Fixprämien als Instrument zur Kostenstabilisierung in Apotheken
Die Apothekenbranche befindet sich derzeit in einer Phase großer finanzieller Belastungen. Steigende Betriebskosten und stagnierende Honorare führen dazu, dass viele Apothekerinnen und Apotheker ihre laufenden Ausgaben genau überprüfen müssen. Eine angemessene Absicherung spielt dabei eine wichtige Rolle, um existenzielle Risiken zu vermeiden. Die ApothekenVersicherung Aporisk® bietet in diesem Zusammenhang eine Möglichkeit, die finanziellen Risiken im Betrieb zu minimieren und die Kosten zu stabilisieren.
Durch die Fixprämie von Aporisk® können Apotheken eine planbare Beitragsstruktur nutzen. Dies ist vor allem in einem wirtschaftlich unsicheren Umfeld vorteilhaft, da es die finanzielle Planungssicherheit erhöht. Die Versicherung deckt Bereiche wie Allrisk-, Cyber- und Vertrauensschadenversicherungen ab, die speziell auf die Apothekenbranche ausgerichtet sind. Die Allrisk-Versicherung bietet Schutz vor verschiedenen Schadensfällen, die im Betrieb auftreten können, darunter Feuer, Einbruchdiebstahl und Betriebsunterbrechungen.
Besondere Aufmerksamkeit sollte auch der Cyber-Versicherung gewidmet werden. In einer zunehmend digitalisierten Welt ist es unverzichtbar, die IT-Sicherheit in Apotheken zu gewährleisten, insbesondere wenn es um den Schutz von Patientendaten geht. Eine Cyber-Versicherung kann hier helfen, die finanziellen Folgen eines Angriffs abzufedern und die Systemwiederherstellung zu unterstützen.
Neben der allgemeinen Absicherung durch Allrisk und Cyber-Versicherungen ist die Vertrauensschadenversicherung ein weiterer wichtiger Bestandteil. Diese schützt vor finanziellen Schäden, die durch kriminelle Handlungen, etwa durch Mitarbeiter oder externe Dritte, verursacht werden.
Für Apothekenbetreiber ist es entscheidend, ihre Absicherung in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und sicherzustellen, dass alle relevanten Risiken abgedeckt sind. Die Priorität liegt dabei nicht nur auf der Absicherung gegen kurzfristige Schäden, sondern auch auf langfristiger Stabilität des Betriebs. Die spezifischen Anforderungen und Herausforderungen einer Apotheke erfordern maßgeschneiderte Versicherungslösungen, die eine ganzheitliche Risikominimierung ermöglichen.
Darüber hinaus können zusätzliche Module wie eine Rechtsschutzversicherung für Apothekenbetreiber sinnvoll sein, insbesondere im Hinblick auf mögliche Rechtsstreitigkeiten mit Krankenkassen oder im Zusammenhang mit Retaxationen.
Die Einführung einer Fixprämienlösung ist in diesem Zusammenhang ein sinnvolles Mittel, um die finanzielle Planbarkeit zu verbessern. Dennoch bleibt es entscheidend, dass Apothekenbetreiber regelmäßig ihre Versicherungspolicen überprüfen und an veränderte Bedingungen anpassen, um einen umfassenden Schutz zu gewährleisten.
Ein sorgfältiger Umgang mit den Risiken des Betriebs ist unabdingbar, um langfristig erfolgreich zu sein.
Weihnachtsaktionen in Apotheken: Strategische Planung als Erfolgsgarant für Kundenbindung und Mitarbeitermotivation
Die Weihnachtszeit stellt eine der geschäftigsten Phasen des Jahres für Apotheken dar, in der nicht nur die Kundenfrequenz steigt, sondern auch zahlreiche Chancen genutzt werden können, um die Apotheke ins rechte Licht zu rücken. Apothekenbetreiber, die diese Zeit strategisch planen und nutzen, können erheblich von der festlichen Stimmung profitieren, indem sie sowohl die Kundenbindung intensivieren als auch das Betriebsklima verbessern. Doch damit all dies gelingt, bedarf es einer detaillierten und frühzeitigen Planung.
Eine wesentliche Rolle spielen weihnachtlich gestaltete Verkaufsräume. Festliche Dekorationen, etwa Lichterketten, Tannenzweige und Weihnachtssterne, schaffen eine Wohlfühlatmosphäre und machen den Besuch in der Apotheke zu einem besonderen Erlebnis. Eine eigens eingerichtete „Weihnachtsecke“, in der zur Jahreszeit passende Produkte wie wärmende Tees, ätherische Öle oder Gesundheitsgeschenke angeboten werden, verstärkt dieses Ambiente. Kunden verweilen länger und lassen sich eher von Angeboten inspirieren, wenn die Atmosphäre ansprechend gestaltet ist. Zusätzlich können in dieser Ecke kleine Anleitungen für selbstgemachte Badezusätze oder gesunde Weihnachtsplätzchen ausgelegt werden, um das Einkaufserlebnis weiter zu bereichern.
Aktionen wie Rabatte auf bestimmte Produkte oder kleine Geschenke beim Kauf eines festlichen Artikels sind ebenfalls gute Möglichkeiten, Kunden in die Apotheke zu locken. Durch den gezielten Einsatz von Newslettern oder Flyern können diese Aktionen effektiv beworben werden. Insbesondere ein Adventskalender, ob physisch oder digital, weckt das Interesse der Kunden. Täglich wechselnde Angebote oder kleine Präsente wie Teeproben, Mini-Cremes oder Vitamine regen zu wiederholten Besuchen an. Ein Online-Adventskalender, bei dem Kunden virtuelle Türchen öffnen, steigert darüber hinaus die Besucherzahlen auf der Apotheken-Website und stärkt die digitale Präsenz.
Weihnachtliche Gewinnspiele und Verlosungen bieten zusätzlich die Möglichkeit, Kunden zu begeistern und die Kundenfrequenz zu erhöhen. Ein Präsentkorb mit Gesundheitsprodukten oder Einkaufsgutscheine als Hauptpreise sorgen für Anreize, die Apotheke häufiger zu besuchen. Auch Storytelling in Form von Weihnachtsgeschichten oder ein Online-Geschenke-Guide kann die emotionale Bindung der Kunden stärken. Solche Inhalte tragen dazu bei, das Markenimage der Apotheke positiv zu beeinflussen.
In der Vorweihnachtszeit sind Beratungstage eine hervorragende Gelegenheit, spezifische Themen in den Fokus zu rücken. Themen wie winterliche Hautpflege, Immunstärkung oder Stressbewältigung zur Weihnachtszeit sind gerade in dieser Saison von besonderem Interesse. Auch wenn die Organisation eines Beratungstags in dieser hektischen Phase eine Herausforderung darstellen kann, lohnt es sich aufgrund der höheren Kundenzahlen, solche Veranstaltungen durchzuführen. Sie vermitteln den Eindruck, dass die Apotheke nicht nur ein Verkaufsort, sondern auch ein kompetenter Partner in Gesundheitsfragen ist. Professionell geplante und durchgeführte Aktionstage hinterlassen einen bleibenden Eindruck und steigern die Bekanntheit der Apotheke als zuverlässige Gesundheitsdienstleisterin.
Neben der Kundenbindung darf die Wertschätzung für die eigenen Mitarbeitenden in der Weihnachtszeit nicht vernachlässigt werden. Adventskalender, personalisierte Geschenke oder gemeinsame Weihnachtsfeiern sind einfache, aber wirkungsvolle Mittel, um die Motivation der Mitarbeitenden zu steigern. Die persönliche Gestaltung von Geschenken – etwa durch die Berücksichtigung individueller Vorlieben – erhöht den emotionalen Wert und signalisiert den Mitarbeitenden, dass ihre Arbeit geschätzt wird. Auch flexible Arbeitszeiten oder die rechtzeitige Einstellung von Aushilfen können helfen, den Stress in dieser intensiven Zeit zu reduzieren. Wenn es die wirtschaftliche Lage der Apotheke zulässt, kann ein Weihnachtsbonus das Engagement zusätzlich belohnen.
Wichtig ist hierbei, die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen für Geschenke an Mitarbeitende zu beachten. Eine sorgfältige Planung dieser Zuwendungen sorgt dafür, dass rechtliche Fallstricke vermieden und alle steuerlichen Vorteile ausgeschöpft werden können.
