P. Schwenkow: Corona war für die gesamte Live-Entertainment-Branche eine einschneidende Zäsur. Diese ist jedoch seit mehreren Quartalen vollständig überwunden und die DEAG hat das Vorkrisenniveau bei Umsatz und Ergebnis bereits im vergangenen Geschäftsjahr ganz deutlich übertroffen. Ich glaube aber nicht, dass wir schon ganz oben angekommen sind. Wir haben ein sehr hohes Erfolgsniveau erreicht, wollen uns in den kommenden Jahren aber weiter steigern. Unsere Wachstumstreiber sind dabei tolle Künstler, starke Formate und die organische und anorganische Expansion in Europa. Mit unserem Rekordjahr 2022 und dem hervorragenden Jahresauftakt 2023 hat die DEAG wichtige Etappenziele auf ihrem Weg nach oben erreicht.
Anleihen Finder: Durch welche Mechanismen konnten Sie Ihrer Meinung nach die Krise „überstehen“ und welche Sicherheits-Maßnahmen werden Sie zukünftig integrieren?
„Haben die Zäsur sehr aktiv genutzt, um die DEAG weiterzuentwickeln“
P. Schwenkow: In der Krise hat uns geholfen, dass wir schnell reagiert haben, enorme Anstrengungen zur Kostensenkung unternommen haben und natürlich unser umfangreicher Versicherungsschutz gegen Veranstaltungsausfälle. Vor allem aber haben wir die Zäsur sehr aktiv genutzt, um die DEAG weiterzuentwickeln. Wir haben beispielsweise für Erfolgsformate wie unsere Christmas Garden neue Standorte entwickelt, haben mit der Beteiligung am internationalen Literaturfestival lit.COLOGNE den Bereich Spoken Word für die DEAG mit Macht erschlossen und wir haben uns beispielsweise durch Akquisitionen in Deutschland, Dänemark, Großbritannien und Irland regional und entlang der Wertschöpfungskette umfassend verstärkt. Dieser strategische Blick nach vorne – aufbauend auf einer soliden finanziellen Basis – hat uns deutlich gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen lassen. Die Kombination aus festem Finanzfundament, operativer Kraft und fortwährender Expansion mit Augenmaß ist aus meiner Sicht auch die beste Absicherung künftiger Erfolge.
Anleihen Finder: Kommen wir zurück zum letzten Jahr:Wie verteilen sich Umsatz und Gewinn auf die einzelnen Geschäftsbereiche? Wo war und ist die Nachfrage besonders hoch?
P. Schwenkow: Wir haben 2022 mit rund 325 Millionen Euro den höchsten Umsatz unserer knapp 45-jährigen Firmengeschichte erwirtschaftet und das Vorjahr um 258 Prozent übertroffen. Mit einem EBITDA von rund 31 Millionen Euro haben wir ebenfalls einen Rekordwert erzielt und ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 40 Prozent realisiert. Das Schöne ist, dass alle Bereiche zu dieser erfolgreichen Entwicklung beigetragen haben. Besonders hervorheben kann ich aber sicherlich das Ticketing, das ein immenser Wachstumstreiber für die DEAG ist. Zur Veranschaulichung: Vor Corona haben wir 5 Millionen Eintrittskarten verkauft – im vergangenen Jahr waren es über 9 Millionen und im laufenden Jahr sollen es noch einmal deutlich mehr werden. Motor dieser Entwicklung sind unsere Ticketing-Plattformen myticket in Deutschland, Großbritannien und Österreich sowie Gigantic in Großbritannien und mittlerweile auch tickets.ie in Irland. Aber auch unsere konzerneigenen und margenstarken eigenen Formate waren maßgeblich für den Erfolg 2022 und den guten Start 2023 verantwortlich wie auch die wirklich prall gefüllte Veranstaltungspipeline insgesamt und die in den vergangenen Jahren zugekauften Gesellschaften. Ich könnte die Aufzählung fortsetzen – die Kurzfassung ist aber, dass es in allen Bereichen bestens läuft für die DEAG.
