Immer wieder liest man Schlagzeilen über Schülerinnen, die aus dem sicheren Deutschland in die Kriegsgebiete in Syrien ziehen. Aus Liebe zu einem IS-Kämpfer, wie sie selbst betonen, und für die „gerechte Sache“. Mädchen aus ganz normalen Familien. Auch der Weg des mittlerweile getöteten IS-Stars Denis Cuspert, der unter dem Pseudonym Deso Dogg vor seinem Aufstieg in der Terrororganisation eine mäßig erfolgreiche Karriere als Rapper hingelegt hat, gibt Außenstehenden Rätsel auf. Ähnlich sieht es mit anderen radikalen Strömungen wie dem Rechtsextremismus aus. Wie kommen diese normalen Jugendlichen mit derart radikalem Gedankengut in Berührung? Welche Kanäle und Methoden nutzen die Anwerber, um neue Mitglieder zu rekrutieren?
„Demagogen, die beeinflussbare Persönlichkeiten für ihre radikalen Ideen ausgenutzt haben, gab es während der gesamten Menschheitsgeschichte, heute stehen ihnen jedoch ganz andere Mittel und Wege zur Verfügung, um ihre Verführungskünste weltweit an den Mann zu bringen“, weiß Götz Schartner vom Verein Sicherheit im Internet e.V., einem der Mitveranstalter von SpardaSurfSafe. „Gerade online sprechen Radikale gezielt Jugendliche an, die aufgrund ihres Alters besonders beeinflussbar und anfällig für radikale Ideen sind. Zu Hause fühlen sie sich missverstanden und von den Eltern kontrolliert. Das Versprechen von mehr Freiheit und Gemeinschaft ist da natürlich verlockend.“
Doch wie finden die Radikalen passende „Opfer“? Hier müsse man zwischen gezielter Ansprache und der Verbreitung der Ideen und Propaganda allgemein unterscheiden, führt Schartner aus. So werden einerseits passende Inhalte auf Plattformen wie YouTube, in den sozialen Netzwerken oder auf Webseiten und Blogs platziert. Der Aufbau dieser Inhalte zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass der politische oder weltanschauliche Gegner als unmenschlich und böse dargestellt wird. So werden negative Gefühle gegenüber dem Status Quo geschürt. Im Gegensatz dazu werden die eigenen Ideen und Ideale als ausnahmslos gut, ja geradezu als paradiesisch dargestellt. Zusätzlich wird mit Storytelling gearbeitet, um die Zielgruppe bei der Stange zu halten. „Außerdem werden Foren genutzt, in denen Jugendliche gezielt angesprochen werden. Zuerst werden in offenen Chats mit vielen Teilnehmern Posts platziert. Wer darauf anspringt, wird in einen privaten Chat gelockt und ganz bewusst immer weiter manipuliert“, erklärt der Experte. Eine Gefahr birgt hier auch die Personalisierung von Inhalten in den sozialen Netzwerken: „Wer einmal eine bestimmt Seite besucht hat oder gewisse Stichwörter gegoogelt hat, bekommt daraufhin weitere, ähnliche Inhalte ausgespielt.“
Doch wie sollten Eltern reagieren, die eine Veränderung an ihren Kindern feststellen und eine Radikalisierung befürchten? Dazu rät Schartner: „Erwachsene sollten nicht mit Strafen oder Verboten reagieren, denn das könnte die Jugendlichen weiter in die Arme der Radikalen treiben. Vielmehr sollte man die Gründe für eine Zuwendung zu derartigen Inhalten hinterfragen und das Gespräch suchen, denn statt Vorwürfen und Strafen brauchen diese Jugendlichen vor allem Verständnis, Geborgenheit und vielleicht einen anderen Blick auf die Realität.“
Über SpardaSurfSafe:
Veranstalter und Träger von SpardaSurfSafe ist die Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank Baden-Württemberg, die gemeinsam mit dem Kultusministerium Baden-Württemberg, dem Verein Sicherheit im Internet e. V. und dem Landesmedienzentrum Baden-Württemberg das Großprojekt im sechsten Jahr durchführt. In Kooperation mit den IT-Sicherheitsexperten der 8com GmbH & Co. KG wurde ein Konzept entwickelt, das die Schüler im Rahmen des Unterrichts im Umgang mit den Neuen Medien aufklärt. „Wir haben das Konzept in den vergangenen Jahren erfolgreich in 23 verschiedenen Städten in Baden-Württemberg mit mittlerweile rund 320.000 Teilnehmern durchgeführt. Dafür bekommen wir durchweg positives Feedback von den Teilnehmern, ob Schüler, Eltern oder Lehrer“, erklärt Patrick Löffler vom Verein Sicherheit im Internet e. V.