Für alle Aktionen ist eine frühzeitige und sorgfältige Planung unerlässlich. Während kleinere Aktionen wie Rabattaktionen oder Dekorationen noch kurzfristig umgesetzt werden können, erfordern größere Events wie Beratungstage oder umfangreiche Marketingkampagnen eine Vorlaufzeit von mehreren Monaten. Dabei sollten alle organisatorischen Aspekte wie Terminfindung, Personaleinsatz und Werbematerialien rechtzeitig geklärt werden, um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen.
Mit gut geplanten und durchgeführten Weihnachtsaktionen kann eine Apotheke nicht nur ihr Image stärken, sondern auch die Kundenbindung intensivieren und die Motivation des Teams steigern. Die Weihnachtszeit bietet zahlreiche Möglichkeiten, die Apotheke als vertrauenswürdigen und kreativen Gesundheitsdienstleister zu präsentieren, was langfristig zu einer erfolgreichen Geschäftsentwicklung beiträgt.
Die Weihnachtszeit in der Apotheke ist mehr als nur die geschäftigste Phase des Jahres – sie ist eine wertvolle Gelegenheit, um die emotionale Bindung zu Kunden und Mitarbeitenden zu festigen und das Image der Apotheke nachhaltig zu verbessern. Gerade in einer Zeit, in der Kunden eine Fülle von Angeboten und Eindrücken wahrnehmen, ist es entscheidend, positiv herauszustechen. Apotheken, die frühzeitig planen und auf kreative, kundenorientierte Marketingaktionen setzen, können sich einen Wettbewerbsvorteil sichern. Die richtige Atmosphäre, personalisierte Geschenke und attraktive Angebote tragen nicht nur dazu bei, dass Kunden ihre Apotheke verstärkt aufsuchen, sondern sorgen auch dafür, dass sie langfristig treue Kunden bleiben.
Doch nicht nur die Kunden spielen eine wichtige Rolle – auch die Mitarbeitenden müssen in dieser stressigen Zeit besonders motiviert und wertgeschätzt werden. Eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit ist unerlässlich, um den erhöhten Anforderungen in der Vorweihnachtszeit gewachsen zu sein. Kleine Gesten wie individuelle Weihnachtsgeschenke oder flexible Arbeitszeiten sind oft mehr wert als Geldboni, da sie das Gefühl der Zusammengehörigkeit und des Teamgeists fördern. Zufriedene und motivierte Mitarbeitende sind die Grundlage für einen reibungslosen Ablauf in der Apotheke, und gerade in der Weihnachtszeit kann dies den Unterschied ausmachen.
Letztlich ist die Weihnachtszeit für Apotheken eine Chance, nicht nur kurzfristige Umsätze zu generieren, sondern auch das Fundament für eine erfolgreiche Kunden- und Mitarbeiterbindung zu legen. Mit einer vorausschauenden Planung, kreativen Aktionen und einem klaren Fokus auf die Bedürfnisse von Kunden und Mitarbeitenden kann die Weihnachtszeit zum Höhepunkt des Geschäftsjahres werden und die Apotheke gestärkt ins neue Jahr führen.
Falsche Apotheker nutzen Telefonbetrug, um ahnungslose Kunden auszunehmen
In einer neuen Betrugsmasche nutzen Kriminelle das Vertrauen, das viele Menschen in ihre Apotheke setzen, um unrechtmäßig Geld zu erlangen. Christian Fehske, ein Apotheker aus Hagen, berichtet von einem aktuellen Vorfall, bei dem eine seiner Kundinnen von einer ausländischen Nummer angerufen wurde. Der Anrufer gab sich als Mitarbeiter von Fehskes Apotheke aus, kannte den Namen der Kundin sowie die Verschreibungsdetails ihres Ehemanns und behauptete, es gebe Probleme mit der Krankenkassenabrechnung. Er forderte eine sofortige Zahlung, doch die Kundin reagierte instinktiv richtig und legte auf.
Die anschließende Nachfrage in der Apotheke bestätigte, dass der Anruf ein Betrugsversuch war. Der Umstand, dass der Betrüger über sensible Informationen wie den Namen der Kundin und die verschriebenen Medikamente ihres Ehemanns verfügte, alarmierte sowohl die Kundin als auch den Apotheker. Fehske vermutet, dass die Täter möglicherweise eine verlorene Quittung genutzt haben, um an diese Daten zu gelangen. Die Kundin wurde gebeten, den Vorfall bei der Polizei anzuzeigen, was jedoch aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität noch nicht geschehen ist. Fehske selbst wandte sich ebenfalls an die Polizei, erhielt jedoch die Auskunft, dass eine Anzeige nur durch die betroffene Person erfolgen könne. Alternativ könnte die Polizei einen Hausbesuch machen, um die Anzeige aufzunehmen.
Dieser Vorfall ist kein Einzelfall. Bereits in der Vergangenheit wurden Apotheken immer wieder als Ausgangspunkt für Betrugsversuche genutzt. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, die oft weniger misstrauisch auf solche Anrufe reagieren. Im Mai 2020 gaben sich Kriminelle als Mitarbeiter des Landesapothekerverbandes Niedersachsen aus, um Gesundheitsdaten abzufragen und angebliche Vitaminpräparate zu vertreiben. Auch im niedersächsischen Unna kam es in diesem Jahr zu mehreren Telefonbetrugsfällen, bei denen die Täter vorgaben, Telefonumfragen für Apotheken durchzuführen, um persönliche Daten der Kunden zu erlangen. Solche Fälle enden nicht selten in Abo-Fallen, bei denen die Betroffenen ungewollt in kostenpflichtige Verträge gedrängt werden.
Fehske befürchtet, dass weitere Kunden Opfer dieser Betrugsmasche geworden sind oder werden könnten. Er appelliert an alle Betroffenen, sich unverzüglich an die Polizei zu wenden und Anzeige zu erstatten. Dies sei der einzige Weg, um gegen solche kriminellen Machenschaften vorzugehen und weitere Vorfälle zu verhindern.
Apothekenkunden wird geraten, bei Anrufen, in denen angeblich Zahlungsaufforderungen von ihrer Apotheke erhoben werden, skeptisch zu sein – besonders wenn die Anrufe von ausländischen Nummern kommen. Kunden sollten im Zweifel den Hörer auflegen und sich direkt an die Apotheke wenden, um die Situation zu klären. Zudem sollte beim Entsorgen von Quittungen, die sensible Daten enthalten, Vorsicht geboten sein.
Die zunehmende Nutzung von Apotheken als Ausgangspunkt für Betrugsversuche verdeutlicht die Dringlichkeit, Kunden stärker über solche kriminellen Methoden aufzuklären. Apothekenbetreiber sind in der Pflicht, ihre Kunden zu sensibilisieren und präventive Maßnahmen zu ergreifen, um sensible Informationen besser zu schützen.
Dieser Fall zeigt erneut, wie dreist Kriminelle das Vertrauen der Menschen ausnutzen, um finanziellen Gewinn zu erlangen. Apotheken, die traditionell als Orte des Vertrauens gelten, werden immer häufiger von Betrügern ins Visier genommen. Das Vertrauen der Kunden in ihre Apotheke zu erschüttern, könnte langfristig gravierende Folgen haben, nicht nur für die betroffenen Kunden, sondern auch für das gesamte Apothekenwesen.
Es ist daher von größter Bedeutung, dass Apothekenbetreiber und Kunden gleichermaßen wachsam bleiben. Die schnelle Aufklärung und Prävention sind der beste Schutz vor solchen Machenschaften. Insbesondere ältere Menschen, die häufig im Fokus solcher Betrügereien stehen, müssen gezielt informiert und sensibilisiert werden. Der Vorfall in Hagen ist eine deutliche Warnung: Betrug kennt keine Grenzen und nutzt die kleinsten Schwachstellen im System aus.
EuGH-Generalanwalt befürwortet grenzüberschreitende Rabattaktionen – DocMorris fordert Millionenentschädigung von Apothekerkammer Nordrhein
Im Verfahren zwischen der niederländischen Versandapotheke DocMorris und der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hat der EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar am Donnerstag seine Schlussanträge präsentiert, die eine deutlich liberale Haltung zugunsten des grenzüberschreitenden Wettbewerbs im Arzneimittelbereich aufzeigen. DocMorris fordert Schadensersatz von der AKNR in Höhe von über 18 Millionen Euro, weil die Kammer in den Jahren 2013 bis 2015 eine Reihe einstweiliger Verfügungen gegen Gutschein- und Rabattaktionen der Versandapotheke erwirkt hatte. DocMorris argumentiert, dass diese Maßnahmen nach dem 2016 ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das die nationale Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente im EU-Versandhandel als unzulässig erklärte, von Anfang an nicht gerechtfertigt gewesen seien.
