- ABO Wind führte eines der ersten großen Biogas-Repowering-Projekte zum Erfolg
- Anlage in Samswegen komplett neu geplant und umgebaut
- Kapazität gesteigert, Belastungen für Anwohner reduziert
Juristische Klagen der Anwohner, Ärger mit Genehmigungsbehörden, Havarien und geringe Erträge: Nach der feierlichen Einweihung durch die damalige Bundesumweltministerin Renate Künast im Jahr 2001 gab es nicht mehr viel Anlass, sich über die Biogasanlage in Samswegen (Sachsen-Anhalt) zu freuen. Zu groß waren die technischen Mängel und Probleme. Nachdem sich die Fachleute der Bioenergie-Abteilung des Wiesbadener Projektentwicklers ABO Wind nun aber zwei Jahre mit der Anlage befasst und sie komplett neu geplant und umgebaut haben, gehören die Schwierigkeiten der Vergangenheit an. Aus dem Problemkind ist ein Musterknabe geworden: Die Nachbarn freuen sich über einen deutlichen Rückgang der Gerüche und Geräusche, die Eigentümer über eine gute Rendite. Und die Energiebilanz kann sich ebenfalls sehen lassen. Samswegen zählt zu den ersten Beispielen eines Repowerings einer Biogasanlage.
Während andere in der Branche bereits eine Erweiterung als "Repowering" bezeichnen, hat ABO Wind die Biogasanlage in Samswegen gleichsam kernsaniert. Außer der Fassade ist von der früheren Anlage kaum etwas übrig geblieben. Obwohl der Umbau so umfassend war, erfolgte er bei laufendem Betrieb. "Das hat die Angelegenheit zusätzlich erschwert", berichtet Projektleiter Mike Luther. "Wir wollten das Gärsubstrat nicht verlieren und mussten die Anlage während der gesamten Bauzeit auf Temperatur halten."
Dabei ist gelungen, was auf den ersten Blick unmöglich erscheint: Die Planer der ABO Wind haben den Ertrag der Anlage deutlich gesteigert und zugleich die Konflikte mit den Nachbarn ausgeräumt. Durch den Umbau haben sich Effizienz auf der einen sowie Lärm- und Geruchsemissionen auf der anderen Seite umgekehrt proportional zueinander verändert. Jeweils deutlich mehr als 6 Millionen Kilowattstunden Strom und Wärme produziert die Biogasanlage mit den beiden angeschlossenen Blockheizkraftwerken mittlerweile. In den Jahren zuvor war es kaum mehr als die Hälfte.
Unterdessen haben die Anwohner, deren Klagen zwischenzeitlich dafür gesorgt hatten, dass keine bestandskräftige Genehmigung mehr vorlag, Frieden mit der Anlage geschlossen. Die Planer der ABO Wind hatten gemeinsam mit den Betroffenen eine umfangreiche Liste mit Problemen erstellt und für jedes einzelne eine Lösung gefunden. Nachdem alle Punkte abgearbeitet waren, zogen die Nachbarn ihre Klagen zurück. So gibt die Anlage nun praktisch keine störenden Gerüche mehr ab und ist spürbar leiser. Um das zu erreichen, hat ABO Wind unter anderem die Fermenter mit einer Doppel-Membran-Folie abgedeckt und eine Lagerhalle errichtet, in der das Material aufbewahrt wird, bevor es in die Biogasanlage gelangt. Die Anlage wird nun täglich mit rund 100 Kubikmetern Rindergülle sowie 30 Tonnen nachwachsender Rohstoffe (insbesondere Gras und Mais) gefüttert. Die Verweilzeit der Energieträger in der Anlage ist seit dem Umbau von zuvor 33 auf nun rund 50 Tage gestiegen. Um das zu erreichen, hat ABO Wind ein bestehendes Endlager zu einem zusätzlichen Fermenter umgebaut und das Faulraumvolumen damit deutlich erweitert. Die gründlichere Ausfaulung ermöglicht einen höheren Gasertrag und eine bessere energetische Ausnutzung der Stoffe. Der übrig bleibende Gärrest, der als hochwertiger Dünger genutzt wird, ist nunmehr weitgehend vergoren und damit geruchsneutral. So steigert die längere Verweilzeit die wirtschaftliche Effizienz der Anlage wie ihre Akzeptanz im Umfeld.
