Die Ministerpräsidentin des Saarlandes, Frau Annegret Kramp-Karrenbauer eröffnete den Kongress mit einem Grußwort.
Dr. Albrecht Köhler (Vorstand GAZ Group) gab als Vorstand der Gesellschaft für Produktionsmanagement GfPM e. V. einen Überblick über die konjunkturelle Lage der deutschen Automobil¬industrie und die aktuellen Chancen und Heraus¬forderungen der Branche.
In der ersten Key-Note von Bernhard Mattes (Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke) wurde deutlich, dass sich die Automobilhersteller zunehmend als umfassende Mobilitätsanbieter verstehen und im Markt positionieren - um den erfolgreichen Internet-Unternehmen wie Uber nicht die Schnittstelle zu den Endkunden kampflos zu überlassen. Die Ansprüche an die Konnektivität der Fahrzeuge steigen und der Kunde erwartet im Automobil die gleiche Vernetzung wie im Büro oder Zuhause.
Danach erläuterte Dr. Ludger Laufenberg (Geschäftsführer Kostal), welche Herausforderung die Digitalisierung insbesondere für die Automobilzulieferer darstellt. Für Kostal als Zulieferer von Komponenten und Modulen der Automobilelektrik und -mechatronik ist die Digitalisierung der Kern der Strategie zur Differenzierung im Markt. Das Unternehmen erlebt eine tiefgreifende Wandlung von Hersteller von Bedienelementen zum Gestalter von Emotional Experience im Automobil - mit dem Anspruch, dem mobilen Menschen ein noch attraktiveres Ambiente im Fahrzeug anzubieten.
Christian Brossette (Leitung Prozessplanung Powertrain ZF Friedrichshafen) erklärte, wie ZF Friedrichshafen die Montage von variantenreichen Automatikgetrieben beherrscht und welche Entwicklungen in der Montagetechnologie in Zukunft zu erwarten sind - darin eingeschlossen die Konzepte und Technologien der Industrie 4.0.
Komplexität erfordert zwingend eine weitgehende Standardisierung der Prozesse - so das Statement von Axel Weber (Global Operations Manager ContiTech). Damit diese globale Standardisierung in einem Verbund von über 20 Werken gelingen kann, muss die Zusammenarbeit zwischen Standorten, Segmenten und der Zentralabteilung Global Operations neu definiert werden. Dazu gehören die gleiche Anwendung von klassischen Lean-Methoden (z.B. Gemba Walk) in allen Standorten, aber auch die gemeinsame Erarbeitung des Production Footprint und das Aufzeigen der Entwicklungs¬möglichkeiten der einzelnen Standorte innerhalb der Global Operations Strategy.
ARD-Börsenfachfrau Anja Kohl moderierte eine Podiumsdiskussion mit der Leitfrage: „Wie zukunftsfähig ist die deutsche Automobilindustrie?“ - Teilnehmer waren Michael Brockhaus (Rhenus), Dr. Albrecht Köhler (GAZ Group), Dr. Ludger Laufenberg (Kostal) und Berhard Mattes (Ford). Das Impulsreferat von Felix Kuhnert (PriceWaterhouseCoopers) gab die Leitlinie der Diskussion vor: Wachstum in komplexen Zeiten mit gleichzeitiger Transformation der Unternehmen.
Globale Prozesse im weltweiten Produktions-/Liefernetzwerk
Volkswagen berichtete über die Netzwerkplanung in der Inbound-Logistik und die damit verbundenen Innovationen für das Materialstrommanagement. Übergeordnetes Ziel ist die Bündelung der komplexen Materialströme in einem konzernweit integrierten Netzwerk, das sich von den Lieferanten bis zu den Absatzmärkten erstreckt - nur so können Effizienzvorteile erschlossen werden. In die gleiche Richtung gehen die Aktivitäten im Hause Bosch unter der Leitlinie „Mehrwert Global Logistics“.