Dieses EuGH-Urteil von 2016 war eine Zäsur für den deutschen Arzneimittelmarkt. Es erkannte die grenzüberschreitende Arzneimittelpreisbindung für rezeptpflichtige Medikamente als europarechtswidrig und eröffnete Versandapotheken wie DocMorris neue Möglichkeiten, sich auf dem deutschen Markt zu positionieren. DocMorris sieht sich durch die AKNR in diesen Aktivitäten behindert und verlangt deshalb eine umfassende Entschädigung für entstandene finanzielle Schäden. Diese Forderung basiert insbesondere darauf, dass die AKNR zusätzlich zu den einstweiligen Verfügungen Ordnungsgelder gegen das Unternehmen verhängte. DocMorris sieht darin eine Belastung, die wirtschaftliche Nachteile verursacht hat und über die bereits entstandenen Kosten hinausgeht.
Zunächst wies das Landgericht Köln die Klage von DocMorris ab, mit der Begründung, das Unternehmen habe mit seinen Rabattaktionen gegen das heilmittelwerberechtliche Zuwendungsverbot verstoßen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied jedoch 2022 anders und erkannte dem Unternehmen dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch zu, ohne jedoch über dessen Höhe zu befinden. Daraufhin rief die AKNR den Bundesgerichtshof (BGH) an, welcher den EuGH um eine Vorabentscheidung bat. In diesem Zusammenhang legte Szpunar seine Schlussanträge vor, die nun für die weitere Beurteilung des Falls von zentraler Bedeutung sind.
In seinen Ausführungen stellte Szpunar klar, dass die beanstandeten Rabattaktionen von DocMorris seiner Ansicht nach nicht unter die Regelungen des Humanarzneimittelgesetzes fallen und somit nicht als Arzneimittelwerbung gewertet werden können. Der Generalanwalt argumentiert, dass die Aktionen in erster Linie auf eine Kundenbindung an die Versandapotheke abzielen und daher den Wettbewerb in diesem Sektor fördern, ohne dabei das Arzneimittel selbst in den Fokus zu stellen. Das Medikament wird schließlich von einer berechtigten Fachkraft verordnet, sodass kein übermäßiger Konsum durch die Rabattaktionen gefördert werde. Vielmehr gehe es darum, die Patienten von DocMorris als Versender zu überzeugen und nicht von einem spezifischen Medikament.
Zudem sah Szpunar keine Anhaltspunkte dafür, dass derartige Rabattaktionen die europäische Warenverkehrsfreiheit unzulässig einschränken. Das EuGH-Urteil von 2016 hatte bereits festgestellt, dass die deutsche Arzneimittelpreisbindung für den grenzüberschreitenden Versandhandel eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit darstellt und somit gegen EU-Recht verstößt. Szpunar zufolge gibt es daher auch im vorliegenden Fall keine ausreichenden Gründe, um von dieser Grundfreiheit abzuweichen. Sollte der EuGH dennoch zu dem Schluss kommen, dass die Rabattaktionen als Arzneimittelwerbung zu werten sind, wären sie als Verstoß gegen den Humanarzneimittelkodex unzulässig und die Rechtslage würde sich zugunsten der AKNR ändern.
Die AKNR zeigte sich über Szpunars Schlussanträge überrascht und kritisierte die Interpretation des Generalanwalts. AKNR-Anwalt Morton Douglas verwies darauf, dass diese Schlussanträge eine zu weitgehende Einschränkung des Gemeinschaftskodex darstellten und die Zielsetzung einer umfassenden Harmonisierung des Arzneimittelvertriebs in der EU gefährden könnten. AKNR-Justiziarin Bettina Mecking äußerte die Befürchtung, dass eine solche Lockerung der Vorschriften zu erheblichen Risiken für die öffentliche Gesundheit führen könnte, indem die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel untergraben werde. Sie warnte, dass dadurch das hohe Niveau des Gesundheitsschutzes in der EU gefährdet würde.
Die Entscheidung des EuGH wird mit Spannung erwartet, da sie Auswirkungen auf die Wettbewerbsregulierung im Apothekenmarkt und potenziell auf das gesamte europäische Gesundheitswesen haben könnte. Je nach Ausgang des Verfahrens könnte es zu Anpassungen in den nationalen Rechtslagen kommen, die die Wettbewerbsfähigkeit ausländischer Versandapotheken gegenüber traditionellen Apotheken stärken.
Die Schlussanträge von Generalanwalt Szpunar heizen die Diskussion um die künftige Struktur des Apothekenmarktes in Deutschland und in der EU weiter an. Der Fall zeigt deutlich, wie groß die Kluft zwischen den auf Wettbewerb setzenden europäischen Instanzen und den traditionsbewussten deutschen Institutionen im Gesundheitssektor ist. Szpunars Argumentation spiegelt eine marktorientierte Sichtweise wider, die dem Ziel der Freizügigkeit im Binnenmarkt Priorität vor dem Schutz regionaler Strukturen einräumt. Für Versandapotheken wie DocMorris könnten die Schlussanträge ein Signal sein, ihren Expansionskurs in den deutschen Markt weiter zu verfolgen. Sollten die europäischen Richter Szpunars Sichtweise stützen, könnten deutsche Apotheken weiter unter Druck geraten, da der Markt zunehmend von preis- und rabattstarken Versandapotheken dominiert würde.
Auf der anderen Seite wirft das Urteil auch grundsätzliche Fragen zum Gesundheitsschutz auf. Die AKNR betont zurecht die Bedeutung eines geregelten Arzneimittelvertriebs, um Missbrauch und eine möglicherweise risikobehaftete Versorgung zu vermeiden. Die Rabattaktionen der Versandapotheken könnten zwar den Wettbewerb ankurbeln, doch birgt eine allzu große Liberalisierung die Gefahr, dass der Markt rein nach wirtschaftlichen Prinzipien geformt wird – ohne ausreichende Berücksichtigung der besonderen Verantwortung des Apothekenwesens gegenüber dem Patientenwohl. Traditionelle Apotheken spielen gerade im ländlichen Raum eine wichtige Rolle für die medizinische Grundversorgung, die im Wettbewerb mit preisorientierten Versandapotheken zunehmend unter Druck geraten könnte.
Letztlich bleibt abzuwarten, ob der EuGH dem Generalanwalt folgt oder eine restriktivere Haltung einnimmt, die das nationale Gesundheitswesen stärker schützt. Sollte sich der EuGH für die Liberalisierung aussprechen, könnten Apothekenbetreiber gezwungen sein, ihre Geschäftspraktiken zu überdenken und möglicherweise neue, wettbewerbsfähigere Konzepte zu entwickeln. Der Ausgang des Verfahrens könnte den Apothekenmarkt nachhaltig verändern und stellt viele Betreiber vor die Herausforderung, ihre Rolle im Gesundheitssystem neu zu definieren, um auch in einem liberalisierten Markt bestehen zu können.
Geodatenbasierte Notdienstverteilung: Effiziente Lösung für eine gerechtere Versorgung?
Mit der geodatenbasierten Notdienstverteilung schlagen immer mehr Apothekerkammern in Deutschland einen neuen Weg ein, um die Notdienste fairer und effizienter zu organisieren. Baden-Württemberg, Bayern und Hamburg werden sich im Jahr 2025 diesem Konzept anschließen und damit auf eine Technologie setzen, die seit Jahren in Bundesländern wie Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz erfolgreich genutzt wird. Diese Methode erlaubt eine Anpassung der Notdienste an die tatsächliche Bevölkerungsdichte und Geografie, sodass Apotheken gleichmäßiger belastet und Patienten optimal versorgt werden.
Traditionell wird der Notdienst in festen Kreisen organisiert, in denen Apotheken im Wechsel die Versorgung übernehmen. Diese Vorgehensweise stieß jedoch besonders in ländlichen Gegenden an ihre Grenzen, da größere Distanzen und eine abnehmende Apothekenzahl oft weite Wege für Patienten bedeuteten. Mit dem geodatenbasierten Modell werden dagegen Parameter wie Entfernungen und Belastungsgrenzen berücksichtigt, was eine gerechtere und effizientere Notdienstverteilung ermöglicht. Besonders in Regionen mit geringer Apothekendichte soll das System die Belastung besser verteilen, ohne die Notdienstqualität zu gefährden.
