„Weil Sie hier so gut Bescheid wissen, vielleicht können Sie mir dies und das erklären“, heißt es ganz zu Beginn von Loriots berühmtem Sketch „Auf der Rennbahn“ (in der Urfassung von Wilhelm Bendow). Ich sage es ganz offen, selten war diese „Fußnote“ für mich so schwer in die berühmte Nussschale zu fassen wie dieses Mal. Die Gesamtmelange, mit der sich der Kapitalmarkt und speziell das Mittelstandssegment aktuell herumschlagen müssen, ist schon ziemlich einzigartig. All die volkswirtschaftlichen Probleme in Deutschland und China als wichtigstem Handelspartner, gepaart mit geopolitischen und fiskalischen Herausforderungen auf beiden Seiten des Atlantiks machen seriöse Projektionen im Moment extrem schwer.
Dennoch: Wie immer, wenn die Sommerferien vielerorts zu Ende gehen, möchte ich mich an einem Halbzeitfazit für das laufende Jahr 2023 versuchen. Vieles was vorausgesagt wurde, ist dabei eingetroffen. Allen voran natürlich der Zinsanstieg. Gemäß der von der IR-Beratung IR.on AG durchgeführten Analyse, an der auch die BankM teilnahm, erhöhte sich der durchschnittliche Kupon der emittierten Anleihen in den ersten sechs Monaten auf 8,77% p.a. Das ist ein Sprung um exakt zwei Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Thematisch hat der Energiebereich erwartungsgemäß die Immobilienbranche als aktivster Sektor abgelöst. Im Fokus stehen dabei ganz klar ESG-Themen, die aus kaum einer Investment Story mehr wegzudenken sind.
Ach, wie unangenehm
Doch ein Green-Bond-Siegel allein ist im aktuellen Umfeld längst nicht mehr ausreichend. Dafür ist das Stimmungsbild zu eingetrübt. Vor allem die Liquidierung bzw. das laufende juristische Scharmützel rund um den (ehemaligen) KFM Deutscher Mittelstands Fonds muss der Markt erst einmal verdauen. Einst unumstrittener Platzhirsch mit in der Spitze über EUR 200 Mio. in der Verwaltung, waren nahezu sämtliche Emissionen des Mittelstandssegments aus den Jahren 2019 bis 2021 im Bestand der KFM. Darunter einige Unternehmen, die sich in der Insolvenz befinden, aber auch viele mit guter bis sehr guter Solvenz.
Gerade letztere leiden unter der Last der Liquidation. Sei es durch wilde Marktgerüchte, sei es durch mutmaßliche Verkaufsungeduld der nominierten Liquidatoren oder aus purer Spekulation. Durch eine Art Auktion wird versucht, die solventen Emissionsanleihen mit einem noch deutlicheren Abschlag aus dem KFM-Portfolio herauskaufen zu können. Hinzu kommen konjunkturbedingt hier und da Gewinnwarnungen und Prognosesenkungen. All dies trägt dazu bei, dass der Markt derzeit extrem „unter Beschuss“ ist.
Kein Wunder, dass die meisten Investoren im KMU-Segment sich vorsichtig verhalten. Abwarten, arrondieren und das Portfolio „wetterfest“ machen ist derzeit angesagt. An Neuaufnahmen ist weniger zu denken. Sehr gut sieht man dies an der Unterperformance der Nichtindex-Titel im Vergleich zu den Index-Mitgliedern. Für Mittelstandsanleihen bedeutet dies noch mehr einen „Risiko-Aus-Modus“. Durch den Wegfall der KFM und ihrer befreundeten Investoren ist eine große Kapitallücke entstanden, die dem Markt fehlt, zumal das KFM-Team immer eine Lanze für den Mittelstand und deren Refinanzierungsmöglichkeit über den Kapitalmarkt gebrochen hat.
Ohne neuen Ankerinvestor trifft das Angebot auf relative geringe Nachfrage, bzw. auf Renditeniveaus, die kurstechnisch schwer ins Kontor der Bestandsinvestoren schlagen. Zumal viele Investoren auch bei liquideren Emissionen fündig werden. Die Renditen von Investmentgrade-Bonds sind mittlerweile doch wieder relativ auskömmlich und selbst manche Tagesgeldkonditionen sind auf einem lange nicht mehr denkbaren Niveau angekommen und absorbieren eine hohe Summe an Anlagegeldern.
