Krebs gehört zu den häufigsten und tödlichsten Erkrankungen weltweit. Doch zahlreiche Fälle könnten durch präventive Maßnahmen verhindert werden. Laut einer aktuellen Studie der American Cancer Society sind rund 40 Prozent der Krebserkrankungen bei Erwachsenen in den USA auf beeinflussbare Risikofaktoren zurückzuführen. Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie stark der Lebensstil das individuelle Erkrankungsrisiko prägen kann. Zu den Hauptfaktoren zählen Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel, hoher Alkoholkonsum sowie eine unausgewogene Ernährung. Der Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch und ein Mangel an Obst, Gemüse, Ballaststoffen und Kalzium stehen besonders im Fokus. Weitere Risiken umfassen übermäßige UV-Strahlung sowie Infektionen durch krebserregende Viren wie Hepatitis B oder das Humane Papillomavirus (HPV).
Die Ergebnisse dieser Studie lassen sich nahezu eins zu eins auf Deutschland übertragen, erklärt Dr. Ute Mons, Leiterin der Abteilung Primäre Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Bereits 2018 zeigte eine DKFZ-Analyse, dass etwa 37 Prozent der häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland auf vermeidbare Faktoren zurückzuführen sind. Diese Zahl könnte jedoch höher liegen, da in der damaligen Untersuchung UV-Strahlung und bestimmte Infektionen nicht berücksichtigt wurden. Die Parallelen zu anderen Industrienationen seien augenfällig, betont Mons.
Rauchen bleibt mit Abstand der größte Einzelrisikofaktor. Es verursacht nicht nur Lungenkrebs, sondern wird auch mit einer Vielzahl weiterer Krebsarten in Verbindung gebracht. Ein Raucher hat ein 20-fach höheres Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, als ein Nichtraucher. Dennoch wird Übergewicht als Risikofaktor oft unterschätzt. Das DKFZ weist darauf hin, dass Adipositas erheblich zur Entstehung von Brust-, Darm-, Gebärmutter-, Nieren- und Speiseröhrenkrebs beiträgt. Insbesondere bei Fettleibigkeit gilt: Je stärker ausgeprägt, desto höher das Risiko.
Ein weiterer präventiver Ansatz sind Impfungen gegen krebserregende Infektionen. Bereits heute stehen wirksame Impfstoffe gegen das Hepatitis-B-Virus und HPV zur Verfügung. Beide Infektionen tragen maßgeblich zur Entstehung von Leber- beziehungsweise Gebärmutterhalskrebs bei. Auch Mund-, Rachen- und Analkrebs können durch HPV ausgelöst werden.
Die Prävention endet jedoch nicht bei individueller Verantwortung. Dr. Mons fordert verstärkte politische Maßnahmen, um gesunde Lebensweisen zu fördern. Dazu gehören höhere Tabaksteuern, strengere Vorschriften für die Verpackung von Zigaretten und Werbebeschränkungen für Alkohol. Standardisierte Zigarettenverpackungen, wie sie bereits in einigen Ländern eingeführt wurden, könnten laut Studien die Raucherquote erheblich senken. Auch die Förderung eines gesünderen Ernährungsmusters sowie der Zugang zu präventiven Impfungen sollten politisch vorangetrieben werden.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Jedes Jahr erkranken in Deutschland mehr als 500.000 Menschen an Krebs, und mehr als 220.000 sterben daran. Die häufigsten Krebserkrankungen sind bei Frauen Brust-, Darm- und Lungenkrebs, bei Männern Prostata-, Lungen- und Darmkrebs. Die steigenden Erkrankungszahlen sind nicht zuletzt auf die alternde Bevölkerung zurückzuführen, doch viele dieser Fälle könnten durch präventive Maßnahmen vermieden werden.
Kommentar:
Die vorliegenden Daten zeigen eindeutig: Krebsprävention ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Dass nahezu 40 Prozent aller Krebserkrankungen durch vermeidbare Risikofaktoren verursacht werden, ist sowohl ein Weckruf als auch eine Chance. Diese Erkenntnisse müssen stärker in das öffentliche Bewusstsein rücken, und zwar nicht nur durch Aufklärungskampagnen, sondern auch durch nachhaltige politische Strategien.
Auf individueller Ebene trägt jeder Verantwortung für seinen eigenen Lebensstil. Raucherentwöhnung, Gewichtsreduktion und eine gesündere Ernährung könnten Millionen Menschen vor dem Schicksal einer Krebserkrankung bewahren. Doch die Realität zeigt, dass Prävention oft am inneren Schweinehund scheitert – ein Grund mehr, unterstützende Strukturen zu schaffen. Präventive Impfungen, wie gegen Hepatitis B oder HPV, sind ein Paradebeispiel dafür, wie Wissenschaft Leben retten kann, wenn die Angebote niederschwellig und zugänglich gestaltet werden.
Die Politik darf sich hier nicht aus der Verantwortung ziehen. Höhere Steuern auf Tabak und Alkohol, standardisierte Verpackungen und restriktivere Werbeverbote sind längst überfällige Maßnahmen. Auch die Förderung gesunder Ernährung, etwa durch steuerliche Anreize für Obst und Gemüse, könnte ein Weg sein, die Bevölkerung zu einem bewussteren Lebensstil zu ermutigen. Gleichzeitig müssen präventive Gesundheitsmaßnahmen auch sozial gerecht gestaltet werden, um allen Menschen Zugang zu den notwendigen Ressourcen zu ermöglichen.
Kritiker mögen einwenden, dass Prävention allein keine Krebsfälle verhindern kann, da genetische und zufällige Faktoren ebenfalls eine Rolle spielen. Doch dies ist kein Argument gegen Prävention, sondern vielmehr ein Ansporn, die vermeidbaren Risiken konsequent zu minimieren. Prävention bietet nicht nur individuelle Vorteile, sondern entlastet auch das Gesundheitssystem erheblich – eine Win-Win-Situation, die kaum ignoriert werden kann.
Zusammengefasst: Der Kampf gegen Krebs beginnt bei jedem Einzelnen, aber er muss durch eine starke, verantwortungsvolle Politik unterstützt werden. Nur durch diese Kombination aus Eigenverantwortung und strukturellen Maßnahmen kann es gelingen, die erschreckenden Erkrankungszahlen nachhaltig zu senken. Der Schlüssel liegt in der Prävention – und die Zeit zu handeln ist jetzt.
Von Engin Günder, Fachjournalist