In der Praxis setzt die geodatenbasierte Notdienstverteilung Algorithmen ein, die Distanzen und Diensthäufigkeit ausbalancieren. Eine Software berechnet die optimale Zuordnung, um eine maximale Entfernung für Patienten zur nächsten dienstbereiten Apotheke einzuhalten. In Rheinland-Pfalz konnte durch die Einführung dieses Systems die Anzahl der Notdienste von 63 auf 45 bis 46 Apotheken pro Nacht reduziert werden – ohne Klagen von Patienten über unzureichende Versorgung. Auch Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe haben durch die geodatenbasierte Verteilung positive Ergebnisse erzielt, wobei die durchschnittliche Belastung für Apotheken deutlich zurückging.
Ein weiteres Plus der geodatenbasierten Verteilung ist die Möglichkeit, Vorgaben flexibel anzupassen. So wurde in Schleswig-Holstein die Maximalanzahl an Notdiensten pro Jahr und Apotheke auf 39 festgelegt, nachdem die Apothekendichte weiter abgenommen hatte. Die Anpassung der Algorithmen an solche Veränderungen zeigt die Skalierbarkeit des Systems, das auch topographische Herausforderungen wie Inseln oder Landesgrenzen meistert.
Die Umstellung auf ein solches System bedeutet jedoch einen Abschied von der gewohnten Planung: Apotheken verlieren feste Notdienstpartner und müssen sich auf flexiblere Dienstpläne einstellen. In Städten kann es für Patienten zu ungewohnten Wegen führen, wenn die nächstgelegene dienstbereite Apotheke außerhalb des Stadtzentrums liegt. Apotheken müssen sich also auf ein neues Maß an Dynamik in der Dienstplanung einstellen, und die Kommunikation mit den Patienten gewinnt an Bedeutung. Dies gilt insbesondere in der Anfangsphase, wenn zusätzliche Aufklärung über die neue Organisation der Notdienste nötig ist.
Trotz der Umstellung werden ab 2025 landesübergreifende Synergien entstehen, da Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen gemeinsame Software nutzen und dadurch Notdienste an den Landesgrenzen koordinieren können. Während dies vor allem Apotheken an den Landesrändern entlastet, steht auch die einheitliche Software im Fokus der Transparenz, da die Algorithmen künftig in einer Open-Source-Variante zugänglich gemacht werden sollen. Dies könnte das Vertrauen sowohl der Apotheken als auch der Öffentlichkeit in die Verteilungsregeln stärken und sicherstellen, dass die Notdienstbelastung unter vergleichbaren Apotheken fair verteilt wird.
Die geodatenbasierte Notdienstverteilung bringt Bewegung in ein System, das dringend neue Ansätze benötigt. In einer Zeit, in der Apotheken sich nicht nur in ländlichen Gegenden immer dünner verteilen, setzt dieses System genau dort an, wo die Versorgungsqualität erhalten werden muss. Während die Entlastung der Apotheken ein klarer Vorteil ist, birgt die Umstellung auch Herausforderungen. Apothekenbetreiber und Patienten müssen sich an veränderte Abläufe gewöhnen und die erhöhten Anforderungen an die Flexibilität in der Dienstplanung meistern.
Dennoch zeigt das Beispiel Schleswig-Holstein, dass eine geodatenbasierte Verteilung der Notdienste keine rein technische Lösung, sondern eine Chance ist, Notdienste an die realen Bedürfnisse anzupassen. Insbesondere in urbanen Randbereichen oder an Landesgrenzen ist die koordinierte Verteilung der Apotheken sinnvoll, um unnötige Mehrbelastungen zu vermeiden. Gerade die Transparenz des Verfahrens – und ein potenzielles Open-Source-Modell – kann den Erfolg dieses Ansatzes sichern und helfen, das Vertrauen in ein System zu stärken, das letztlich allen zugutekommt.
Die Herausforderung wird darin liegen, den feinen Balanceakt zwischen maximaler Patientennähe und minimaler Notdienstbelastung der Apotheken zu meistern.
Ungewisse Zukunft für das Gesundheitssystem: Klinikreform beschlossen, Apothekenreform ins Wanken geraten
Die Bundesregierung hat einen wichtigen Schritt für das deutsche Gesundheitssystem vollzogen: Die Klinikreform, ein Projekt zur grundlegenden Neustrukturierung der Krankenhäuser, wurde kürzlich beschlossen. Doch während das Ziel feststeht, die stationäre Versorgung zu modernisieren und Engpässe zu beseitigen, wankt das Reformvorhaben im Apothekenbereich immer stärker. Bei einer SPD-Veranstaltung in Leverkusen zeigte sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach unerwartet skeptisch: Ging es anfangs noch um den Zeitpunkt einer Apothekenreform, steht nun auch das „Ob“ zur Debatte. Die Apothekerbranche ist alarmiert – die Unsicherheit in der Versorgung wächst weiter.
Experten und Branchenvertreter betonen seit Langem die Notwendigkeit umfassender Reformen, sowohl für Kliniken als auch für Apotheken. Während die Klinikreform die Struktur der Krankenhäuser auf Landes- und Bundesebene verbessern und Personalengpässe mindern soll, stehen Apotheken vor ganz eigenen Herausforderungen. Neben steigendem wirtschaftlichem Druck und zunehmender Bürokratisierung wird auch die Einführung des Cannabisgesetzes und der elektronischen Patientenakte (ePA) als Herausforderung gesehen. Apotheker fürchten hier ein Übermaß an Verwaltungsaufwand bei ohnehin knappen Ressourcen.
Die Digitalisierung der Patientenakte soll ursprünglich die Behandlungsqualität verbessern, doch bleibt der Fortschritt in vielen Praxen und Apotheken bislang aus. IT-Sicherheitsvorgaben, fehlende Infrastruktur und ein spürbarer Mangel an Fachpersonal hemmen die Umsetzung. Die elektronische Akte, die unter anderem das Einsehen und Teilen von Gesundheitsdaten erleichtern soll, bleibt damit weiterhin ein theoretisches Versprechen. Für Apotheken bedeutet dies, dass das von der Regierung propagierte Potenzial der Digitalisierung noch nicht zur Entlastung beitragen kann.
Neben der Digitalisierung wird auch die geplante Legalisierung von Cannabis kontrovers diskutiert. Sie soll sowohl gesellschaftliche als auch gesundheitspolitische Impulse setzen. Doch Apotheker sehen in der Abgabe eine logistische Herausforderung, denn der Aufwand für die Kontrolle, Lagerung und Dokumentation ist hoch. Das Personal in vielen Apotheken ist jedoch ohnehin schon überlastet, sodass hier eine weitere Belastung droht. Ob die erhofften Mehreinnahmen diesen Aufwand rechtfertigen können, ist ebenfalls unklar.
Gleichzeitig erleben gesetzlich Versicherte kontinuierliche Beitragserhöhungen, die in erster Linie die steigenden Gesundheitsausgaben decken sollen. Diese finanzielle Mehrbelastung trifft in vielen Fällen auf Unverständnis, da die Versorgungsqualität in Deutschland eher stagniert als sich verbessert. Apotheker und Patienten sehen daher mit Sorge in die Zukunft: Die Ankündigungen von Reformen und die Realitäten des Gesundheitsalltags klaffen weiter auseinander. Während die Bundesregierung den nächsten Reformschritt zögert, wächst der Frust in der Bevölkerung, aber auch bei medizinischem Fachpersonal und Apothekern.
Die geplanten Reformen im Gesundheitssystem gleichen einem gigantischen Puzzle, bei dem immer mehr Teile fehlen. Karl Lauterbachs Zweifel an der Notwendigkeit einer Apothekenreform verdeutlichen, dass der Weg zur Gesundheitswende weiterhin unklar bleibt. Zwar sind die strukturellen Schwächen des Systems erkannt, doch anstatt klare Maßnahmen umzusetzen, geraten Reformen ins Stocken, die ursprünglich als wichtige Bausteine für ein modernes Gesundheitssystem galten.
Die Apothekenbranche, ohnehin finanziell stark beansprucht, sieht sich dabei zunehmend allein gelassen. Die Digitalisierung des Gesundheitssystems, das neue Cannabisgesetz und steigende Anforderungen an das Personal fordern hohe Anpassungsleistungen. Doch ohne eine verlässliche Reformpolitik wachsen Frustration und Resignation. Es stellt sich die Frage: Hat die Politik noch einen Plan, wie das Gesundheitssystem in eine stabile Zukunft geführt werden soll, oder bleibt es bei vagen Ideen? Klar ist, dass die Bevölkerung endlich Antworten braucht – und nicht noch mehr Zweifel.