Ganz sichere Informationen
Klar ist, dass Emittenten, die jetzt am Kapitalmarkt debütieren möchten, deutlich höhere Kupons bezahlen müssen. Selbst etablierte Emittenten liegen nicht mehr weit unter dem eingangs genannten Durchschnittssatz von 8,77%. Siehe die laufende 110-Millionen-Emission inklusive Umtauschangebot von Katjes mit einer Zinsspanne von 6,25% bis 7,50%. Der breite Korridor veranschaulicht zudem die bestehende Unsicherheit im Markt. Weniger namhafte Emittenten mit kleineren Volumina und ohne Track-Rekord finden sich aktuell eher im zweistelligen Prozentbereich wieder. Außerdem verfestigt sich der Trend zu unterjährigen Zinszahlungen. Dies erhöht die effektive Rendite für die Anleger zusätzlich.
Ein weiterer Trend ist die frühzeitige und weitsichtige Prolongation von Anleihen, die 2024 fällig werden. Hier können die Unternehmen ihre Kapitalmarktreputation ganz klar ausspielen. Meist erfolgt die Durchführung wie bei Katjes mit einem Umtauschangebot. Weitere Beispiele sind die Emissionen der Hörmann Industries GmbH, der DEAG Deutsche Entertainment AG oder der Deutsche Rohstoff AG. Alles bekannte Emittenten mit einem positiven Track Rekord.
Vorteile haben zudem börsennotierte Gesellschaften, idealerweise mit Quartalsberichterstattung. Je höher die Transparenz und je besser die (historische) Informationslage, desto eher lassen sich Investoren überzeugen. Wurde Unternehmensentwicklung und Ertragsaussichten in der Vergangenheit eine ähnlich wichtige Rolle beigemessen, spielen die harten Unternehmenszahlen aktuell eine deutlich größere Rolle. Insgesamt ist die Erwartungshaltung an die Investorenkommunikation deutlich gestiegen. So oder so werden Ausplatzierungen vermutlich noch schwieriger werden. Bereits im ersten Halbjahr fand nur jede zweite Emission vollen Zuschlag.
Bei uns in Deutschland nich’
Ein Ausweg könnte im Ausland liegen. Nicht wie bei Loriot in Auteuil, Biarritz und Pau, aber in Skandinavien. Schon jetzt punktet das Nordic Bond Format mit klareren juristischen Spielregeln im Falle einer Unternehmensschieflage. Bereits mit Auflage der Emission ist der gemeinsame Gläubigervertreter mandatiert. Er ist Mediator, der als Ansprechpartner der Investoren und des Unternehmens fungiert. Im Fall der Fälle können Konflikte und Partikularinteressen einzelner Gruppen während eines Sanierungsprozesses so vermieden werden. Nicht so wie in Deutschland mit den aktuellen Negativbeispielen Eyemaxx Real Estate AG und Euroboden GmbH.
Andere Emittenten fahren einen Dual-Track-Ansatz und suchen nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten. Sichtbar wird dies am aktuellen Private-Debt-Boom. Wünschenswert wären hier mehrere kleinere Mittelstandsfonds, welche jeweils flexibler agieren können, ähnlich dem Schnellboot. Entscheidend ist eine bessere Diversifizierung der Anlagegelder, um das Klumpenrisiko auch auf dieser Seite zu minimieren.
Wieder einmal befindet sich der KMU-Anleihemarkt also an einem Scheideweg. Auch dieses Mal bin ich optimistisch, dass der Markt sich neu erfindet und gestärkt aus der schwierigen aktuellen Phase hervorgeht. „Und wenn er es nicht macht, dann hat er nicht gewollt, oder er konnte nicht.“
Markus Knoss, BankM AG
Markus Knoss ist zugelassener Börsenhändler und Certified Investor Relations Officer und verfügt über jahrelange Erfahrung in verschiedenen leitenden Positionen im Aktienhandel, Salestrading und Portfoliomanagement. Der ausgewiesene Experte für Nebenwerte im deutschsprachigen Raum ist seit 2013 für die BankM AG tätig und verantwortlich für den Bereich Business Development DACH.