Abteilungsleiter Hans-Werner Gress und Projektleiter Mike Luther haben das Konzept der einst mangelhaften Samswegener Anlagen an mehreren Dutzend Stellen verändert. Jedes Detail haben sie auf Optimierungspotenzial abgeklopft und sind häufig fündig geworden. Die vielen kleinen und großen Verbesserungen führten in der Summe zum durchgreifenden Erfolg. So wurde beispielsweise die komplette Anlage neu gedämmt. In früheren Wintern war die Temperatur in den Fermentern oft deutlich unter 38 Grad Celsius gesunken, was die Vergärung behinderte. Mehr Geruch und weniger Ertrag waren die Folge. Das Konzept der alten Anlage, das eine Zirkulation der Inhaltsstoffe zwischen den Fermentern vorsah, wird sukzessive umgestellt. "Das ständige Pumpen hat viel Energie gekostet, aber der Gärprozess profitierte nicht von der Zirkulation", erklärt Luther.
Ferner haben die Planer unter anderem neue Gasleitungen legen lassen, die Substratleitungen erneuert, die Sicherheitstechnik überarbeitet sowie die Mess-, Steuer und Regelungstechnik ausgetauscht. Auch die Anlagensteuerung wurde komplett überarbeitet. "Wir können uns nun auch von Wiesbaden einwählen, um die Anlagen jederzeit zu kontrollieren und gegebenenfalls zu optimieren." Im Gegensatz zu früher ist die Gefahr, dass schädliches Methan austritt, nun faktisch vollständig gebannt. Mit einem Ersatz-Blockheizkraftwerk und einer Fackel ist mittlerweile doppelt sicher gestellt, dass im Notfall Methan nicht abgelassen werden muss.
Für den wirtschaftlichen Erfolg der runderneuerten Biogasanlage Samswegen mitentscheidend war die Errichtung eines neuen 500 Kilowatt-Blockheizkraftwerks im Nachbarort Meseburg. In 4,5 Kilometern Entfernung von der Biogasanlage wird nun der Großteil des produzierten Gases verstromt. Die dabei gewonnene Wärme nutzt eine große Ferkelzuchtanlage. Wegen der optimierten Wärmenutzung lohnte sich die technisch durchaus anspruchsvolle Konzeption eines Satelliten-BHKW auch wirtschaftlich. Bevor das Gas auf die 4,5 Kilometer lange Reise durch das neu errichtete Netz geschickt wird, ist eine Reinigung durch Aktivkohlefilter notwendig, um Schwefelablagerungen im Leitungsrohr zu vermeiden. "Zudem kühlen wir das Biogas, das mit 40 Grad aus der Anlage kommt auf fünf Grad", erläutert Projektleiter Luther. "Dann kondensiert bei der Durchleitung kein Wasser. Andernfalls wäre ruckzuck das komplette Rohr geflutet."
In Samswegen selbst wurde eines der beiden früheren 330 Kilowatt-Blockheizkraftwerke abgebaut, das zweite aus dem Regelbetrieb genommen. Es dient nun nur noch als Reserve, falls das am Standort der Biogasablage neu aufgestellten 250 Kilowatt-Modul mal ausfallen sollte. Das neue Blockheizkraft ist besser gedämmt als die alten, um die Lärmbelastung für die Anwohner zu reduzieren.
Mehrere Millionen Euro hat ABO Wind in den Umbau der Biogasanlage gesteckt. Eine Investition, die sich in jeder Hinsicht gelohnt hat. Nun stimmt das Konzept, ist die Technik auf dem neusten Stand und die langfristige Lieferung der Energieträger vertraglich gesichert. Früher war die Anlage sehr unstetig gefüttert worden. "In dieser Hinsicht sind Biogasanlagen wie kleine Kinder - sie brauchen einen festen Rhythmus", weiß Mike Luther. Weil er die Verantwortung für die Anlage erst übernommen hat, als die bereits sechs Jahre alt war, mag er sich fast ein bisschen fühlen wie ein Adoptivvater. Jedenfalls hat er dafür gesorgt, dass der neue Musterknabe seinen Rhythmus findet und nun zuverlässiger denn je Energie produziert.