Am neu lackierten Airbus A320 ist ein QR-Code angebracht, der auf https://lufthansa-technik-broadcast.com führt. Dort erfährt man in einer Broschüre nicht viel darüber, auf welchem Weg die Partner zu "Zero Emission" gelangen wollen. Mit der Aussage in der Broschüre: "Eine ehrgeizige Vision zeichnet sich am Horizont ab: Wasserstoff könnte[!] einen klimaneutralen Flugbetrieb möglich machen" rudert Lufthansa zurück und versucht sich wieder zurück auf rechtssicheren Boden zu bewegen.
Zur zeitlichen Einordnung wird berichtet: "Bis 2035 will Airbus sogar schon die erste Maschine auf den Markt bringen." Was jemand heute will und 2035 macht, ist natürlich zweierlei.
Es wird in der Broschüre von Lufthansa dazu nicht berichtet, dass der Wasserstoff dann in Strahltriebwerken verbrannt werden wird (mit entsprechenden Konsequenzen für die Erderwärmung), denn anders wäre der beschworene Eintritt der neuen Technologie bis 2035 nicht zu schaffen.
Dass der Airbus Zeitplan "2035" ebenfalls nur eine PR-Aussage ist, bleibt auch unerwähnt.
Lufthansa erklärt zum Projekt weiter:
"Auf dem Weg vom Kerosin zum Wasserstoff gilt es aber, noch einige Lösungen zu finden.
Die drei wichtigsten Herausforderungen für den Einsatz von Wasserstoff im Flugverkehr sind:
- Platzmangel im Flieger [für die Wasserstofftanks].
- Bei elektrischem Antrieb stellen Größe und Leistung der Brennstoffzellsysteme[!] eine technische Herausforderung dar. Noch nehmen diese viel Platz und Gewicht ein.
- Bis Wasserstoff in der Luftfahrt allerdings flächendeckend eingesetzt werden kann, erfordert es hier noch Innovationen."
Verglichen werden darf mit den Forschungsergebnissen der HAW Hamburg:
- Für die Tankintegration gibt es grundsätzlich belastbare Lösungen.
- Die Brennstoffzelle ist für Passagierflugzeug in der Größe der A320 mittelfristig keine Lösung.
- Der Wasserstoff wird in Strahltriebwerken verbrannt werden müssen. Andere Technologien würden zu spät kommen, um global vereinbarte Klimaziele zu erreichen.
- Wenn der Flugbetrieb dann flexibel in den Flughöhen durchgeführt wird, in denen persistente Kondensstreifen nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit auftreten (tiefer fliegen, gegebenenfalls auch höher fliegen, je nach Breitengrad), dann kann die Klimawirkung wenigstens vergleichsweise gering ausfallen.
- Es wird nicht möglich sein, flächendeckend genügend grünen Wasserstoff herzustellen. Daher wird Fliegen auch mit Wasserstoff möglich bleiben, aber nicht in dem Umfang, wie Passagiere es in reichen Ländern heute gewohnt sind.
Das sind die teilweise auch unbequemen Wahrheiten, die angesprochen werden müssen. Mit wissenschaftlich unhaltbaren Aussagen wie "Zero Emission" kann man bestenfalls eine fragwürdige Imagekampagne auflegen, wissenschaftlich überzeugend ist das nicht. Es wird sich bald zeigen, wie weit die Versprechen hinter der Wirklichkeit zurück bleiben.
Senator Michael Westhagemann sagte am 28.10.2022: "Es geht uns um zwei strategische Ziele: den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Hamburg und die Dekarbonisierung der Mobilitätsbranchen. Wir freuen uns sehr, dieses weltweit einzigartige Projekt durch den Sonderfonds Luftfahrt ermöglichen zu können."
Es reicht Senator Westhagemann also, wenn CO2 vermieden wird. Andere Treibhausgase oder die insgesamt wärmende Wirkung von Kondensstreifen und -zirren sind nicht in seinem Fokus. Zu sagen, dass Wasserstoff CO2 vermeidet ist korrekt und ehrlich, aber ein Widerspruch zur Inszenierung von "Zero Emission". Evtl. hat der Senator auch nur die Begriffe "dekarbonisiert" und "emissionsfrei" verwechselt. In der Luftfahrt macht das einen großer Unterschied. Selbst über einen langen Zeitraum betrachtet dominieren die Nicht-CO2-Effekte die Klimawirkung der Luftfahrt.
Parallel zu den Forschungsarbeiten mit der echten Hardware soll für das Hydrogen Aviation Lab auch ein sogenannter Digitaler Zwilling des Airbus A320 erzeugt werden. Mithilfe von Simulationen könnten die Wissenschaftler:innen dann auch Methoden der sogenannten Predictive Maintenance, also der vorausschauenden Instandhaltung, für die Systeme und Bestandteile zukünftiger Flugzeuggenerationen entwickeln und erproben. Dies ist an der HAW Hamburg nicht neu. Eine kooperative Promotion lieferte bereits im Jahr 2019 entsprechende Ergebnisse.
Die Argumente noch einmal zusammengetragen und abgerundet dargestellt:
- Ein neues Wasserstoffflugzeug, welches so rechtzeitig in Serie geht, dass wenigstens die ersten gebauten Exemplare noch einen ganz kleinen Beitrag zur Lösung der Klimakrise haben, kann den Wasserstoff nur in Strahltriebwerken verbrennen. Passagierflugzeuge mit Brennstoffzellen scheiden dabei aus.
- Wasserstoff in Strahltriebwerken verbrannt produziert kein CO2, aber immer noch Stickoxide und sogar 2,6-mal so viel Wasser (Kondensstreifen!) wie Triebwerke, die mit Kerosin betrieben werden.
- Damit sind solche Flugzeuge nicht emissionsfrei ("Zero Emission"), weil die Nicht-CO2-Effekte weiterhin vorhanden sind. Sogar bei Betrachtung der Emissionen über lange Zeiträume machen die Nicht-CO2-Effekte den größten Anteil an der Erderwärmung aus.
- Airbus geht mit Wasserstoff voran, Boeing eher nicht, hat aber auch einen großen Marktanteil.
- Wenn das erste große Passagierflugzeug für Kurz- und Mittelstrecke (der Nachfolger des Airbus A320) mit Wasserstoff zugelassen ist, dann fehlt immer noch eine Lösung für die Langstrecke.
- Flugzeuge haben oft eine Lebensdauer von 30 Jahren. Entsprechend lange dauert es, bis sie durch neue Flugzeuge ersetzt werden. Wenn der Nachfolger des Airbus A320 im Jahr 2035 (2050?) zugelassen sein sollte, dann wäre ein Austausch der alten A320 erst 2065 (2080?) abgeschlossen.
- 27 % der Passagierflugzeuge mit mehr als 19 Sitzen waren 2020 Flugzeuge der A320-Familie. Angenommen die Marktanteile bleiben gleich, dann wäre im Jahr 2065 (2080?) ca. 1/4 der Weltflotte durch Wasserstoffflugzeuge ersetzt.
- Im Jahr 2050 möchte die EU bereits klimaneutral sein (Green Deal). Eine A320 als Wasserstoffflugzeug wird dann bestenfalls 1/8 der Weltflotte ausmachen und die Klimawirkung der Luftfahrt um ca. 1/16 reduzieren.
- Wenn es aber zu weiterem Luftverkehrswachstum kommen sollte (davon wird ausgegangen und das wird fast einhellig begrüßt), dann würde die Klimawirkung der Luftfahrt trotz der technologischen Erfolge weiter ansteigen.
- Zusammen also kein Grund zum Jubeln.