Salzlösung in der Krise: Gesundheitsministerium greift zu Importmaßnahmen
Seit dem Frühjahr 2024 steht die Versorgung mit isotonischer Kochsalzlösung in Deutschland vor massiven Herausforderungen. Bereits im März meldeten betroffene Unternehmen wie Fresenius Kabi Lieferengpässe an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Als Hauptursache nannte Fresenius Kabi Probleme bei einem Zulieferer von Glasflaschen, welche für die Abfüllung der Lösungen unverzichtbar sind. Die Produktion erreicht ihre Kapazitätsgrenzen, was bedeutet, dass ausgefallene Mengen vorerst nicht kompensiert werden können. Die Belieferung erfolgt daher aktuell nur zu etwa 90 Prozent des durchschnittlichen Bedarfs der letzten Monate. Auch andere Packungsgrößen, wie die gängige 20x100 ml-Einheit, werden lediglich mit 80 Prozent der üblichen Menge an den Markt gebracht.
Besonders alarmierend ist, dass sich die Engpässe mittlerweile über Monate erstrecken und voraussichtlich bis Jahresende anhalten könnten. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) unter der Leitung von Minister Karl Lauterbach (SPD) reagierte darauf mit einem Maßnahmenpaket, das unter anderem die Nutzung von Importen vorsieht. Das BfArM hat in diesem Zusammenhang Genehmigungen erteilt, die den temporären Import fremdsprachig gekennzeichneter Kochsalzlösungen ermöglichen. So dürfen Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken inzwischen Produkte aus Schweden, Dänemark und den USA beziehen, um die Versorgungslücke zu überbrücken. Diese Maßnahme soll sicherstellen, dass wichtige medizinische Anwendungen wie Infusionen und Wundspülungen weiterhin abgedeckt werden können.
Einige Bundesländer, darunter Niedersachsen, haben ebenfalls auf die Krise reagiert und erlauben Ausnahmen vom Arzneimittelgesetz, um die Einfuhr und das Inverkehrbringen von Kochsalzlösungen flexibler zu gestalten. Seit Ende September berichtet nun auch der Hersteller B. Braun von Engpässen bei seiner isotonischen Natriumchloridlösung 0,9 Prozent Braun, die auf Probleme beim Wirkstoffhersteller zurückzuführen seien.
Die langwierigen Versorgungsprobleme lenken den Blick auf die Fragilität von Lieferketten im medizinischen Sektor. Ein Ausfall auf Zuliefererseite kann bereits für eine landesweite Knappheit sorgen, die selbst mit hohem Verwaltungsaufwand und Unterstützung der Regierung schwer zu kompensieren ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob strategische Maßnahmen zur Produktionssicherung und die Diversifizierung von Lieferanten im Gesundheitswesen dringend erforderlich sind, um künftigen Versorgungsengpässen vorzubeugen.
Die aktuelle Knappheit an Kochsalzlösungen ist ein Alarmzeichen für die Gesundheitsversorgung in Deutschland. Wenn essenzielle Produkte wie diese aufgrund von Lieferproblemen knapp werden, zeigt dies die Verwundbarkeit der medizinischen Infrastruktur. Der schnelle Einsatz von Importregelungen ist zwar ein pragmatischer Schritt, verdeutlicht jedoch, wie dringend das Land eine nachhaltigere Lösung benötigt. Die Bundesregierung ist nun gefordert, Versorgungssicherheit zu priorisieren und Lieferketten resilienter zu gestalten. In einer zunehmend globalisierten und angespannten Marktlage sollte Deutschland verstärkt in eine robuste, heimische Produktion investieren, um Versorgungslücken vorzubeugen und die medizinische Versorgung auch in Krisenzeiten zu sichern.
Neufassung der Adipositas-Leitlinie: Mehr Prävention, digitale Ansätze und gezielte Pharmakotherapie
Nach einem Jahrzehnt wurde die Leitlinie zur Adipositastherapie und -prävention in Deutschland umfassend aktualisiert. Die Leitlinie, die sich an Ärzte, Fachpersonal und Betroffene richtet, stellt klar: Die Bekämpfung von Übergewicht und Adipositas erfordert ein multidisziplinäres Vorgehen, das Ernährung, Bewegung und Verhalten umfasst. Neu aufgenommen wurden unter anderem Kapitel zur digitalen Gesundheitsunterstützung und zum Umgang mit gesellschaftlicher Stigmatisierung, während die medizinische Behandlung durch neue Medikamente gestärkt wird.
Wie in der vorherigen Version bleibt die Definition der Adipositas über den Body-Mass-Index (BMI) bestehen. Menschen mit einem BMI über 25 kg/m² gelten als übergewichtig, während ab einem BMI von 30 kg/m² Adipositas diagnostiziert wird. Zentral für das Gewichtsmanagement ist laut Leitlinie die Kombination aus Ernährungsumstellung, regelmäßiger Bewegung und psychologischer Verhaltensunterstützung. Besonders die Ernährungsleitlinien wurden erheblich vertieft: Die tägliche Energieaufnahme sollte um 500 bis 600 Kalorien unter dem individuellen Bedarf liegen, um eine wöchentliche Gewichtsabnahme von etwa 0,5 Kilogramm zu ermöglichen. Dabei gibt es keine einheitlich optimale Diätform. Vielmehr sollten die Betroffenen eine Ernährungsweise wählen, die ihren Vorlieben und Lebensgewohnheiten entspricht. Die Leitlinie hebt eine Reihe evidenzbasierter Diäten hervor, darunter fettreduzierte und kohlenhydratreduzierte Kost, die 10-Regeln-Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die mediterrane Diät, vegetarische oder vegane Ernährung sowie intermittierendes Fasten. Beim Fasten sind verschiedene Varianten möglich, wie das 2:5- oder das „Alternate-Day“-Modell, wobei Tage mit reduzierter Kalorienaufnahme im Wechsel mit normalen Esstagen stehen.
Für Menschen mit starkem Übergewicht (BMI über 30 kg/m²) kann eine stärker kalorienreduzierte Diät auf 800 bis 1200 kcal pro Tag indiziert sein. Diese Form der „very low calorie diet“ (VLCD) ist auf maximal zwölf Wochen begrenzt und sollte unter ärztlicher Aufsicht erfolgen, da sie ein umfangreiches Monitoring und gegebenenfalls eine Anpassung der Medikamentendosierung erfordert. Zudem sind einige Risikogruppen wie schwangere Frauen, Patienten mit schweren Herz-, Leber- oder Nierenerkrankungen sowie ältere, gebrechliche Personen von einer solchen drastischen Kalorienreduktion ausgeschlossen.
Digitale Tools gewinnen zunehmend an Bedeutung und wurden erstmals als eigenes Kapitel in die Leitlinie aufgenommen. Hierzu zählen Wearables und Abnehm-Apps, die eine einfache Selbstüberwachung von Kalorienzufuhr und Aktivitätslevel ermöglichen. Die Autoren der Leitlinie warnen jedoch, dass zwischen geprüften digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) und kommerziellen Lifestyle-Apps klar unterschieden werden muss, da nur DiGA-Produkte vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) reguliert werden. Während digitale Hilfsmittel die Gewichtsreduktion unterstützen können, ersetzen sie keine persönliche Betreuung durch qualifiziertes Personal. Die Leitlinie sieht jedoch Potenzial in telefonischen oder internetbasierten Interventionen, die bei geeigneter Umsetzung eine vergleichbare Unterstützung zur persönlichen Beratung bieten können.
Ein weiteres zentrales Thema der Neufassung ist die Stigmatisierung, der adipöse Menschen ausgesetzt sind. Die Leitlinie beschreibt, wie tiefgreifend und allgegenwärtig das Problem ist – sowohl im Alltag als auch innerhalb des Gesundheitssystems. Studien belegen, dass stigmatisierende Erlebnisse zu einem Vermeidungsverhalten führen können, sodass Betroffene weniger häufig zu Vorsorgeuntersuchungen oder Arztbesuchen gehen. Die Autoren der Leitlinie fordern daher, dass die medizinische Ausbildung um Inhalte ergänzt wird, die zu einem sensibleren und wertfreien Umgang mit adipösen Patienten anleiten sollen.
