Insolvenz aus der Deckung holen: Apotheken in wirtschaftlicher Bedrängnis
Die wirtschaftliche Realität in der Apothekenlandschaft ist ernüchternd: Zwischen 40 und 50 Apotheken mussten allein im vergangenen Jahr in Deutschland Insolvenz anmelden. Diese Zahl nannte der Stuttgarter Fachanwalt für Insolvenzrecht Dr. Markus Rohner beim diesjährigen Apothekenrechttag und machte damit ein Tabuthema zum Schwerpunkt seiner Analyse. Viel zu selten werde offen über finanzielle Schieflagen gesprochen, obwohl der ökonomische Druck für viele Betriebe spürbar sei und zusehends existenzbedrohende Ausmaße annehme.
Rohner schilderte eindrücklich, dass die Dunkelziffer deutlich höher liege. Viele Apotheken würden still und ohne großes Aufsehen schließen, häufig durch stille Liquidationen oder freiwillige Geschäftsaufgaben. Der Weg in die Regelinsolvenz werde dagegen selten beschritten – nicht zuletzt, weil die Scham, das Ansehen in der Kollegenschaft und im persönlichen Umfeld zu verlieren, tief sitze. „Die Insolvenz ist in der Apothekerschaft ein unausgesprochenes Schreckgespenst“, so Rohner. Dabei sei sie häufig weniger Ausdruck persönlicher Fehlentscheidungen als vielmehr Folge einer zunehmend systemischen Überlastung.
Ein zentraler Irrtum, mit dem Rohner aufräumte, ist der Glaube an die schützende Wirkung der GmbH. Zwar suggeriere die Gesellschaftsform eine Trennung zwischen Geschäfts- und Privatvermögen, doch in der Praxis sähen sich viele Inhaber mit privaten Bürgschaften, Mietverträgen oder Kreditverpflichtungen konfrontiert, die im Fall der Insolvenz sehr wohl durchschlagen. Gerade bei inhabergeführten Apotheken, die stark auf die persönliche Handschrift und finanzielle Beteiligung der Betreiber angewiesen seien, bestehe oft eine gefährliche Nähe zwischen geschäftlichem Risiko und privater Haftung.
Die wirtschaftliche Lage vieler Apotheken verschärft sich durch ein ganzes Bündel an Belastungsfaktoren. Stagnierende oder gedeckelte Honorare, zunehmende bürokratische Anforderungen, Lieferengpässe bei Arzneimitteln und ein sich zuspitzender Fachkräftemangel treiben viele Betriebe an ihre Belastungsgrenze. Hinzu kommen die Folgewirkungen der Pandemie und die Unsicherheiten rund um geplante Reformen, etwa die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angestoßene Apothekenstrukturreform. In der Summe führe dies zu einer Situation, in der viele Apotheken kaum noch wirtschaftlich tragfähig seien.
Oft werde zu lange gezögert, bevor externe Hilfe in Anspruch genommen werde. Frühindikatoren wie rückläufige Umsätze, gestiegene Außenstände oder eine zunehmende Überziehung von Kreditlinien würden ignoriert oder kleingeredet. Laut Rohner liegt genau hier die große Chance einer Insolvenz in der Eigenverwaltung oder eines Sanierungsverfahrens: Wer rechtzeitig handelt, kann nicht nur Arbeitsplätze sichern, sondern auch die eigene unternehmerische Existenz bewahren. Doch dazu müssten Apothekeninhaber lernen, wirtschaftliche Probleme nicht als persönliches Versagen zu betrachten, sondern als Teil eines strukturellen Gesamtproblems.
Im Publikum des Apothekenrechtstags stießen Rohners Ausführungen auf nachdenkliche Gesichter. Dass es sich bei der Insolvenz nicht um ein moralisches Urteil handelt, sondern um ein rechtliches Instrument zur Neuordnung, müsse viel stärker in das Bewusstsein der Branche rücken. Noch aber überwiegt die Tendenz zum Durchhalten – bis zur völligen Erschöpfung der finanziellen Ressourcen.
Dass das Thema Apothekeninsolvenz in der öffentlichen Debatte weitgehend ausgespart bleibt, ist Ausdruck eines tiefsitzenden Selbstbildes in der Branche. Der Apotheker als verlässlicher Gesundheitsversorger, als Unternehmer mit Verantwortung, als Institution vor Ort – all diese Rollen scheinen mit dem Begriff der Insolvenz unvereinbar. Doch diese Haltung ist nicht nur unzeitgemäß, sondern auch gefährlich.
