Immer wieder stand der Markt für KMU-Anleihen in der Vergangenheit in der Kritik. Auch wir mussten in unseren Kolumnen schonmal ein Quantum Trost spenden. Umso erfreulicher die aktuelle Entwicklung. Dabei kommen mehrere Faktoren zusammen.
„Und sie bewegt sich doch.“ So soll es Galileo Galilei der Legende nach beim Auszug des Inquisitionsgerichts leise von sich gegeben haben, nachdem er dem kopernikanischen Weltbild öffentlich abschwören musste. Zugegeben, um ein Inquisitionsgericht handelt es sich bei der immer wieder aufkeimenden Kritik am Mittelstandskapitalmarkt nicht. Deshalb müssen wir hier auch nichts widerrufen, sondern dürfen uns offen darüber freuen, dass der KMU-Markt aktuell wieder einmal neu aufblüht.
Das gesamte Bondsegment präsentierte sich im April erfreulich robust. National wie international gab es eine Vielzahl an Neuemissionen von Unternehmensanleihen, Staatsanleihen und anderen festverzinslichen Wertpapieren. Die Emittenten nutzten das sich aufhellende Stimmungsbild der Investoren, um frisches Kapital aufzunehmen und ihre Liquidität zu stärken. Hervorstechend war weiterhin die hohe Nachfrage nach grünen Anleihen und nachhaltigen Finanzierungsprodukten. Dies steht im Einklang mit der Nachfrage der Investoren, die immer häufiger nach persönlich und ethisch vertretbaren Investitionsmöglichkeiten suchen.
Raus aus Fonds, rein in Einzelinvestments
Besonders auffällig ist hierbei, dass seit Ende 2023 direkte Anlageformen (Single Investments) wieder präferiert werden. Mittelabflüsse im hohen Milliarden-Bereich aus dem Fondssegment sprechen eine deutliche Sprache. Gemäß einer Berechnung von Morningstar zogen allein im vierten Quartal 2023 Anlegerinnen und Anleger 26,7 Milliarden Euro aus Artikel-8-Fonds (sogenannte ESG Fonds „hellgrün“) ab. Das sind die größten Quartalsabflüsse seit Beginn der Erhebungen. Auch Artikel-9-Fonds (sogenannte Impact Fonds „dunkelgrün“) mussten erstmals überhaupt Einbußen hinnehmen. Auf 4,7 Milliarden Euro summierten sich hier die Mittelabflüsse.
Die Gründe liegen unter anderem in den Debatten um Greenwashing, die die Anleger verunsichern und die Nachfrage nach Artikel-8 und Artikel-9-Produkten belasten. Auch Abwertungen von Artikel-9-Emittenten und Unklarheiten bei den SFDR-Regularien (Sustainable Finance Disclosure Regulation) und deren Auslegung spielen eine gewichtige Rolle. Gleichzeitig kletterte der Marktanteil grüner Investments in der EU nach Angaben von Morningstar auf fast 60 Prozent. Der Trend zur nachhaltigen Geldanlage bleibt also intakt, mit aktuellen Vorteilen für Einzelinvestitionen.
Das kommt auch dem KMU-Segment zugute. Investoren wissen zu schätzen, dass sich hier in vielen Fällen ein spannender Mix aus Rentabilität, sinnvollen ESG-Commitments, Kapitaldienstfähigkeit, Kapitalmarkthistorie und marktgerechtem Zinssatz finden lässt. So waren kürzlich etwa die Folgeanleihe der Karlsberg Brauerei GmbH aus Homburg oder die Debütanleihe der Abo Wind AG beide teils deutlich überzeichnet. Insgesamt 120 Millionen Euro sammelten die beiden Emittenten ein. Ebenfalls erfreulich: Die wachsende Pluralität. Der Anleihemarkt ist längst nicht mehr nur für einzelne Branchen attraktiv.
Wachsende Pluralität und funktionierende Hygiene
Das war im KMU-Segment nicht immer so. Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir an dieser Stelle über die Abhängigkeit vom Immobilienmarkt und die Auswirkungen von Immobilienkrise und in Schieflage geratener Finanzierungen diskutiert haben. Doch auch hier hat sich das Bild aufgehellt. Schaut man sich die jüngsten Q1-Mitteilungen von Vonovia und Deutsche Wohnen an, lässt sich auf der Nachfrageseite ein klarer positiver Trend erkennen und auch die Werthaltigkeit der Wohneinheiten erweist sich als stabiler als befürchtet. Ähnliches gilt mit Blick auf die Geschäftszahlen von DEFAMA und FCR Immobilien. Die Bestandshalter mit Fokus auf Nahversorger entwickeln sich planmäßig und sind immer wieder auf der Käuferseite aktiv.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Markthygiene wieder funktioniert. Unternehmen sind bereit für Risikofaktoren höhere Zinssätze zu bezahlen und bei notleidenden Anleihen ist in den Gläubigerversammlungen häufig (meist schon im Vorfeld) ein Aufeinander zugehen von Emittenten und Investoren erkennbar. Hier ist auch das aktive Vorgehen der SdK e.V. (Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre) zu erwähnen, wie etwa die Einigung auf Änderungen der Anleihebedingungen bei der Schlote Holding GmbH exemplarisch unterstreicht.
Der Markt für KMU-Anleihen mag nicht der Fixstern sein, um den das gesamte Investorenuniversum kreist. Es ist aber definitiv ein Segment, das sich bewegt und Mittelständlern die Möglichkeit gibt, ihre Finanzierungsstruktur zu diversifizieren und langfristige Kapitalgeber anzuziehen.
Markus Knoss, BankM AG
Markus Knoss ist zugelassener Börsenhändler und Certified Investor Relations Officer und verfügt über jahrelange Erfahrung in verschiedenen leitenden Positionen im Aktienhandel, Salestrading und Portfoliomanagement. Der ausgewiesene Experte für Nebenwerte im deutschsprachigen Raum ist seit 2013 für die BankM AG tätig und verantwortlich für den Bereich Business Development DACH.