Im Bereich der Pharmakotherapie ist die Aufnahme neuer Medikamente wie GLP-1-Agonisten ein weiterer wichtiger Schritt in der Behandlung von Adipositas. Wirkstoffe wie Semaglutid und Liraglutid haben in Studien eine signifikante Gewichtsreduktion bewirkt und werden daher für Patienten ab einem BMI von 27 kg/m² (bei zusätzlichen Risikofaktoren) oder 30 kg/m² empfohlen. Die Wirkung der GLP-1-Agonisten, die das Sättigungsgefühl fördern und den Blutzuckerspiegel regulieren, könnte durch den neu zugelassenen Wirkstoff Tirzepatid, der zusätzlich an GIP-Rezeptoren wirkt, weiter verstärkt werden. Auch ohne weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren kann Orlistat ab einem BMI von 28 kg/m² verschrieben werden. Die Leitlinie betont jedoch, dass Pharmakotherapie nur in Kombination mit der multimodalen Basistherapie aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie angewendet werden soll. Eine feste zeitliche Begrenzung ist für die Behandlung nicht vorgesehen, jedoch wird eine regelmäßige Erfolgskontrolle empfohlen.
Ein klares Votum gibt die Leitlinie gegen den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln, Medizinprodukten und homöopathischen Mitteln ohne nachgewiesene Wirksamkeit ab. Auch Präparate wie Madar und Fucus vesiculosus werden nicht empfohlen.
Die neue Leitlinie zur Adipositastherapie setzt wegweisende Akzente und zeigt die Bedeutung eines ganzheitlichen Ansatzes. Längst geht es bei der Behandlung nicht mehr nur um das "Kampfgewicht", sondern auch um das seelische Wohl und den gesellschaftlichen Umgang mit Betroffenen. Adipositas ist eine Krankheit, die in den Köpfen vieler noch zu oft als persönliches Versagen abgetan wird. Hier setzt die Leitlinie wichtige Impulse und erinnert daran, dass stigmatisierende Strukturen nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch im Gesundheitswesen abgebaut werden müssen.
Die Integration digitaler Angebote ist ein notwendiger Fortschritt. Die Leitlinie erkennt das Potenzial von E-Health-Maßnahmen, etwa durch Apps und Wearables, und betont dennoch die Unersetzbarkeit einer qualifizierten persönlichen Betreuung. Es bleibt eine wichtige Aufgabe der Gesundheitspolitik und der Versorgung, digitale Unterstützung und persönliche Fürsorge zu verbinden, damit sie die Betroffenen optimal erreichen.
Letztlich ist Adipositas eine vielschichtige Herausforderung, die mehr als eine einzelne Lösung erfordert. Die neuen Erkenntnisse und Empfehlungen zeigen, dass keine Diät oder ein Medikament alle Menschen anspricht. Die Vielfalt der vorgeschlagenen Ansätze, die individuelle Präferenzen berücksichtigen, lässt Betroffene jedoch eigenverantwortlich und informiert wählen, was für sie am besten passt.
Boehringer Ingelheim kritisiert langsame Umsetzung des Gesundheitsdatengesetzes – Reformbedarf beim AMNOG
Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim fordert eine zügigere Umsetzung des Gesetzes zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten in Deutschland. Dieses Gesetz, das seit März 2024 in Kraft ist, soll der Pharmabranche den Zugang zu anonymisierten Gesundheitsdaten erleichtern, um Forschung und klinische Studien zu stärken. Boehringers Deutschlandchef Fridtjof Traulsen erklärte am Forschungsstandort Biberach, dass das Gesetz grundsätzlich ein wichtiger Schritt für den Standort Deutschland sei, allerdings komme der Zugang zu den Daten viel zu langsam in Gang. Es wird erwartet, dass erste Anträge auf Datennutzung frühestens im Frühjahr 2025 möglich sein werden.
Länder wie Großbritannien, Dänemark und das Baltikum haben vergleichbare Maßnahmen bereits vor Jahren implementiert und sind somit im Wettbewerb um Forschungsinvestitionen im Vorteil. Deutschland, so Traulsen, müsse dringend aufholen, wenn es auf internationaler Ebene konkurrenzfähig bleiben wolle. Der schnelle Zugang zu Gesundheitsdaten sei eine entscheidende Grundlage, um Innovationen und Entwicklungen voranzutreiben und Patienten frühzeitiger mit modernen Therapien versorgen zu können.
Zusätzlich sieht Boehringer Ingelheim Änderungsbedarf beim Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), das die Preisgestaltung neuer Medikamente regelt. Das Gesetz, das seit 15 Jahren in Kraft ist, orientiert sich bei der Nutzenbewertung neuer Arzneien an großen Patientenkohorten. Diese Methode sei jedoch nicht mehr zeitgemäß, sagte Traulsen, da sich Therapien zunehmend in Richtung individualisierter Behandlungsansätze entwickeln. Es bedürfe einer Modernisierung des AMNOG, die den wissenschaftlichen Fortschritt und die neuen Möglichkeiten personalisierter Medizin besser berücksichtigt.
Traulsen äußerte sich auch zu den aktuellen Lieferengpässen, die vor allem ältere, patentfreie Medikamente betreffen. Diese Engpässe seien die Folge gesunkener Preise und strenger Rabattverträge, was zu einer sinkenden Rentabilität für Generikahersteller in Europa führe. Dadurch hätten sich viele Anbieter aus dem Markt zurückgezogen. Traulsen warnte, dass solche Versorgungsprobleme auch bei innovativen Medikamenten entstehen könnten, falls die Bedingungen für die Hersteller nicht wirtschaftlich tragbar bleiben. Die Balance zwischen Preisregulierung und Versorgungssicherheit müsse gewährleistet werden, um langfristig eine stabile Versorgung mit Medikamenten in Europa sicherzustellen.
Boehringer Ingelheims Kritik an der schleppenden Umsetzung des Gesundheitsdatengesetzes sowie die Forderung nach Reformen beim AMNOG spiegeln zentrale Probleme des Pharmastandorts Deutschland wider. Die Einführung eines Gesetzes zur Nutzung von Gesundheitsdaten ist zweifellos ein wichtiger Schritt, jedoch droht Deutschland erneut durch Bürokratie ausgebremst zu werden. Ein Gesetz allein genügt nicht, wenn seine Umsetzung nicht zeitnah erfolgt. Die Verzögerungen könnten das Land im globalen Wettbewerb um Forschungsinvestitionen zurückwerfen und das Potenzial der deutschen Pharmabranche schwächen.
Der Reformbedarf beim AMNOG ist ebenso unübersehbar. Der Fokus auf große Kohorten widerspricht den Entwicklungen hin zu personalisierten Therapien, die spezifische Lösungen für individuelle Patienten ermöglichen. Wenn Deutschland nicht auf diese Veränderungen reagiert, drohen Patientengruppen den Anschluss an medizinische Fortschritte zu verlieren. Eine Modernisierung des Gesetzes ist unvermeidlich, um die Markteinführung innovativer Medikamente zu fördern und den Standort für die Forschung zu stärken.
Die Problematik der Lieferengpässe, die Traulsen anspricht, zeigt ein weiteres Dilemma: Während Sparmaßnahmen bei Generika wirtschaftlich nachvollziehbar sein mögen, gefährden sie auf lange Sicht die Versorgungssicherheit. Die Herausforderung besteht darin, ein Preisniveau zu finden, das sowohl wirtschaftlich tragbar ist als auch den langfristigen Zugang zu essenziellen Medikamenten sichert.
HER3 im Visier: Patritumab-Deruxtecan zeigt vielversprechende Ergebnisse in der Krebsforschung
In der Krebsforschung zeichnet sich ein neuer therapeutischer Ansatz ab, der HER3 als Zielstruktur adressiert. Bislang sind zielgerichtete Therapien bekannt, die sich auf HER2 stützen. Mit Patritumab-Deruxtecan könnte jedoch erstmals eine gegen HER3 gerichtete Behandlung Realität werden, was eine bedeutende Erweiterung der Therapiemöglichkeiten für bestimmte Patientengruppen verspricht. Hersteller Daiichi Sankyo und MSD meldeten kürzlich positive Studienergebnisse bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC), die bereits eine EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor-Therapie (TKI) durchlaufen haben.
Patienten mit metastasiertem, EGFR-mutiertem NSCLC sehen sich oft einer begrenzten Zweitlinientherapie gegenüber, wenn es nach der initialen Behandlung zur Krankheitsprogression kommt. Studien zufolge zeigen rund 90 Prozent dieser Tumoren eine Expression von HER3, die mit einer schlechteren Prognose verbunden ist. Ein gezielter therapeutischer Angriff auf HER3 könnte somit eine wirksame Alternative bieten. Hier setzt Patritumab-Deruxtecan an: Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) besteht aus dem HER3-Antikörper Patritumab und dem zytotoxischen Wirkstoff Deruxtecan, einem Topoisomerase-I-Inhibitor, welcher nach der Bindung an die Tumorzelle freigesetzt wird und die Zelle zur Apoptose bringt.
