Anleihen Finder: Herr Schneider, wie hat das aktuelle Börsenjahr auf den Handelsplätzen begonnen und was prognostizieren Sie angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen für das Anleihen-Jahr 2024?
Dirk Schneider: Der Übergang vom Jahr 2023 zu 2024 war eher geräuschlos und die Umsätze sind nahezu gleichbleibend auf erhöhtem Niveau gegenüber den 0-Zinsjahren in der jüngeren Vergangenheit. Die Volatilität ist weiterhin sehr hoch und diese Gemengelage macht die Situation teilweise sehr komplex. Die Bekämpfung der Inflation durch die Notenbanken, die Rezessionsängste diverser Wirtschaftszonen und die turbulenten Bewegungen an den Bondmärkten insgesamt werden Anleihen höchstwahrscheinlich auch im Jahr 2024 zu einer sehr interessanten Anlageklasse machen.
Eine präzise Prognose zu treffen, wohin der Weg in der Zukunft führt ist allerdings nahezu unmöglich. Zu viele unvorhersehbare externe Ereignisse können das Bild massiv verändern. Neben den global abflauenden Wirtschaften und massiven geopolitischen Spannungen, deren weitere Entwicklungen nicht absehbar sind, stehen zudem in diesem Jahr weltweit viele weitreichende Wahlentscheidungen an – all dies kann dazu führen, dass die Ausgangslage urplötzlich verändert wird.
Anleihen Finder: Was erwarten Sie hinsichtlich der Zinsentwicklung in 2024? Wo sehen Sie neben der Zinsentwicklung weitere wichtige Einflussfaktoren auf die Anleihenmärkte in diesem Jahr?
„Die straffe Geldpolitik der EZB zeigt Wirkung. Weitere Zinserhöhungen sollten daher zunächst vom Tisch sein“
Dirk Schneider: Die extrem straffe Geldpolitik der EZB zeigt zunehmend Wirkung. Die Gesamtinflation in der Eurozone ist deutlich zurückgegangen. Waren es 2023 zu Beginn noch rund 8,6% konnte die Inflation bis hin zum November auf 2,4 % abgeschwächt werden. Damit liegt die Eurozone zwar immer noch leicht über dem kolportierten 2%-Ziel, aber es lässt sich doch eine deutliche Wirkung erkennen. Weitere Zinserhöhungen sollten daher zunächst vom Tisch sein. Insgesamt wäre es ratsam, wenn zukünftig wieder sehr zurückhaltend mit kurzfristigen Zinsveränderungen umgegangen wird. Jeder weitere Schritt nach oben oder unten wird die Märkte kurzzeitig wieder in größere Schwankungen bringen. Ein Hauptrisiko liegt bei den Langzeitfolgen von Zinsentscheidungen, die jetzt noch nicht absehbar sind. Für diese massive Geschwindigkeit der Eingriffe der letzten 20 Monate gibt es historisch gesehen kein adäquates Beispiel. Der Wirkungsgrad für Staaten, die Wirtschaft, ganze Industrien aber auch jeden einzelnen Bürger ist wirklich eklatant.
Auch wenn mir meine jahrelange Erfahrung sagt, dass ich eigentlich keine Prognose abgeben sollte, so rechne ich 2024 mit einem leicht zurückgehenden Leitzins. Es bleibt spannend.
Anleihen Finder: Welche Bonds sind jetzt zum Jahresbeginn besonders gefragt? Wo sind erste Trends erkennbar?
„Der absolute Renner sind momentan europäische Staatsanleihen mit einer Laufzeit unter 12 Monaten“
Dirk Schneider: Die Zinsveränderungen haben überspitzt gesagt „alte Ladenhüter“ wieder auf den Plan gerufen. Bundesanleihen oder Bundesobligation und diverse Anleihen anderer Staaten werden wieder rauf und runter gehandelt. Die Zinsschritte und eine derzeit vorherrschende inverse Zinskurve (kürzere Laufzeiten haben eine höhere Rendite als längerfristige Laufzeiten) machen die Papiere derzeit so interessant. Der absolute Renner sind momentan also europäische Staatsanleihen mit einer Laufzeit unter 12 Monaten.
Anleihen Finder: Wo liegen im täglichen Handel die größten Unterschiede zwischen den Anleihen-Segmenten, etwa Unternehmensanleihen und Staatsanleihen?