„Die Kurzfassung ist, dass es in allen Bereichen bestens läuft für die DEAG“
Anleihen Finder: Wie erwarten Sie die weitere Entwicklung im Entertainment-Geschäft in 2023? Ist ein Nachholbedarf nach der Pandemie weiter zu spüren oder machen sich die Auswirkungen derInflation (und somit weniger Geld bei den Bürgern) bei Veranstaltungen zunehmend bemerkbar?
P. Schwenkow: Wir erwarten für die DEAG – und das Jahr ist ja nun auch nicht mehr ganz jung – dass wir im laufenden Jahr wieder einen Umsatz von über 300 Millionen Euro erreichen und unser EBITDA noch weiter steigern. Der Hunger auf Live Entertainment ist europaweit beim Publikum weiterhin hoch. Davon und natürlich auch von unserer sehr breiten Aufstellung profitieren wir: Wir bieten Musik von Rock/Pop über Classic bis Jazz, adressieren weitere Zielgruppen mit unseren Angeboten in den Bereichen Family-Entertainment sowie Arts + Exhibitions oder Spoken Word und das alles in vielen starken Märkten in Europa. Und wenn das Publikum Kostendruck im eigenen Portemonnaie spürt, dann verzichtet man eventuell auf den neuen Kühlschrank, stellt das neue Auto ein paar Jahre zurück, gönnt sich aber das „kleine Glück“, das die DEAG verkauft, auch weiterhin. Deshalb wundert es auch nicht, dass Studien für den Live-Entertainment-Markt insgesamt in den kommenden Jahren hohe Wachstumsraten prognostizieren. PwC erwartet beispielsweise für Deutschland bei Live-Musik in den kommenden Jahren ein jährliches Wachstum von durchschnittlich über 16 Prozent und Goldman Sachs sieht für den globalen Musikmarkt bis 2030 ein Plus von durchschnittlich 7 Prozent jährlich. Diese positive Marktperspektive untermauert unsere Zuversicht für die weitere Entwicklung der DEAG zusätzlich.
Hinweis: Dieses Interview erschien zunächst in der neuen Ausgabe des Anleihen Finder Newsletters (Juni-1-2023). Registrieren Sie sich hier für unseren kostenlosen Newsletter und seien Sie stets vorab informiert.
Anleihen Finder: Wie stemmt die DEAG die zunehmenden Kosten in allen Bereichen? Wie bleibt Ihr Geschäftsmodell trotz aktueller Herausforderungen rentabel?
P. Schwenkow: Das Thema Inflation und Kostensteigerungen begleitet die gesamte Wirtschaft und die Verbraucher ja nun schon seit geraumer Zeit und es hat der sehr erfolgreichen Entwicklung der DEAG 2022 und in den ersten Monaten 2023 keinerlei Abbruch getan. Wir sind zum einen sehr diszipliniert bei unseren internen fixen Kosten und können auf der anderen Seite die Steigerungen auch im variablen Bereich sehr gut durchreichen. Es ist leider so, dass überall die Preise steigen, das gilt aber auch für Eintrittskarten für Konzerte und andere Veranstaltungen. Das verstehen die Besucher auch. Wenn ich für das laufende Jahr ein weiter steigendes EBITDA erwarte, dann heißt das ja, dass wir uns sehr gut zutrauen, die Herausforderungen auf Kostenseite zu handlen.
Anleihen Finder: Der Konkurrenzkampf am Event-Markt ist sehr groß – gerade jetzt im Sommer finden unzählige Konzerte / Open Airs usw. statt. Wie sichern Sie sich Ihre Marktstellung ggü. anderen großen Veranstaltern und wie hoch ist Ihr Marktanteil neben Ticketportalen wie Eventim und Ticketmaster?
