schieben Sie das Thema nicht vor sich her.
Natürlich möchte niemand über den eigenen Tod nachdenken. Trotzdem ist das digitale Erbe genauso zu behandeln wie der Schmuck, das Bankkonto und das Haus: Es muss geregelt werden! Das ist nicht nur im Sinne der Hinterbliebenen, denen damit eine Last von den Schultern genommen wird. Es liegt auch in Ihrem Interesse, selbst zu bestimmen, wie mit Ihrem Andenken umgegangen werden soll.
Mit diesen Maßnahmen lässt sich der digitale Nachlass leicht regeln. Doch was, wenn man ein nicht geregeltes digitales Vermächtnis erbt und plötzlich vor der Aufgabe steht, sämtliche Accounts aufzuspüren und löschen zu lassen, ohne Zugangsdaten zu kennen? „In diesem Fall gibt es Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben. Sie kümmern sich auch um die Löschung der Accounts, die Rückübertragung von eventuellen Guthaben sowie um eine Aufstellung der offenen Rechnungen. Umsonst ist dieser Service jedoch nicht“, führt Schartner aus und fügt hinzu: „Ich würde jedem – egal, ob jung oder alt – empfehlen, sich darum zu kümmern.“
Über SpardaSurfSafe:
Veranstalter und Träger von SpardaSurfSafe ist die Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank Baden-Württemberg, die gemeinsam mit dem Kultusministerium Baden-Württemberg, dem Verein Sicherheit im Internet e. V. und dem Landesmedienzentrum Baden-Württemberg das Großprojekt im sechsten Jahr durchführt. In Kooperation mit den IT-Sicherheitsexperten der 8com GmbH & Co. KG wurde ein Konzept entwickelt, das die Schüler im Rahmen des Unterrichts im Umgang mit den Neuen Medien aufklärt. "Wir haben das Konzept in den vergangenen Jahren erfolgreich in 19 verschiedenen Städten in Baden-Württemberg mit mittlerweile rund 300.000 Teilnehmern durchgeführt. Dafür bekommen wir durchweg positives Feedback von den Teilnehmern, ob Schüler, Eltern oder Lehrer", erklärt Patrick Löffler vom Verein Sicherheit im Internet e. V.