„Dass der Wechsel der Saugerplatten ohne Werkzeug so schnell und einfach möglich ist, hat uns verblüfft und macht die Bedienung unserer Verpackungsmaschinen sicherer und noch effizienter“, betont Christoph Rechner von der pester pac automation GmbH. Durch Nullpunktspannmodule mit Rastfunktion von AMF lässt sich der Verschluss der Formatplatten mit bloßem Daumendruck öffnen, wo früher umständlich und zeitaufwändig vier Schrauben gelöst werden mussten. Rainer Guggenmoos von AMF ist sich von Anfang an sicher, dass die Nullpunktspannsysteme auch in völlig ungewohntem Terrain überzeugen werden. Erfüllen diese kleinen Kraftpakete oftmals doch ganz andere Aufgaben.
Nullpunktspanntechnik in völlig neuer Anwendung
Die Saugerplatten bilden die Schnittstelle vom Roboterarm der Verpackungsmaschine zu den Kartons mit den Pharmaprodukten. Die werden von der Maschine mit Vakuumtechnik produktspezifisch und versandfertig auf Paletten konfektioniert. Je nach Kartongröße kommen verschiedene solcher passgenauer Sauggreifer zum Einsatz. Bei einem Wechsel der Produkte beziehungsweise der Chargen muss eben dieses Formatteil gewechselt werden, wenn auch die Form der Kartons sich ändert.
Dass hier Nullpunktspannmodule eingesetzt werden, ist neu und völlig ungewöhnlich. Denn die hier verwendeten findet man üblicherweise in Fertigungs- oder Montageumgebungen, wo sie beispielsweise Vorrichtungen spannen. Andere Module dieser Serie spannen beispielsweise Werkstücke in Bearbeitungsmaschinen, damit sie zerspant werden können. Christoph Rechner und Rainer Guggenmoos hatten jedoch die Idee und den Mut, über den Tellerrand zu blicken. Und so kommen nun in jeder lasergesinterten, additiv gefertigten Saugerplatte zwei mechanische Nullpunktspannmodule von AMF (Andreas Maier GmbH & Co. KG) zum Einsatz. Die verfügen über eine besondere Rastfunktion, durch die sie sich mit einem Fingerdruck auf den Betätigungsknopf öffnen lassen, in der Position einrasten und verharren. Nach Plattenwechsel, beim nächsten Drücken, verriegelt das Modul über Federkraft wieder.
Verpacken mit Verfolgung ist die große Herausforderung
Die optimale Form der Saugerplatten hat Pester im Rahmen einer Masterarbeit selbst entwickelt. Als 3D-gedrucktes Formatteil wiegt sie nur ein Bruchteil der früheren, aus Aluminium oder Edelstahl gefertigten, verschraubten Platten. „Wir haben mit diesem Projekt gleich mehrere Entwicklungsschritte auf einmal gemacht“, betont Rechner. Die Maschinen von Pester kommen in der produkt-berührungslosen Endverpackung zum Einsatz. Nahezu zwei Drittel der ausgelieferten Maschinen gehen in die Pharma- und Medizinbranche, etwa ein Drittel verpacken Konsumerprodukte wie Kosmetika oder Pflegeartikel. Die vollautomatisierten Maschinen bündeln – beispielsweise durch Straffbanderollierung, Schrumpfbanderollierung oder Volleinschlag - und konfektionieren so für den Versand an Kunden und Großhändler. Dabei kann sowohl in Folie als auch in Kartons verpackt und palettiert werden. Kunden des allgäuer Traditionsunternehmens sind dabei viele Global-Player der Pharmabranche aber auch große Lohnverpacker. Wer nun meint, dass dies ja keine große Besonderheit ist, der irrt sich.
Der Knackpunkt ist nämlich die hundertprozentige Kontrolle und Verfolgung, die die europäische Richtlinie bei Verpackung und Versand dieser Produkte vorschreibt. So werden durch ein ausgeklügeltes, digitalisiertes Track-and-trace System sämtliche Produkte zu hundert Prozent erfasst, registriert und die Daten für die Rückverfolgung chargengenau gespeichert. Darüber hinaus erschwert es Fälschungen und schützt die Produkte vor Plagiaten. Dabei helfen nicht nur mehrere Hochgeschwindigkeitskameras und Sensoren, auch die Saugerplatte wird parametrisiert. Zusätzlich sorgt eine Kollisionserkennung dafür, dass beispielsweise bei einem Schrägaufsatz der Platte kein Schaden entsteht oder Kartons verlorengehen. Das wäre nämlich fatal.
