Anleihen Finder: Sehr geehrter Herr Dr. Aufschnaiter, wie laufen die Geschäfte bei der MS Industrie AG aktuell – sind Sie mit der Performance in 2022 und dem Jahressstart 2023 zufrieden?
Andreas Aufschnaiter: Für das Geschäftsjahr 2022 erreichte der MS Industrie Konzern eine Betriebsleistung nach HGB von rund 206 Mio. Euro – dies entspricht einer Steigerung von über 25% im Vergleich zum Geschäftsjahr 2021. Die Einnahmen beliefen sich auf 216,27 Mio. EUR, verglichen mit 170,98 Mio. EUR vor einem Jahr. Der Nettogewinn belief sich auf 1,18 Mio. EUR gegenüber einem Nettoverlust von 4 Mio. EUR vor einem Jahr. Der absolute effektive Trend aus dem Jahr 2022 wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen, prozentual folglich mit einer entsprechenden Abflachung. Aktuell erwarten wir für 2023 ein Umsatzvolumen von über 230 Mio. EUR. Auftragseingänge und Umsätze haben sich sehr erfreulich entwickelt; diesbezüglich sind wir also sehr zufrieden. Das zeigen auch unsere gerade veröffentlichten nicht testierten Geschäftszahlen für das I. Quartal 2023. Der Umsatz legte im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 28% auf 59,9 Mio. EUR zu – die leicht höhereBetriebsleistung um 25%. Der Rohertrag lag bei 29 Mio. EUR und damit fast ein Fünftel höher als vor einem Jahr.
Anleihen Finder: Inwieweit sind Sie mit Ihrem Geschäftsmodell von den Folgen der weltweiten wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen betroffen – etwa in punkto Energieverbrauch oder Material- und Lieferengpässe?
Andreas Aufschnaiter: Selbstverständlich können auch wir uns nicht komplett der Lieferkettenproblematik entziehen. Das haben wir auch im Jahr 2022 erkennen müssen, als wir Aufträge nicht fertigstellen konnten und die Komplettierung sowie Auslieferung mit in das 1. Halbjahr 2023 nehmen mussten. Bezüglich Energieverbrauch sind wir als Unternehmen gut aufgestellt. Wir haben die größte Photovoltaikanlage im Landkreis Tuttlingen errichtet, die allein bis zu 20 Prozent unsres Energieverbrauches deckt. Ein wichtiger Punkt ist auch in unserer Industrie der Fachkräftemangel. Dem versuchen wir aktiv als Ausbildungsbetrieb entgegen zu treten, aber wir treiben gleichzeitig auch die Automatisierung weiter voran.
Anleihen Finder: Welchen Umsatz machen die beiden Teilbereiche MS Powertrain und MS Ultraschall derzeit am Gesamtumsatz aus? Wie soll sich diese Verteilung in den kommenden Jahren weiter entwickeln?
„Für das Geschäftsjahr 2023 erwarten wir einen Umsatz in Höhe von rund 235 Mio. Euro“
Andreas Aufschnaiter: Der für das Geschäftsjahr 2023 erwartete Umsatz in Höhe von rund 235 Mio. Euro verteilt sich zu 70% auf den Bereich MS Powertrain und zu 30% auf den Bereich MS Ultraschall. Da wir in beiden Segmenten planen weiter organisch zu wachsen, wird sich an diesem Verhältnis wenig ändern.
Anleihen Finder: Bleiben wir zunächst bei MS Powertrain (Antriebstechnik) – wo finden Ihre Produkte in der Industrie konkrete Anwendungen und wer gehört zu Ihrem Kundenkreis?
Andreas Aufschnaiter: Teile und Systeme, die wir im Bereich MS Powertrain liefern, kommen vorwiegend in schweren Antriebslösungen zum Einsatz. Das sind für den Transport auf der Straße die schweren LKW-Motoren, welche heute mit Diesel oder Gas und perspektivisch auch mit Wasserstoff oder E-Fuels betrieben werden. Zu unseren Kunden zählen u.a. die Daimler Truck Gruppe und die Traton Gruppe (Scania, MAN, Navistar und Volkswagen Nutzfahrzeuge). Hinzu kommen eine Reihe von Teilen, welche in sogenannten „off-highway“-Anwendungen zum Einsatz kommen, wie beispielsweise schwere Baufahrzeuge, Notstromaggregate oder auch hybride Antriebsformen im PKW-Bereich. Diesbezüglich sind Kunden wie MTU, Liebherr oder ZF zu nennen.
Anleihen Finder: Analog dazu MS Ultraschall – was sind hier die wichtigsten Produkte und Anwendungsfelder?
