Die Margen in der Transportlogistik sind schmal – wo liegen aus Ihrer Sicht noch Ertragspotenziale?
Wir können überall da noch etwas bewegen, wo Menschen stumpfsinnige Routineaufgaben bloß abarbeiten. Ganz im Sinne des Megatrends in Richtung Industrie 4.0 gilt auch für Transportprozesse: Alles, was automatisiert werden kann, wird automatisiert. Und alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Das betrifft insbesondere die Steuerung der Transportketten, vor allem die Disposition auf Seiten der Spediteure.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine automatische Disposition funktionieren kann?
Eine wichtige Voraussetzung für die Einrichtung einer automatischen Disposition ist der Informationsaustausch in Echtzeit. Nur wenn alle Informationen über verfügbare Ressourcen jederzeit vorliegen, können softwarebasiert kostenoptimale Touren disponiert werden. Darüber hinaus sind aber noch eine Reihe weiterer Informationen erforderlich, die wir in unserem Transport-Management-System alH.4 „Skills“ nennen. Damit bezeichnen wir beispielsweise die Qualifikationen eines Fahrers, ob er zum Beispiel im Besitz eines ADR-Scheins ist. Dazu gehören auch wichtige Fahrzeugparameter wie Größe und Nutzlast oder die Daten der Güterschadenshaftpflichtversicherung von Transportunternehmern sowie Informationen über die Bedingungen beim Kunden vor Ort, beispielsweise die Durchfahrtshöhen. Außerdem müssen auch vertragliche Vereinbarungen und Regeln erfasst werden, wie etwa die Vorgabe, bei Daimler nicht mit Fahrzeugen von MAN vorzufahren und umgekehrt.
Wie lässt sich eine automatische Disposition realisieren? Wo liegen die Hindernisse?
Für die Qualität von automatischen Entscheidungen sind das Regelwerk und die Vollständigkeit der benötigten Informationen sowie ihre elektronische Verfügbarkeit entscheidend. Wer das gut vorbereitet hat, kann seine Disposition mit Automatismen von Routineaufgaben entlasten. In diese Richtung schiebt auch der Markt: Wer seinen Erfolg langfristig absichern will, schöpft Rationalisierungspotenziale aus. Standardaufgaben kann die Technik schneller mit der gleichen Qualität bearbeiten – die Disponenten können sich dann höherwertigen Aufgaben widmen und damit für die Spedition mehr Geld erwirtschaften.
Welche technischen Bedingungen sind für eine automatische Disposition erforderlich?
Die wesentlichen technischen Grundlagen sind längst vorhanden: Datenstandards und Schnittstellen für die Echtzeitkommunikation bestehen bereits. Hinzu kommt aber die Notwendigkeit zu vollständiger Transparenz. Automatismen können nur dann greifen, wenn alle Beteiligten exakte Daten zu den Maßen und Gewichten von Sendungen übermitteln und die Sendungsdaten bereits mit der Auftragsübermittlung vorliegen.
Welche Transport-Partner können in eine automatische Disposition einbezogen werden?
Vom eigenen Fuhrpark über Transportunternehmer bis hin zu den Anbietern in Laderaumbörsen lassen sich ohne weiteres sämtliche Anbieter von Transportleistungen in eine automatische Disposition integrieren. Wichtig ist, dass ihr Angebot im Regelwerk, das der Auswahl zugrunde liegt, entsprechend bewertet wird. Dazu gehört – anhand definierter Kriterien – ihre Qualität, die rechtlichen Voraussetzungen für ihren Einsatz, wie etwa die Versicherungssituation, und natürlich der Preis. Je differenzierter diese Faktoren erfasst sind, umso zuverlässiger trifft die Software die richtigen Entscheidungen.
Für welche Art von Sendungen eignet sich eine automatische Disposition?
Grundsätzlich können alle Sendungen automatisch disponiert werden, für deren Bearbeitung es klar definierte Soll-Prozesse gibt. Das gilt für Beschaffungs- und Versandaufträge – und von der Struktur her prinzipiell für Stückgut, Teil- und Komplettladungen.
Wie lassen sich auch bei einer einmaligen Zusammenarbeit mit Transport-Partnern Statusinformationen zu den Sendungen übermitteln? Stichwort: technische Anbindung.
Um die Bearbeitungsqualität abzusichern, empfehlen wir die vollständige Integration auch einmaliger Transportpartner in die eigene IT-Struktur. Das ist mit heutigen technischen Standards mühelos über Smartphones und mobile Applikationen zu erreichen. Darüber lassen sich sowohl Ablieferbelege übertragen als auch die Kommunikation der Beteiligten untereinander steuern. Beispielsweise können wir die Adress- und Kontaktdaten ganz unkompliziert übertragen und Telefonnummern direkt für Anrufe zur Verfügung stellen. Das vereinfacht die gesamte Abstimmung ungemein.
Mit welchem Aufwand müssen Speditionen rechnen, die eine automatische Disposition bei sich einführen möchten?
Grundsätzlich ist das von der Komplexität der Aufgaben und vom Grad der Vorbereitung des Spediteurs abhängig. Wer seine Auftragsdaten bereits elektronisch erhält und die Sollprozesse gut dokumentiert hat, verfügt über die optimale Startbasis zur Einführung einer automatischen Disposition. Dann kann die Einführung schon binnen eines halben Jahres gelingen. Dabei empfiehlt es sich, schrittweise vorzugehen, denn die Disponenten können neue Regeln und Auswahlkriterien quasi nebenbei erstellen. So entsteht sukzessive eine in sich schlüssige Logik, mit der auch komplexere Dispositionsaufgaben automatisch umgesetzt werden können. Die Automatik als „neuer Kollege“ muss eben auch vernünftig angelernt werden.