Die Apotheken in Deutschland sehen sich seit Juni 2024 mit einer spürbaren Reduzierung ihres Rohgewinns konfrontiert, ausgelöst durch eine Anpassung der Konditionen im Großhandel infolge eines Skonto-Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH). Die Kürzung der Großhandelsrabatte schlägt sich direkt auf die Gewinne der Apotheken nieder und setzt die ohnehin unter Druck stehende Branche vor neue Herausforderungen. Laut einer aktuellen Analyse eines renommierten Steuer- und Wirtschaftsberatungsunternehmens sank der Rohgewinn pro Packung verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Juni auf 9,55 Euro. Vor dieser Anpassung lag der Wert stabil zwischen 9,91 und 9,99 Euro je Packung, was eine erhebliche Differenz bedeutet.
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Rohgewinnmarge wider, die am Umsatz der Apotheken gemessen wird. Während diese Marge im Herbst 2023 noch rund 16 Prozent betrug, ist sie zuletzt auf 14,9 Prozent gefallen. Auf einer Branchenveranstaltung für Apothekerinnen und Apotheker wurde die aktuelle Situation als "Ertragskrise" beschrieben, die viele Apotheken trotz steigender Umsätze zu niedrigeren Betriebsergebnissen führt. Höhere laufende Kosten, wie für Personal und Mieten, verschärfen die Situation weiter und lassen den wirtschaftlichen Spielraum kleiner werden.
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, wurden verschiedene Strategien vorgestellt. Zu den Maßnahmen zählen der Ausbau zusätzlicher Dienstleistungen, ein dynamisches Preismanagement, der Einsatz von Nebengeschäften sowie ein effizientes Personalmanagement nach Kundenfrequenz. Durch eine gezielte Analyse der Betriebskosten und eine strikte Ausgabenkontrolle könnten Apotheken ihre betriebswirtschaftliche Lage verbessern. Zudem wurde die Empfehlung ausgesprochen, gezielt in das eigene Wachstum zu investieren, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben und den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.
Die Bedeutung eines guten Verständnisses der eigenen Kennzahlen und Prozesse wurde dabei besonders hervorgehoben. Ein klares Unternehmensleitbild, das bestenfalls im Team entwickelt wird, sowie eine starke Marktpositionierung könnten ebenfalls zur Stabilisierung der Ertragslage beitragen. Auch eine Spezialisierung auf bestimmte Serviceangebote oder ein aktiver Aufbau der Onlinepräsenz wurden als Maßnahmen zur besseren Mitarbeiterbindung und Kundenbindung angeraten. Der Arbeitsmarkt für Apothekenpersonal ist hart umkämpft, weshalb Alleinstellungsmerkmale zunehmend an Bedeutung gewinnen. Zusätzliche Anreize wie betriebliche Altersvorsorge und Gesundheitsleistungen können langfristig dazu beitragen, qualifizierte Mitarbeitende zu binden und sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.
Zum Abschluss der Veranstaltung wurde von einem Apothekeninhaber ein Beispiel erfolgreicher Neugründung präsentiert. Durch eine klare Spezialisierung und einen überzeugenden Businessplan gelang es, die Finanzierung für die Übernahme und den Ausbau zweier Apothekenstandorte zu sichern. Dieser Erfolg unterstreicht die Bedeutung einer zielgerichteten Planung und Spezialisierung im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld.
Kommentar:
Die Kürzung der Großhandelskonditionen infolge des Skonto-Urteils trifft die Apothekenbranche in einer Zeit, in der ohnehin steigende Betriebskosten und gesetzliche Änderungen die Ertragslage belasten. Während große Apothekenketten möglicherweise flexibler auf solche Anpassungen reagieren können, stehen kleine und mittlere Apotheken, die bereits seit Jahren unter Kostendruck stehen, vor noch größeren Herausforderungen. Die Auswirkungen dieser Entwicklungen betreffen nicht nur die Bilanzen der Apotheken, sondern auch die Versorgungssicherheit der Bevölkerung – insbesondere in strukturschwachen und ländlichen Regionen, in denen Apotheken oft eine unverzichtbare Rolle spielen.
Die Apothekenbranche sieht sich inmitten eines Wandels, der von Digitalisierung und neuen Vertriebsmodellen geprägt ist. Während Online-Plattformen zunehmend Marktanteile gewinnen, müssen Apotheken vor Ort neue Strategien entwickeln, um ihre Rolle als zentrale Anlaufstellen im Gesundheitswesen zu stärken. Dies könnte durch einen gezielten Ausbau von Dienstleistungen und eine stärkere Spezialisierung gelingen. Die Einführung neuer Serviceangebote, etwa in der Gesundheitsberatung und Prävention, könnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Apotheken ihre Position als lokale Gesundheitsversorger behaupten und zugleich neue Ertragsquellen erschließen.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die langfristige Bindung qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Durch attraktive Zusatzleistungen, wie betriebliche Altersvorsorge und Gesundheitsvorsorge, können Apotheken sich als attraktive Arbeitgeber positionieren. In einem zunehmend umkämpften Arbeitsmarkt, in dem viele qualifizierte Fachkräfte nur selten aktiv nach neuen Positionen suchen, ist es umso wichtiger, bestehendes Personal zu halten und neue Anreize zu bieten.
Diese Ertragskrise zeigt einmal mehr die Notwendigkeit für Apotheken, sich organisatorisch und strategisch weiterzuentwickeln. Der wirtschaftliche Erfolg in der Branche wird künftig nicht allein durch den Medikamentenverkauf gesichert werden können. Vielmehr müssen Apotheken ihren Fokus auf Effizienz, Spezialisierung und eine zukunftsorientierte Unternehmensführung legen. Ein klares Unternehmensleitbild und eine starke Marktpositionierung können entscheidende Faktoren sein, um im Wettbewerb zu bestehen und langfristig eine stabile Grundlage für die flächendeckende Versorgung zu schaffen.
Die Anpassungen der Großhandelsrabatte verdeutlichen, dass sich Apotheken stärker als je zuvor den wirtschaftlichen Realitäten anpassen müssen. Hierbei sind sowohl innovative Ideen als auch politische Unterstützung gefragt, um die bestehenden Versorgungstrukturen zu bewahren und die Herausforderungen der kommenden Jahre zu bewältigen.
Von Engin Günder, Fachjournalist