Andreas Aufschnaiter: Das Segment MS Ultraschall untergliedert sich in drei Teilbereiche: Sondermaschinen, Serienmaschinen und Systeme / Komponenten. Unsere Sondermaschinen mit rund 80% Umsatzanteil liefern wir hauptsächlich an die weltweite PKW- und PKW-Zulieferindustrie. Damit werden sämtliche Kunststoffteile am und im Auto hergestellt, vom Stoßfänger über Instrumententafeln bis zu Türverkleidungen. Unser Geschäft lebt also von der Modell- und Variantenvielfalt sowie der Zunahme an leichten Kunststoffteilen und nicht von Anzahl verkaufter Autos. Im Teilbereich der Serienmaschine geht es um das Verschweißen diverser Kunststoffteile über alle Branchen hinweg, z.B. für die Medizintechnik, Elektronik- und Haushaltsgeräteindustrie. Schließlich liefern wir technologisch anspruchsvolle Ultraschall-Systeme und -Komponenten für andere Maschinenbauer, bei denen Folien oder Vliesstoffe („Nonwovens“) auf großen Anlagen verarbeitet werden. Zu den Kundenbranchen zählen hier vorwiegend die Verpackungs- und Hygieneartikelindustrie.
Anleihen Finder: Wie groß ist der aktuelle Auftragsbestand und die weitere Pipeline?
„Unser Auftragsbestand ist hervorragend. Unsere Kapazitäten für 2023 sind praktisch durchgeplant“
Andreas Aufschnaiter: Unser Auftragsbestand ist hervorragend. Powertrain hat einen wichtigen LKW-Ankerauftrag für Nutzfahrzeug-Ventiltriebsysteme bis Ende 2031 gesichert – mit einer Verlängerungsoption bis ins Jahr 2035. Diese Art der Ventiltriebe ist bereits heute für einen nachhaltigen und klimaneutralen Antrieb, beispielsweise mit Wasserstoff oder E-Fuels geeignet bzw. vorgerüstet. Unsere Nutzfahrzeug-Ventiltriebsysteme sind ein wichtiger Bestandteil der ökologischen Verkehrswende. Mit diesem langfristigen Auftrag beläuft sich das Volumen allein der Einheit Powertrain auf mehr als 1,3 Mrd. EUR. Der Ultraschall-Bereich verfügt über einen Auftragsbestand auf Rekordniveau von über 60 Mio. EUR. Unsere Kapazitäten für 2023 sind praktisch durchgeplant, neue Aufträge betreffen allesamt das Jahr 2024 und sogar noch später bei ihrer Abarbeitung. Die nicht testierten Zahlen des Quartals 2023 zeigen: Insgesamt liegen die Auftragsbestände mit rund 148 Mio. EUR, dabei im Bereich Ultrasonic um rund 13 Prozent und im Bereich Powertrain um rund 12 Prozent über den durchschnittlichen Auftragsbeständen 2022.
Hinweis: Dieses Interview erschien zunächst in der neuen Ausgabe des Anleihen Finder Newsletters (Mai-2-2023). Registrieren Sie sich hier für unseren kostenlosen Newsletter und seien Sie stets vorab informiert.
Anleihen Finder: Inwiefern bleibt da noch „Luft“ für Forschung & Entwicklung – wo liegt dort Ihre Ausrichtung und wie viel investieren Sie in diesem Bereich jährlich?
Andreas Aufschnaiter: Die technisch möglichen Ultraschallanwendungen sind ausgesprochen vielfältig, daher wird es auch künftig hinreichend viele (Anwendungs-)F&E-Projekte geben. Wir haben in den letzten Jahren im Schnitt jährlich zwischen 4 und 5 Mio. Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Dementsprechend ist die Vielzahl der Produkte und Anwendungen entstanden, welche uns schrittweise über die Automobilindustrie hinausgetragen haben.
Anleihen Finder: Welche ESG-Ziele verfolgt die MS-Gruppe konkret?
„Können bereits über 20% unseres jährlichen Strombedarfs aus regenerativen Energien erzeugen“
Andreas Aufschnaiter: Die Schwerpunkte der ESG-Ziele bilden für das laufende Geschäftsjahr die Themen Energie, Produktverantwortung, Unternehmenserfolg und Arbeitsplätze. Durch den aktuellen Ausbau unserer Photovoltaik-Anlage am Standort Trossingen sind wir in der Lage, bereits über 20% unseres jährlichen Strombedarfs aus regenerativen Energien zu erzeugen. Weitere Schritte zur Emissionsreduktion sollen folgen. Zusätzlich sind wir als Ausbildungsunternehmen aktiv. Wir versuchen so dem viel diskutierten Fachkräftemangel Herr zu werden.
Anleihen Finder: Mit der im vergangenen Jahr begebenen Anleihe konnten bislang nur etwa 3,7 Mio. Euro (von bis zu 20 Mio. Euro) eingesammelt werden – woran liegt das Ihrer Meinung nach und inwiefern erschwert das Ihre weiteren Planungen?