In der Phase-III-Studie HERTHENA-Lung02 konnte das Medikament den primären Wirksamkeitsendpunkt des progressionsfreien Überlebens erreichen. Gegenüber der bisherigen Standardtherapie, einer Kombination aus Platin-basiertem Chemotherapeutikum und Pemetrexed, zeigte Patritumab-Deruxtecan eine signifikant verbesserte Krankheitskontrolle. Ausführliche Studienergebnisse sollen demnächst im Rahmen einer Fachtagung vorgestellt werden.
Patritumab-Deruxtecan wird zudem in einer Phase-II-Studie unter dem Titel HERTHENA-PanTumor01 für verschiedene fortgeschrittene Tumorarten getestet, darunter Melanome sowie Magen- und Kopf-Hals-Karzinome. Die Untersuchung an zehn soliden Tumorentitäten könnte das Einsatzspektrum des ADC erheblich erweitern und HER3 als therapeutisches Ziel in der Onkologie neu etablieren.
Die Fortschritte mit Patritumab-Deruxtecan könnten die Krebstherapie revolutionieren. Während HER2 bereits ein lang erforschtes Ziel ist, liegt HER3 noch weitgehend im therapeutischen Dunkel. Die Studienergebnisse unterstreichen das Potenzial von HER3 als wertvolles Ziel und die Notwendigkeit neuer Ansätze für Patienten mit begrenzten Behandlungsoptionen. Sollten die umfassenden Daten aus den HERTHENA-Studien weiter überzeugende Resultate zeigen, könnte Patritumab-Deruxtecan den Weg ebnen für eine neue Generation von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten.
Krebspatienten, die an Therapieresistenz leiden, eröffnet dies eine dringend benötigte Perspektive.
Corona-Saison 2024: Hohe Infektionszahlen und die neuen Herausforderungen für Deutschland
Mit dem Herbst steigen nicht nur die Temperaturen, sondern auch die Zahl der Atemwegserkrankungen in Deutschland. Aktuelle Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) belegen eine Zunahme von Infektionen, bei denen das Coronavirus wieder eine bedeutende Rolle spielt. Allein in der Woche vom 14. Oktober wurden dem RKI 11.580 laborbestätigte Corona-Fälle gemeldet. Dies entspricht einer Infektionsrate von 900 Fällen pro 100.000 Einwohnern. Der RKI-Report unterstreicht außerdem, dass sich das allgemeine Infektionsgeschehen auf einem ungewöhnlich hohen Niveau befindet, das laut Experten auch für die kommenden Jahre erwartet werden könnte. Neben dem Coronavirus sind derzeit auch Rhinoviren häufig Ursache für Atemwegsinfekte.
Ein Blick auf die Situation in den Arztpraxen zeigt ein verändertes Bild im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie. Immunologe Professor Dr. Carsten Watzl betont, dass die Infektionszahlen im Herbst und Winter heute im Schnitt etwa zehn Prozent der Bevölkerung betreffen – eine signifikante Steigerung, die maßgeblich auf die dauerhafte Präsenz des Coronavirus zurückzuführen ist. „Es ist zu erwarten, dass sich das Coronavirus als ständiger Atemwegserreger etabliert hat und jährlich hohe Infektionszahlen verursacht“, so Watzl.
Parallel dazu haben sich die krankheitsbedingten Arbeitsausfälle spürbar erhöht. Eine Auswertung der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt, dass sich die Fehltage aufgrund von Atemwegserkrankungen im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie beinahe verdoppelt haben. Während erwerbstätige Versicherte 2019 durchschnittlich 1,4 Tage aufgrund einer Erkältung krankgeschrieben waren, liegt der Durchschnitt im ersten Halbjahr 2024 bereits bei 2,3 Tagen. Auch andere Krankenkassen melden steigende Zahlen bei Krankschreibungen: Bei Barmer-Versicherten waren Ende September 29,5 von 1000 Personen wegen einer Atemwegsinfektion krankgeschrieben, verglichen mit rund 13,6 Personen im Jahr 2019.
Die aktuelle Corona-Saison bringt aber auch neue Varianten des Virus mit sich, die für eine beschleunigte Ausbreitung sorgen. Im Fokus stehen derzeit die Omikron-Sublinien XEC und KP.3.1.1, die laut RKI-Daten mittlerweile einen großen Anteil der Infektionen ausmachen. Diese Varianten verbreiten sich schneller, führen jedoch meist nicht zu schwereren Verläufen. Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sowie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzen das Risiko für die öffentliche Gesundheit weiterhin als gering ein. Trotz der raschen Verbreitung bleibt das Infektionsrisiko für die meisten Menschen im Vergleich zu den Pandemiejahren deutlich reduziert.
Professor Watzl rät weiterhin zu Vorsichtsmaßnahmen, insbesondere für vulnerable Gruppen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt Risikogruppen und Menschen ab 60 Jahren eine Auffrischungsimpfung. Doch die Impfbereitschaft hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Laut Watzl sei es wichtig, das Bewusstsein für die Schutzmaßnahmen aufrechtzuerhalten, um die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen weiterhin zu schützen. Darüber hinaus bleibt das freiwillige Tragen von Masken in öffentlichen Innenräumen und das Abstandhalten eine effektive Maßnahme zur Infektionsvermeidung.
Experten gehen davon aus, dass die Zahlen bis Weihnachten weiter ansteigen werden. Besonders betroffen sind vulnerable Personen wie ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Auf den Intensivstationen könnte es daher erneut zu einer Zunahme schwerer Verläufe kommen. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Lage ab dem Jahreswechsel wieder entspannter sein könnte, ähnlich wie es bereits in den vergangenen Jahren der Fall war. Die Corona-Saison 2024 bringt damit einerseits Routine, andererseits aber auch die Notwendigkeit, weiterhin die richtigen Schutzmaßnahmen zu treffen.
Mit den Erfahrungen der letzten Jahre und den aktuellen Entwicklungen ist klar: Corona bleibt, aber der Schrecken der Pandemie verblasst. Die Zahlen zeigen, dass das Virus nun zu einer weiteren, wenn auch hartnäckigen, Atemwegserkrankung geworden ist. Für die meisten Menschen ist eine Infektion nicht mehr bedrohlich, und die Gesundheitssysteme sind auf solche Wellen besser vorbereitet. Doch gerade für Risikogruppen bleibt die Bedrohung real.
Es wird daher entscheidend sein, dass wir den Fokus auf präventive Maßnahmen und Impfungen für besonders gefährdete Gruppen legen. Die STIKO-Empfehlungen zur Auffrischungsimpfung sind hier der richtige Weg, um die Menschen zu schützen, die ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe haben. Doch das Bewusstsein für diese Notwendigkeit scheint abzunehmen, und das trotz steigender Infektionszahlen.
Diese Corona-Saison zeigt uns: Routine darf nicht zu Sorglosigkeit führen. Zwar ist eine gewisse Entspannung gerechtfertigt, aber die Bereitschaft, die nötigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, bleibt zentral. Masken und Impfungen sind einfache, aber wirkungsvolle Instrumente, um vulnerable Gruppen zu schützen. Bleiben wir wachsam – auch wenn das Virus nicht mehr das gleiche Bedrohungspotential wie vor wenigen Jahren hat.
MicroRNA – Fortschritte in der Tumordiagnostik und neue Chancen für die Krebsmedizin
Die Rolle der MicroRNA (miRNA) als Schlüsselmolekül in der Krebsforschung gewinnt stetig an Bedeutung. Diese kleinen RNA-Moleküle, die nicht für Proteine kodieren, übernehmen wichtige regulatorische Funktionen im Genom und beeinflussen so Zellwachstum, Differenzierung und den programmierten Zelltod (Apoptose). Studien zeigen, dass miRNAs an rund 60 Prozent der protein-kodierenden Gene im menschlichen Genom beteiligt sind, und ihr Einfluss auf die Tumorbiologie ist enorm. Für die Entdeckung und Erforschung dieser Moleküle wurden die US-Wissenschaftler Victor Ambros und Gary Ruvkun in diesem Jahr mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet.
Besondere Aufmerksamkeit in der Onkologie gilt den miRNAs als Biomarker und Zielstrukturen für neue therapeutische Ansätze. Seit ihrer Entdeckung konnte ein direkter Zusammenhang zwischen verschiedenen miRNAs und der Entstehung von Tumoren festgestellt werden. Erste Hinweise fanden Forscher 2002 bei der chronischen lymphatischen Leukämie, bei der zwei Tumorsuppressor-miRNAs, miR-15 und miR-16, oft fehlen. Heute wissen Wissenschaftler, dass ganze Gruppen von miRNAs entweder in abnormal hohen Mengen vorhanden sind oder fehlen – häufig ein Kennzeichen für das Vorliegen bestimmter Krebserkrankungen. Diese Moleküle gelten daher als potenziell präzise Biomarker für die Diagnostik und Prognose von Tumoren.