„Wir achten nicht nur auf Quantität, sondern vor allem auf Profitabilität“
P. Schwenkow: Ein erfahrenes Team, ein ausgeprägtes Netzwerk und vor allem die Expertise im Live-Entertainment seit 45 Jahren sind die beste Basis, um bei den Veranstaltungen und Formaten erfolgreich zu sein. Nicht umsonst sind wir in Deutschland, Großbritannien und der Schweiz jeweils ein Marktführer. Wir setzen dabei auf eingeführte Formate und entwickeln mit Augenmaß neue. Dass wir dabei das richtige Händchen haben, zeigen aus unserer Sicht 250.000 Tickets, die wir für Heavy-Metal-Konzerte im laufenden Sommer bereits verkauft haben. Und der Festival-Sommer der DEAG-Konzerngesellschaften wird ebenfalls heiß mit bereits jetzt 500.000 verkauften Tickets für Events in den Bereichen Rock/Pop, EDM (Electronic Dance Music) und Classics & Jazz in Deutschland, Großbritannien und der Schweiz. Die Open-Air-Saison der DEAG kennt dabei aber keine Jahreszeiten – im vergangenen Winter haben wir für unsere Christmas Garden an 19 Standorten in Deutschland und dem europäischen Ausland mehr als 2 Millionen Eintrittskarten verkauft und für die kommende Saison haben wir uns wieder viel vorgenommen. Wichtig ist mir aber, dass wir nicht nur auf Quantität achten, sondern vor allem auf Profitabilität. Das ist der Kern all unseres Handelns. Und das gilt auch für das Ticketing. Das hindert die DEAG aber nicht, trotzdem eine Wachstumsgeschwindigkeit bei der Zahl der verkauften Tickets aufzuweisen, die nach unserer Kenntnis weit über anderen großen Anbietern liegt.
Anleihen Finder: Warum soll die alte DEAG-Anleihe nun mit einer neuen Anleihe refinanziert werden? Die Entscheidung haben Sie sich ja nicht ganz leicht gemacht. Welche anderen Optionen haben Sie durchgespielt? Und hätte es nicht „preiswerter“ werden können?
P. Schwenkow: Uns ist ein ausgewogener und diversifizierter Finanzierungsmix wichtig. Das hat auch unsere solide Finanzbasis während der Corona-Zeit mit ausgemacht. Wir verfügen über eine erfahrungsgemäß gute Innenfinanzierungskraft, haben umfangreiche Finanzierungen und Linien bei Banken. Dabei sind wir mit den jüngst verhandelten Konditionen sehr zufrieden, denn auch den Kreditinstituten ist die solide und positive Entwicklung der DEAG natürlich bewusst. Die neue Anleihe stellt nun einen weiteren Baustein in unserem Finanzierungsmix dar. Ich bin überzeugt, dass wir mit dem fixen Zinssatz, der zwischen 7,5 und 8,5 Prozent pro Jahr liegen wird, ein Angebot machen, das für Anleger attraktiv ist und mit dem die DEAG gleichzeitig sehr gut leben und wirtschaften kann.
Anleihen Finder: Warum haben Sie sich für eine Anleihe als Nordic Bond entschieden?
„Wir erwarten durch den Nordic Bond eine erhöhte Platzierungssicherheit“
P. Schwenkow: Weil wir bei einer Anleihe nach norwegischem Recht Vorteile für die Anleihegläubiger und für die DEAG gleichermaßen sehen. Strukturell übernimmt bei einer so strukturierten Anleihe ein Treuhänder eine administrative Rolle, die bei Investoren und Emittenten vertrauensbildend ist. Der Treuhänder hat ein klar definiertes Regelwerk von Prozessen, die – fast – alle Eventualitäten im Leben einer Anleihe adressieren. Seine wesentlichen Aufgabenbereiche umfassen die Dokumentation, das Monitoring der in der Dokumentation genannten Pflichten und Verfahren für Änderungsanträge der Anleihebedingungen etc. Dabei wird ein standardisierter Prozess verwendet, der für Investoren, die damit vertraut sind, die Emissionen besser vergleichbar macht. Einerseits erwarten wir für die DEAG durch den Nordic Bond eine erhöhte Platzierungssicherheit, denn wir adressieren so auch Investoren in Skandinavien. Gleichzeitig ist vielen deutschen Investoren dieses Format aus anderen Emissionen schon vertraut.