Die Supply Chain von Bosch ist geprägt durch eine hohe Komplexität mit den Haupttreibern Anzahl Standorte, Anzahl Lieferanten, Anzahl Teilenummern und Anzahl Kunden. Unter dem Leitbegriff Global Logistics werden die Logistikprozesse weltweit standardisiert und harmonisiert unter den Aspekten Planung, Implementierung und Betrieb. Die Fähigkeit, das globale Logistiknetzwerk zu planen und zu betreiben, wird als ein wesentlicher Teil der Kernkompetenz des Unternehmens erkannt.
Der Zulieferer Yazaki erläuterte das neue pan-europäische Konzept des Transportnetzwerks zur Abwicklung der Lieferströme von den Unterlieferanten und zu den Kundenwerken - mit teilweise erheblichen Entfernungen von 1.500 km bis über 3.000 km unter Einbeziehung der nordafrikanischen Standorte. Durch eine Neugestaltung des Netzwerkes und eine entsprechend vereinbarte Preisstruktur mit dem Logistikdienstleister wurde die Kostentransparenz erhöht und die Planbarkeit der Kosten für die Transportrelationen verbessert.
Nachhaltigkeit bewerten und gestalten
Die Dimension Nachhaltigkeit bei der Planung und Durchführung von Logistikprozessen gewinnt in vielen Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Der Automobilhersteller Audi und der First-Tier-Zulieferer Dräxlmaier legten dar, wie in den jeweiligen Unternehmen der Aspekt Nachhaltigkeit in die Gestaltungsentscheidungen der Prozesse einfließt und welche Ergebnisse damit erreicht werden können. Nachhaltigkeit hat viele Facetten - von der Bewertung des Carbon Footprint bis zu der Bewältigung der demographischen Entwicklung. Die Nachhaltigkeit ist fester Bestandteil des Zielsystems in den Unternehmen und sorgt mit dieser Positionierung für ökologisch, ökonomisch und sozial ausgewogene Entscheidungen.
Stabile Prozesse ganzheitlich bewerten und optimieren
Die Stabilisierung der Produktion (Menge und Mix der Produkte) hat sehr positive Einflüsse auf die gesamte vorgelagerte Supply Chain. MAN Truck & Bus beschrieb die vorhandenen Stellhebel, um auf die Volatilität der Märkte und Variantenvielfalt der Produkte reagieren zu können. Die Auftragseinsteuerung in die Fabriken erfolgt nach dem Prinzip der Perlenketten mit einer frühen Festlegung der Montagesequenz - die damit erzeugte Stabilität trägt zur Beruhigung der Supply Chain bei und erlaubt eine effiziente Produktion bei den Zulieferern und einen kostengünstige Transport zum Kunden MAN, der insgesamt eine Reduzierung des Net Working Capitals vor allem durch eine Bestandssenkung erreicht (aktuelles Fokusthema im Konzern). Bei Daimler hat das Perlenkettenkonzept eine lange Tradition - das Konzept wird z.B. im Werk Bremen schon seit vielen Jahren umgesetzt und stetig verfeinert. Der Erfolge der Umsetzung bei der stabilen Produktion und stabilen Produktionsreihenfolge haben letztlich auch zur Auszeichnung „Fabrik des Jahrs 2015“ geführt. Aktuell arbeitet Daimler an einer Optimierung der Sequenzierungsmethodik, d.h. an einer Verfeinerung der Einplanungsmethodik der Fahrzeuge in die Montagereihenfolge, um die unterschiedliche Belastung der Mitarbeiten in der Endmontage zu nivellieren.
Herausforderungen für Infrastruktur und Prozesse
BMW Motorrad in Berlin macht die Logistik durch ein Re-Design der Prozesse fit für die Zukunft. Die bisher durchgeführten Optimierungen der Intralogistik werden aktuell ergänzt um den Neubau eines Materialversorgungszentrums unmittelbar neben dem bestehenden Werksgelände für die gesamten Inbound-Ströme. Das neue Logistikzentrum mit einem Investitionsvolumen von fast 60 Mio. € ist dann der Ausgangspunkt der neu gestalteten Logistikprozesse zur Versorgung der Motorrad-Montagen und ist die Grundlage für eine nachhaltige Reduzierung des Logistikkostenanteils an den Herstellungskosten je Einheit.