Aktuelle Forschungsprojekte bestätigen das Potenzial der miRNA-Technologie. So untersucht ein Team unter der Leitung von Professor Dr. Kerstin Junker am Universitätsklinikum des Saarlandes die Möglichkeit, über eine miRNA-Signatur das Voranschreiten aggressiver Blasentumoren präziser zu diagnostizieren. Ziel ist es, unnötige und belastende Eingriffe wie Organentfernungen zu vermeiden. Auch im Hinblick auf die Bestimmung der Therapieantwort gibt es zahlreiche Studien, da bestimmte miRNAs die Resistenz gegen Chemotherapien beeinflussen. Die Hoffnung ist, dass Patienten durch gezielte miRNA-Profile früher die für sie bestmögliche Therapie erhalten.
Doch die Entwicklung von miRNA-Therapien ist anspruchsvoll. Der vielversprechende Wirkstoff MRX34, ein synthetisches Mimetikum von miR-34a, wurde aufgrund immunvermittelter Nebenwirkungen, die zu Todesfällen führten, vorzeitig aus Studien zurückgezogen. Die Toxizität externer miRNA-Moleküle bleibt eine große Herausforderung, da eine ungewollte Schädigung von gesundem Gewebe schwerwiegende Konsequenzen haben kann. Verbesserte Verabreichungssysteme, die die Moleküle gezielt zu den Tumorzellen bringen, sind derzeit in der Entwicklung und könnten die Sicherheit dieser Therapien erhöhen.
Der Einsatz von miRNA-Inhibitoren ist ebenfalls Gegenstand intensiver Forschung. Der Hemmstoff Cobomarsen (MRG-106), der gegen die onkogene miR-155 gerichtet ist, zeigte in einer frühen Studie positive Ergebnisse bei Lymphomen. Trotzdem bleibt die Suche nach sicheren, effektiven miRNA-Medikamenten mit dem richtigen Wirkspektrum eine Herausforderung. Experten schätzen, dass die miRNA-Forschung das Potenzial hat, Krebserkrankungen genauer zu diagnostizieren und Behandlungen gezielter und personalisierter zu gestalten – bis dahin jedoch noch große Hürden überwunden werden müssen.
Die Fortschritte bei der Erforschung von MicroRNAs eröffnen neue Möglichkeiten in der Krebsmedizin, sowohl in der Diagnose als auch in der Therapie. Dennoch zeigt das Scheitern erster klinischer Studien, dass der Weg zur sicheren Anwendung lang und komplex ist. Die präzise Steuerung und Reduzierung toxischer Effekte ist eine enorme Herausforderung, die sowohl Kreativität als auch technologische Durchbrüche in der Arzneimittelentwicklung erfordert. MicroRNAs könnten künftig einen Meilenstein in der personalisierten Krebsbehandlung setzen, doch müssen Risiken minimiert und zielgerichtete Methoden entwickelt werden, um die Balance zwischen Wirkung und Nebenwirkungen zu meistern.
Glücksspiel: Eine unterschätzte Gefahr für die öffentliche Gesundheit
Eine kürzlich veröffentlichte Studie im renommierten Fachjournal »The Lancet« schlägt Alarm: Glücksspiel stellt eine weitreichende Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar. Eine internationale Expertenkommission, bestehend aus Fachleuten in den Bereichen Glücksspielforschung, öffentliche Gesundheit und globale Gesundheitspolitik, hebt hervor, dass die Schäden durch Glücksspielsucht weitaus gravierender sind als bisher angenommen. Dem Bericht zufolge gefährdet pathologisches Spielen nicht nur die mentale und körperliche Gesundheit, sondern zerstört auch familiäre und soziale Strukturen, fördert finanzielle Probleme, Kriminalität sowie häusliche Gewalt und kann zur Arbeitslosigkeit führen.
Eine der Hauptursachen für die verschärfte Lage ist die digitale Verfügbarkeit von Glücksspielen. »Durch ein Smartphone hat heute jeder rund um die Uhr Zugang zu einem Casino in der eigenen Tasche«, erklärt Professor Dr. Heather Wardle von der Universität Glasgow, Co-Vorsitzende der Kommission. Die Nutzung digitaler Glücksspielangebote wie Online-Casinos und Sportwetten steigt rapide an, was den Kreis der potenziell Betroffenen deutlich erweitert. Der Bericht zeigt auf, dass fast 450 Millionen Menschen weltweit durch Glücksspielverhalten negativ beeinflusst sind, darunter etwa 80 Millionen, die an ernsthaften Störungen leiden.
Auch in Deutschland ist das Phänomen alarmierend: Der »Glücksspielatlas Deutschland 2023« weist aus, dass 30 Prozent der Bevölkerung regelmäßig spielen. Rund 1,3 Millionen Menschen kämpfen mit pathologischem Spielen, weitere 3 Millionen sind von problematischem Spielverhalten betroffen. Die Nachfrage nach ambulanten Hilfsangeboten ist dabei besonders bei Nutzern digitaler Glücksspielangebote gestiegen.
Doch die Problematik betrifft nicht nur Erwachsene. Kinder und Jugendliche werden zunehmend durch Werbung und die Verknüpfung von Glücksspielmechanismen in Videospielen an diese Praxis herangeführt. »Kinder und Jugendliche sind besonders empfänglich für die spielerischen Elemente und die Aussicht auf leichte Gewinne«, erklärt Dr. Kristiana Siste von der Universität Indonesia. Die Werbung vermittle oft das Bild einer harmlosen Freizeitbeschäftigung, die das Bewusstsein für die Risiken verschleiere.
Der Bericht fordert daher einen internationalen Schulterschluss, um strengere Regulierungen für die Glücksspielindustrie durchzusetzen. »Glücksspiel muss als ernstes Gesundheitsproblem betrachtet werden, ähnlich wie Alkohol- oder Tabakkonsum«, fordert Professor Dr. Malcolm Sparrow von der Harvard Kennedy School. Neben besseren Präventionsprogrammen seien verstärkte Aufklärungskampagnen notwendig, die über die Risiken und Suchtgefahren informieren. Auch müsse der Zugang für gefährdete Gruppen reduziert werden, während ein flächendeckendes Behandlungsangebot für Betroffene bereitgestellt werden sollte. Die global vernetzte Glücksspielbranche setze verstärkt auf digitale Marketingstrategien und erfordere deshalb eine ebenso koordinierte Reaktion.
Die Kommission betont, dass das Problem besonders sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen stark betrifft, da diese weniger über finanzielle Mittel und adäquate Hilfe verfügen. Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen sind zudem oft nicht ausreichend ausgestattet, um die wachsende Glücksspiellandschaft angemessen zu regulieren und den resultierenden sozialen Folgen entgegenzuwirken. Angesichts der Zunahme digitaler Angebote und der allgegenwärtigen Präsenz von Glücksspielwerbung sei die Zeit zum Handeln längst gekommen, mahnen die Experten.
Es ist Zeit, die Gesundheitsbedrohung durch Glücksspiel endlich als ernstzunehmendes Problem zu verstehen und entsprechend zu handeln. Während die Glücksspielindustrie durch gezielte Marketingstrategien weiter expandiert, fehlt es den Gesundheitssystemen vieler Länder an Mitteln, um die langfristigen sozialen und gesundheitlichen Schäden wirksam zu bekämpfen. Besonders schockierend ist der Einfluss auf junge Menschen, die durch Werbung und Mechanismen in digitalen Spielen frühzeitig an Glücksspiel herangeführt werden.
Der digitale Wandel bietet zwar Chancen, birgt jedoch auch große Risiken: Nie war es einfacher, jederzeit und überall zu spielen, was das Einstiegsalter senkt und die Suchtgefahr erhöht. Eine neue, umfassende Präventionsstrategie muss daher den Schutz vulnerabler Gruppen sowie die Aufklärung und Behandlung von Betroffenen in den Vordergrund rücken. Ohne konsequente Regulierung drohen Millionen Menschen, vor allem aus sozial schwächeren Schichten, dem Glücksspiel und seinen verheerenden Folgen zum Opfer zu fallen. Das Gesundheitssystem kann es sich nicht leisten, die anstehende Herausforderung zu ignorieren.
Von Engin Günder, Fachjournalist