Teure Medikamente sicher verpacken und rückverfolgen
Denn bei den verpackten Gütern kann es sich schnell um sehr hohe Werte handeln. Wird beispielsweise ein hochmodernes, neues Medikament zur Krebsbehandlung verpackt, kann sich der Wert einer jeden Palette schnell in einen mittleren sechsstelligen Bereich bewegen. Die Prozesszeiten für das Verpacken, Konfektionieren und Umsetzen sind nicht die größte Herausforderung. Dennoch ist es für Pester Teil der Firmenphilosophie „easy to buy from“, die Maschinen für die Bedienung stets besser zu machen. Und bei den Rüstzeiten, also beim Wechseln der Sauggreifer, haben die Entwickler das große Potenzial erkannt. „Hinzu kommt, dass unsere Kunden uns zum Teil vorschreiben, wie lange die Umstellung auf ein anderes Produkt maximal dauern darf“, sagt der Entwicklungsingenieur.
„Früher mussten Bediener umständlich vier Sternschrauben lösen und gleichzeitig die schwere Platte halten. Das ist mit zwei Händen fast nicht möglich“, erinnert sich Rechner. Mit der neuen Technik gelingt das wesentlich komfortabler. „Durch die Rastfunktion der Nullpunktspannmodule gelingt der Wechsel der Saugerplatten nicht nur leichter und schneller, es ist auch total intuitiv. Wer das einmal gemacht hat, vergisst es nicht mehr“, ergänzt Guggenmoos. Außerdem ist die Platte nicht mehr so schwer, weil sie additiv aus Kunststoff gefertigt ist. „Das hat den Nebeneffekt, dass der Roboter nun mehr Produktgewicht heben kann“, erklärt Rechner. „Insofern ist die Umstellung auf diese Spannmodule für uns tatsächlich eine gute Sache.“
Je zwei kleine Kraftpakete packen sicher und genau zu
Je zwei der mechanischen Nullpunktspannmodule RM251 von AMF mit Rastfunktion sind in der Saugerplatte eingeschraubt, die passenden Spannhülsen als Gegenstück befinden sich in der Aufnahme des Roboterarms. „Die Spannhülsen haben wir sowohl zum Einschrauben als auch zum Einpressen im Sortiment“, informiert uns Guggenmoos. Die 28 g leichten Kraftpakete ziehen mit 100 N Kraft ein, verschließen und halten die Platte anschließend mit je 1000 N fest. „Das ist genug für einen sicheren Halt der Saugerplatte am Roboter, widersteht den Beschleunigungskräften und reicht aus, um 20-25 kg schwere Pakete zu heben“, versichert Guggenmoos. „Das reizen wir aber gar nicht aus“, konkretisiert Rechner. Gehäuse und Kolben der Module sind gehärtet für einen langlebigen Einsatz. Sie lassen sich mechanisch öffnen und schließen sicher durch eine integrierte Feder, die – ebenfalls mechanisch - die notwendige Kraft aufbringt. Das geschieht prozesssicher und wiederholgenau mit kleiner 0,1 Millimeter. Die gesamte Anordnung ist leicht zu reinigen. Meist genügt es, die Oberflächen beim Wechsel des Formatteils gelegentlich mit der Pneumatikpistole abzublasen und es kann weitergehen.
Blick über den Tellerrand bringt neue Lösungen
„Wenn es diese Nullpunktspannmodule mit Rastfunktionen nicht gäbe, müsste man sie glatt erfinden“, meint Rechner abschließend. Und Guggenmoos ergänzt: „Wir haben die Produkte schon lange im Sortiment. Es sind die kleinsten Nullpunktspannmodule aus unserem Produktportfolio. Das Neue hier ist das Anwendungsgebiet.“ Und so zeigt das Projekt einmal mehr, welche Lösungen sich ergeben können, wenn die Beteiligten über den Tellerrand hinausblicken.