Dirk Schneider: Im Handel spielt es technisch gar nicht so eine große Rolle, um welche Art des Emittenten es sich handelt. Staatsanleihen und auch Anleihen bekannter Unternehmen sind gleichermaßen liquide und werden immer wieder nachgefragt. Das zu erwartende Ausfallrisiko muss von jedem Investor selbst beurteilt werden. Grundsätzlich gelten Staatsanleihen als besonders „sichere Häfen“. Die Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit haben aber gezeigt, dass man bei keinem Investment von „sicher“ sprechen kann. Zinsen, Inflation oder sogar ein Krieg können alles auf den Kopf stellen. Daher sind eben auch bestimmte Unternehmensanleihen sehr attraktiv für viele Anleger. Im derzeitigen Zinsumfeld gibt es deutlich mehr Chancen im Bereich der Anleihen als noch vor zwei oder drei Jahren.
„Im derzeitigen Zinsumfeld gibt es deutlich mehr Chancen im Bereich der Anleihen als noch vor zwei oder drei Jahren“
Anleihen Finder: Das vergangene Jahr war sicherlich ein äußerst Herausforderndes auf den Kapitalmärkten.Wo lagen die Schwierigkeiten im Handel? In welchen Anleihen-Segmenten war die Volatilität am höchsten? Und wie verlief der Handel bei KMU-Anleihen?
Dirk Schneider: Das stimmt – es war wirklich eine extrem herausfordernde Zeit. Zum einen haben wir uns natürlich ein stückweit gefreut, dass Bonds endlich wieder in aller Munde sind, aber auf der anderen Seite war die Volatilität und die damit einhergehenden Unsicherheiten für uns als Market-Maker / Liquidity Provider alles andere als einfach.
Die Verwerfungen haben sich grundsätzlich durch alle Segmente gezogen. Am Beispiel der KMU-Anleihen zeigt sich dies insbesondere bei Emittenten Immobilien-Bereich. Teilweise gab es hier durch den plötzlichen Rückgang der Nachfrage wirklich massive Finanzierungsschwierigkeiten einiger Emittenten bis hin zur Insolvenz, leider wurden dabei aber auch andere Unternehmen des Marktsegmentes in Sippenhaft genommen. Im Bereich der kleineren Emissionen reichen auch wenige kleinere Umsätze aus, um massive Schwankungen und Nervosität bei den Anlegern auszulösen.
Anleihen Finder: Wie sehen und bewerten Sie das KMU-Anleihesegment derzeit in Gänze? Mit welcher Entwicklung rechnen Sie dort in diesem Jahr?
„Es bleibt eine extrem angespannte Marktphase im KMU-Segment“
Dirk Schneider: Das ist eine sehr schwierige Frage. Wir sehen inzwischen wieder einige neuere Emissionen an der Börse. Die Nachfrage ist da und die Zinsen scheinen sich auch einzupendeln. Trotzdem stehen noch diverse Umschuldungen oder Refinanzierungen unterschiedlichster Emittenten unter dem neuen Zinsniveau aus. Da sehe ich noch einige Fragezeichen. Es bleibt eine extrem angespannte Marktphase in diesem Segment.
Anleihen Finder: Wie Sie eingangs schon sagten, es bleibt sicherlich spannend. Zum Schluss noch eine Frage zur weiteren Ausrichtung der Walter Ludwig Bank.Sie haben Ende vergangenen Jahres zwei spannende Personalien im Trading-Bereich vermeldet. Wie stellt sich die Walter Ludwig Bank für die Zukunft auf und worauf legen Sie in einem immer komplizierter werdenden Wertpapierhandelsgeschäft den Fokus?
„Haben uns also von einem lokalen Börsenmakler zu einem international anerkannten Market Maker für Bonds entwickelt“
Dirk Schneider: Mit Wolfgang Tripps und Holger Falkenstein und der damit einhergehenden Etablierung einer neuen Sales-Trading-Abteilung für kleinere und mittlere professionelle Endkunden haben wir unser Angebot rund um das Market Making / Liqudity Providing von Bonds abgerundet. Wir erreichen somit nun über Börsen und diverse Handelsplätze vom privaten Endkunden über professionelle Anleger wie beispielsweise kleine und mittlere Fonds und Vermögensverwalter bis hin zu den geeigneten Gegenparteien (die großen Investmentbanken dieser Welt) alle Marktteilnehmer und haben somit hervorragende Synergien entwickelt. Wir haben uns also von einem lokalen Börsenmakler am Frankfurter Parkett zu einem international anerkannten Market Maker für Bonds entwickelt. Wichtig wird es nun für uns sein, dass wir Trends immer wieder schnell erkennen und uns hier auch gezielt mitbewegen. Verwalten wird hier nicht ausreichen und deshalb treiben wir unsere eigene Entwicklung auch stetig so energisch an.
Anleihen Finder: Herr Schneider, besten Dank für Ihre Antworten.