Zur industriellen Infrastruktur gehören nicht nur Produktions- und Logistiksysteme, sondern auch Bürogebäude und Flächen für die technische Entwicklung. Daimler zeigte die Visionen für die Büro-Landschaften der Zukunft, die eine effiziente Arbeit in Teams fördern sollen und gleichzeitig Räume für konzentriertes Arbeiten bieten.
Prozesse und Ressourcen qualifizieren und optimieren
Alle Automobilhersteller haben in den letzten Jahren intern sehr viele der vorhandenen Effizienz-potenziale erschlossen und es ist deutlich geworden, dass weitere Fortschritte nur durch die tiefere Integration der Wertschöpfungs- und Logistikpartner (Lieferanten und Logistikdienstleister) möglich ist. Porsche geht mit seinem Schulungs- und Qualifizierungskonzept in der Logistik genau in diese Richtung und öffnet das eigene Trainingscenter Logistik im Werk Leipzig für seine Supply-Chain-Partner, die dort aus erster Hand mit den Anforderungen des Kunden Porsche vertraut gemacht werden.
Schaeffler als weltweit tätiger Automobilzulieferer setzt auf lokale Optimierung der Standorte mit globalen Standards. Ausgangspunkt aller Aktivitäten in der Organisationseinheit Global Operations ist ein Referenzmodell für ein Werk. d.h. das Industrial Engineering orientiert sich bei Werksplanungen und Festlegung des Production Footprint an vereinbarten Konzernstandards. Kernmethode ist das Wertstrommanagement, das heute i.d.R. durch digitale Simulationen ergänzt wird. Die Logistik folgt der Planungsleitlinie Line-back und verknüpft Materialfluss und IT-Systeme nach den globalen Standards und unter Berücksichtigung von ermittelten Best-Practices.
Standards digital evaluieren und optimieren
Bosch ist einer der Vorreiter bei der Implementierung von Industrie-4.0-Konzepten in den eigenen Werken und gleichzeitig auch Leitanbieter der Technologien. Das Schlagwort Connected Industry beschreibt hier den Kernaspekt: Im industriellen Umfeld wird jedes Objekt mit jedem vernetzt (Internet of Things). Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich die in vielen Unternehmen durchgesetzten Lean-Prinzipien einer schlanken Produktion und Logistik sehr gut mit den neuen Möglichkeiten von Industrie 4.0 ergänzen, d.h. Industrie 4.0 liefert ein digitales Toolset für die nachhaltige Erreichung eines verschwendungsfreien Auftragserfüllungsprozesses.
Im Rahmen des Kongresses wurde zum 17. Mal der elogistics award vergeben, mit dem innovative Projekte im Spannungsfeld von Logistik und IT ausgezeichnet werden. Preisträger in diesem Jahr sind die Unternehmen DHL, Dräxlmaier, Magna, Odelo und Schaeffler mit den beteiligten Dienstleistern.
Abgerundet wurde der Kongress mit vier Werkstouren (Benchmarking Live bei Bosch, Johnson Controls, SMART und ZF Friedrichshafen) und Workshops zu den Themen „Materialversorgung variantenreicher Montagen“ und „Wertstrommanagement 2.0“.
Der Arbeitskreis AKJ Automotive (www.akjnet.de) beschäftigt sich mit Strategien und Lösungen für die Neuausrichtung und Optimierung der Kernprozesse und Lieferbeziehungen in der Automobil- und Zulieferindustrie. Er versteht sich als Plattform zum Austausch von Erfahrungen für die drei beteiligten Parteien in der automobilen Wertschöpfungskette (OEM, Lieferanten und Logistikdienstleister) und bietet den Rahmen zur offenen Diskussion aktueller Fragestellungen in der Zusammenarbeit.
Veröffentlichung frei. Wir bitten um Zusendung eines Belegexemplars. Vielen Dank.