Andreas Aufschnaiter: Zunächst allgemein zu unserer Finanzierungsstruktur: Die MS Industrie Gruppe verfügt mit über 70 Mio. Euro über ein solides Eigenkapital bei einer EK-Quote von rund 34% per Ende des Jahres 2022. Die Nettoverschuldung bei unseren Banken beläuft sich insgesamt auf etwas über 50 Mio. Euro. Ergänzend nutzen wir zur Finanzierung des Kapazitätswachstums Leasing- und Mietkaufinstrumente speziell für neue Produktionsmaschinen und -anlagen. Die im Oktober 2022 gestartete MS Anleihe hat als ergänzender Baustein auf der Passivseite das Ziel der Wachstumserleichterung, daher auch die Ausgestaltung als „bis zu“-Anleihe.
„Die MS Anleihe hat als ergänzender Baustein auf der Passivseite das Ziel der Wachstumserleichterung“
Anleihen Finder: Aktuell sind Nachplatzierungen vorgesehen – welchen Investorenkreis sprechen Sie mit der Anleihe an und wie überzeugen Sie Ihre Investoren?
Andreas Aufschnaiter: Wir stehen im regelmäßigen Dialog mit Vermögensverwaltern, Family Offices, Fondsmanagern und Pensionskassen. In den nächsten Wochen werden wir noch einmal verstärkt unser Geschäftsmodell und die Vorteile der Anleihe im persönlichen Gespräch vorstellen. Wir verfügen über ein Geschäftsmodell, das langfristig funktioniert, was sich auch in den soliden Zahlen widerspiegelt. Hervorheben möchte ich auch noch, dass unsere Anleihe mit einer Sicherheitsstruktur unterlegt ist. Weitere Transparenz bietet unser Unternehmen durch die Börsennotierung unserer Aktie. Wir sind uns sicher, es handelt sich bei unserer Anleihe um ein attraktives Gesamtpaket.
„Hervorheben möchte ich auch noch, dass unsere Anleihe mit einer Sicherheitsstruktur unterlegt ist“
Anleihen Finder: Wie sieht die ergänzende Unternehmens-Finanzierung aus und wie gestalten sich die Eigenkapital- und Verschuldungssituation der MS-Gruppe?
Andreas Aufschnaiter: In den nicht testierten Zahlen zum 31. März 2023 weisen wir eine durchaus komfortable Eigenkapitalquote von 34,5 Prozent aus. Wir sind in den vergangenen Jahren zu kurzfristig bei Kreditlinien einerseits und Finanzierungen andererseits geworden, der Fachmann spricht hier von nicht ‚fristenkongruent‘. Es passt nicht, wenn wir eine Auftragslinie für schwere LKW bis 2031 fest in den Auftragsbüchern haben, andererseits jedoch jährliche Kreditlinien bei Banken zurückführen müssen, um wiederum neue zu erhalten. Unsere aktuelle Anleihe bringt uns Stabilität und Planbarkeit für die nächsten jetzt noch 4 ½ Jahre.
Anleihen Finder: Wo sehen Sie aktuell – auch aufgrund der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen – den größten internen Handlungsbedarf, wo liegt gerade der unternehmensinterne Fokus?
Andreas Aufschnaiter: Nach erfolgreicher Bewältigung der letzten drei krisengeprägten Jahre konzentrieren wir uns auf das Management des organischen Wachstums. Parallel dazu werden wir bis Ende 2023 die flexible Automatisierung der Kleinteilefertigung abgeschlossen haben und die Eröffnung einer Präsenz für unsere Powertrain-Kunden in den USA vorbereiten. Im Bereich Ultraschall liegt der Fokus auf der Markteinführung der neu entwickelten Systeme für Verpackungs- und Nonwovens-Anwendungen. In beiden Geschäftsnischen – MS Powertrain und MS Ultraschall – verfügen wir über eine sehr gute und zum Teil sehr langfristig vereinbarte Auftragslage, sodass wir trotz der weltweiten Verunsicherungen durchaus optimistisch in die Zukunft blicken können.
Anleihen Finder: Abschließend: Wie sehen die Planzahlen für die kommenden Jahre aus, welche Meilensteine sollen kurzfristig erreicht werden?
„Sehen MS Industrie auf einem kontinuierlichen Erfolgsweg“
Andreas Aufschnaiter: Ganz klar sehen wir MS Industrie auf einem kontinuierlichen Erfolgsweg. Das heißt, wir erwarten einen steigenden Umsatz und in Folge auch einen steigenden Gewinn. Eine Einschränkung müssen auch wir allerdings machen. Es sollte kein weiterer „Schwarzer Schwan“ am Horizont auftauchen, also keine nachhaltige Finanzkrise, keine weltweite Pandemie oder weitere kriegerische Eskalationen. Planzahlen, Meilensteine, über die wir sicherlich intern verfügen, können wir nicht nennen, da die Nennung automatisch, als Prognose einer am Kapitalmarkt positionierten Aktiengesellschaft, eine Pflichtmitteilung auslösen würde.
Anleihen Finder: Herr Dr. Aufschnaiter, besten Dank für das Gespräch.