Der Artikel, den das News-Portal Gizmodo in der vergangenen Woche veröffentlichte, schlug hohe Wellen, denn darin behaupteten mehrere ehemalige Mitarbeiter von Facebook, dass die „Trending-News“-Sektion der Social Media Plattform systematisch manipuliert wurde. Möglich wäre das durch ein „Injection-Tool“, das den zugrunde liegende Algorithmus umgeht, heißt es in dem Artikel. Die Manipulationen sollen vor allem drei Bereiche betreffen:
1. Artikel konservativer amerikanischer Medien seien häufig einer internen Zensur zum Opfer gefallen, obwohl sie unter den aktuellen Trend-Themen hätten eingeordnet werden müssen. Welche Artikel und Themen davon betroffen waren, sei davon abhängig, wer gerade Dienst in der Redaktion hatte, denn es seien auch persönliche Vorlieben eingeflossen.
2. Themen, die eigentlich noch keine ausreichende Relevanz für den „Trending“-Bereich hatten, seien über das Injection-Tool manuell eingespeist worden – so beispielsweise Berichte über die „BlackLivesMatter“-Bewegung oder über den Angriff auf die Pariser Zeitschrift Charlie Hebdo. Einer der Gründe dafür dürfte sein, dass Facebook bei aktuellen Nachrichten und Eilmeldungen nicht darauf warten will, dass der Algorithmus reagiert, denn bis dahin haben sich die Nachrichten bereits über den Konkurrenten Twitter verbreitet.
3. Außerdem sollen Artikel über Facebook selbst grundsätzlich aus dem News-Feed heraus gehalten oder nur nach Absprache mit Vorgesetzten im Feed belassen worden sein.
Facebook selbst widerspricht der Darstellung von Gizmodo und seinen ehemaligen Mitarbeitern vehement. Weder sei es zu Manipulationen gekommen, noch sei dies technisch möglich, da entsprechende Barrieren installiert seien. Darüber hinaus würden interne Richtlinien solche Handlungen verbieten, wie ein Facebook-Manager in einer Stellungnahme erklärte. Um zu gewährleisten, dass diese Anweisungen nicht umgangen werden, würden außerdem die Aktionen der Mitarbeiter aufgezeichnet und kontrolliert. Ihre Aufgabe sei einzig, Doppelungen zu vermeiden, die Quellenlage zu den Artikeln zu prüfen und Fälschungen aufzuspüren.
Doch warum sind die angeblichen Manipulationen so brisant, dass die Medien international darüber berichten? „Facebook verkauft die ‚Trending-News‘ als Artikel, über die die Nutzer der Plattform tatsächlich diskutieren, für die sie sich also besonders interessieren. Dadurch entsteht ein Eindruck über die Stimmung der Nutzer, der wiederum die Stimmung in der gesamten Bevölkerung widerspiegelt. Sollte es tatsächlich zu Manipulationen gekommen sein, würde das diesen Eindruck natürlich verzerren. Vor allem die Behauptung, dass bestimmte politische Themen unterdrückt worden seien, hat einen faden Beigeschmack, auch wenn das wohl nicht auf Weisung von Facebook passiert ist – ganz besonders jetzt im Präsidentschaftswahlkampf“, erklärt Götz Schartner vom Verein Sicherheit im Internet e. V., einem der Mitveranstalter des Projekts SpardaSurfSafe. „Wenn sich die Geschichte als wahr herausstellen sollte, wäre Facebook alles andere als der neutrale Beobachter, als den es sich gerne darstellt. Es würde dann nicht anders handeln als alle anderen Medien, die durch Redaktionsstatuten oder die persönlichen Ansichten der Redakteure immer in die eine oder andere Richtung tendieren.“
Wer in diesem Fall die Wahrheit sagt – ob Facebook oder die ehemaligen Mitarbeiter – muss sich wohl noch zeigen. Fest steht jedoch, dass die Facebook-Algorithmen tagtäglich Einfluss auf uns nehmen, nämlich über unsere eigene Startseite. Facebook schreibt dazu in seinem Hilfebereich: „Die Meldungen, die in deinen Neuigkeiten angezeigt werden, werden von deinen Verbindungen und Aktivitäten auf Facebook beeinflusst. Auf diese Weise siehst du mehr interessante Meldungen von Freunden, mit denen du am meisten interagierst. Außerdem kann die Anzahl der Kommentare und „Gefällt mir“-Angaben bei einem Beitrag sowie die Art der Meldung (z. B.: Foto, Video, Statusmeldung) dafür verantwortlich sein, welche Meldungen mit höherer Wahrscheinlichkeit in deinen Neuigkeiten angezeigt werden.“ Hinzu kommen hervorgehobene Beiträge und Werbebeiträge, die im Newsfeed angezeigt werden.