Anleihen Finder: Wen sprechen Sie mit der Anleihe an?
P. Schwenkow: Wir sprechen Anleiheinvestoren – privat und institutionell – an, die eine Anleihe mit einem attraktiven Zins und nur drei Jahren Laufzeit von einem erfolgreichen Unternehmen mit den von mir geschilderten guten Perspektiven suchen. Wir adressieren dabei bestehende Anleiheinvestoren der DEAG und neue Anleiheinvestoren gleichermaßen. Deshalb gibt es ein Umtauschangebot der DEAG-Anleihe 2018/ 2023 in die neue DEAG-Anleihe 2023/ 2026 zu attraktiven Konditionen, zusätzlich sehen wir die Möglichkeit eines Mehrerwerbs vor und wir starten natürlich am 19. Juni mit dem öffentlichen Angebot und einer Zeichnungsmöglichkeit über Direct Place.
Anleihen Finder: Neben der Refinanzierung – wofür sollen die weiteren Anleihemittel konkret verwendet werden und wie sieht Ihre weitere Wachstumsstrategie aus? In welchen Bereichen soll die DEAG – organisch und/oder anorganisch – weiterwachsen?
„Zukäufe stellen einen wichtigen Teil unserer Expansionsstrategie dar – ich rechne mit nochmals intensivierten M&A-Aktivitäten im zweiten Halbjahr 2023“
P. Schwenkow: Wir sollen mit den Mitteln aus der neuen Anleihe auch das weitere Wachstum der DEAG finanzieren. Zukäufe stellen nämlich neben dem organischen Wachstum einen wichtigen Teil unserer Expansionsstrategie dar. Wir haben auch bereits entsprechende Targets identifiziert, so dass ich mit nochmals intensivierten M&A-Aktivitäten der DEAG im zweiten Halbjahr 2023 rechne. Wir konzentrieren uns besonders auf Ergänzungen im Ticketing, Abrundungen unseres europäischen Portfolios und sind immer auch an der Ausweitung unserer Wertschöpfungskette interessiert. Dies alles folgt dem großen Ziel, Synergien zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften, Bereichen und Regionen zu heben und damit die Marktstellung und Profitabilität der DEAG langfristig weiter zu stärken. Das gilt auch für unser organisches Wachstum, bei dem ich Ticketing als einen wesentlichen Treiber bereits nannte, aber auch neue eigene Formate und den Ausbau der bestehenden Formate.
Anleihen Finder: Welche Sicherheiten bieten Sie Ihren Anleihegläubigern, die über die herkömmlichen Covenants hinaus gehen?
P. Schwenkow: Wir bieten als Sicherheit einen Emittenten mit Substanz. Wir bieten als Sicherheit ein erfolgreiches und über Jahrzehnte erprobtes Geschäftsmodell in einem Markt mit guten Perspektiven. Wir bieten als Sicherheit eine klar definierte und bereits seit Jahren bewährte Expansionsstrategie. Und wir machen dies aus einer Position der Stärke heraus, nachdem wir gerade Rekorde bei Umsatz und EBITDA vermeldet haben und wir für das laufende Jahr eine weitere EBITDA-Verbesserung angekündigt haben. Ich finde, das ist ein Gesamtpaket, das sich vor den bestehenden Covenants als Sicherheit gar nicht verstecken muss – ganz im Gegenteil.
Anleihen Finder: Abschließend: Warum bleibt die DEAG trotz Delisting der Aktie ein vertrauensvoller Kapitalmarkt-Partner und zugleich ein spannender Investment-Case?
P. Schwenkow: Wir kommunizieren seit Jahren durchgehend – unabhängig vom jeweiligen Listing unserer Aktie – transparent und regelmäßig und haben einen Track Record am Kapitalmarkt, der nunmehr auch 25 Jahre beträgt. Den spannenden Investment Case habe ich – so hoffe ich – umfassend aufgezeigt: Die DEAG vereint solide Substanz, dynamisches Wachstum und gute Marktperspektiven.
Anleihen Finder: Herr Prof. Schwenkow, besten Dank für die Antworten.