Damit bestimmt erst einmal der Facebook-Algorithmus, welche Neuigkeiten wir sehen und in welcher Reihenfolge. „Viele Nutzer dürften sich schon einmal darüber gewundert haben, dass sie trotz „Like“ keine Meldungen einer Fanseite angezeigt bekommen oder einige Freunde auf Facebook überhaupt nicht mehr auftauchen. Auch die Reihenfolge der Beiträge hat schon für Fragezeichen gesorgt, denn dort erscheinen plötzlich Statusmeldungen von vor einigen Tagen vor solchen, die erst wenige Minuten alt sind“, erklärt Schartner und fügt hinzu: „Glücklicherweise sind wir diesen Algorithmen nicht völlig ausgeliefert, denn Facebook bietet die Möglichkeit, den persönlichen Newsfeed über die Neuigkeiten-Einstellungen zu beeinflussen.“
Die Einstellungen „Neueste Meldungen“ und „Hauptmeldungen“ dürften den meisten Nutzern bekannt sein. Sie sind schnell und einfach mit einem Klick über die Startseite zu erreichen. Wer weitere persönliche Vorlieben hinterlegen möchte, muss etwas tiefer in die Profil-Einstellungen tauchen. Hier kann man Prioritäten festlegen, also bestimmen, ob man Beiträge bestimmter Personen oder Seiten als erstes sehen will und welche Personen oder Seiten man abonnieren möchte. Anleitungen sowie weitere Informationen dazu finden sich im Hilfebereich von Facebook. Wer sich regelmäßig über Beiträge auf seiner Facebook-Startseite wundert oder Statusmeldungen bestimmter Personen und Seiten vermisst, der sollte hier einmal einen Blick riskieren. Wobei mit jeder individuellen Einstellung auch wieder persönliche Neigungen und Präferenzen sichtbar werden – und was Facebook aus diesen Erkenntnissen macht, ist leider nicht bekannt. Im Endeffekt muss sich jeder selbst entscheiden, welche Informationen er Facebook anvertrauen will, doch ein gewisses Maß an Vorsicht und Diskretion ist in jedem Fall ratsam.
Weitere Informationen rund um das Thema Facebook finden sich auch auf www.spardasurfsafe-bw.de.
Über SpardaSurfSafe:
Veranstalter und Träger von SpardaSurfSafe ist die Sozialstiftung der Sparda-Bank Baden-Württemberg, die gemeinsam mit dem Kultusministerium Baden-Württemberg, dem Verein Sicherheit im Internet e. V. und dem Landesmedienzentrum Baden-Württemberg das Großprojekt im fünften Jahr durchführt. In Kooperation mit den IT-Sicherheitsexperten der 8com GmbH & Co. KG wurde ein Konzept entwickelt, das die Schüler im Rahmen des Unterrichts im Umgang mit den Neuen Medien aufklärt. "Wir haben das Konzept in den vergangenen Jahren erfolgreich in 17 verschiedenen Städten in Baden-Württemberg mit rund 200.000 Teilnehmern durchgeführt. Dafür bekommen wir durchweg positives Feedback von den Teilnehmern, ob Schüler, Eltern oder Lehrer", erklärt Patrick Löffler vom Verein Sicherheit im Internet e. V.