Denn wer wirtschaftliche Realität ausklammert, beraubt sich der Möglichkeit zur Gestaltung. Eine Insolvenz ist kein Makel, kein gesellschaftliches Scheitern, sondern ein rechtlich geordnetes Verfahren zur Neuorientierung und möglicherweise zum Neuanfang. Gerade in einer Zeit, in der Apotheken durch politische Unsicherheit, mangelnde wirtschaftliche Perspektiven und strukturelle Reformstaus unter Druck stehen, braucht es ein neues Verständnis von unternehmerischem Risiko.
Was Dr. Rohner mit klaren Worten formuliert, zeigt eine unbequeme Wahrheit: Die GmbH als Schutzschild ist oft eine Illusion. Persönliche Haftungen und Bürgschaften unterlaufen den juristischen Trennungsmechanismus – und das wird allzu oft verdrängt. Auch die typische Apothekenstruktur – inhaberzentriert, personell knapp besetzt, wirtschaftlich auf Kante genäht – ist nur bedingt für nachhaltige Krisenresilienz geeignet.
Es wäre falsch, von einer Insolvenzwelle zu sprechen, doch ebenso falsch ist es, das Thema weiterhin zu tabuisieren. Die Apothekenlandschaft verändert sich – und nicht jede Apotheke wird diesen Wandel wirtschaftlich überstehen. Die richtige Reaktion darauf wäre nicht Ignoranz, sondern Transparenz. Dazu gehört auch der Mut, über Alternativen wie die geordnete Betriebsaufgabe, den Zusammenschluss mit anderen Apotheken oder den Sanierungsplan offen zu diskutieren.
Statt Insolvenz als Ultima Ratio zu betrachten, sollte sie als Option unter vielen gesehen werden – nicht nur zur Rettung des eigenen Unternehmens, sondern auch als Beitrag zur Stabilisierung der Versorgungsstruktur. Denn letztlich geht es nicht nur um Zahlen und Bilanzen, sondern um eine sichere Arzneimittelversorgung in der Fläche. Und die kann nur gewährleistet werden, wenn wirtschaftliche Ehrlichkeit zur Norm wird.
Strategische Überlegungen für Apothekenbetreiber bei der Wahl von Versicherungsoptionen
In der komplexen Welt der Betriebsführung müssen Apothekenbetreiber viele wichtige Entscheidungen treffen, nicht zuletzt in Bezug auf ihre Versicherungspolicen. Die Wahl einer Kfz-Versicherung mit oder ohne Werkstattbindung kann hierbei exemplarisch für größere strategische Überlegungen stehen, die auch auf andere Geschäftsbereiche übertragbar sind. Werkstattbindung in der Kfz-Versicherung lockt mit niedrigeren Prämien, birgt jedoch auch Einschränkungen, die sorgfältig gegen die potenziellen Vorteile abgewogen werden müssen.
Für Apothekenbetreiber, die Dienstfahrzeuge für Lieferungen und Hausbesuche nutzen, könnte eine günstigere Versicherungsprämie durch Werkstattbindung attraktiv erscheinen. Jedoch ist zu bedenken, dass im Schadensfall die Wahl der Reparaturwerkstatt eingeschränkt ist. Dies kann zu logistischen Schwierigkeiten führen, besonders wenn die zugewiesenen Werkstätten weit vom Einsatzort oder der Apotheke entfernt sind. Die Zeit, die für den Transport zur Werkstatt und zurück benötigt wird, sowie mögliche längere Wartezeiten auf die Reparatur, könnten zu Betriebsunterbrechungen führen, die letztendlich die Servicequalität der Apotheke beeinträchtigen.
Zudem sollten Apothekenbetreiber bedenken, dass die Einsparungen bei den Versicherungsprämien durch potenzielle Mehrkosten aufgrund von schlechter Reparaturqualität zunichtegemacht werden können. Billigere oder nicht adäquat durchgeführte Reparaturen können zu häufigeren Ausfällen der Fahrzeuge führen, was wiederum die Betriebskosten langfristig erhöhen kann.
Die Entscheidung für oder gegen eine Werkstattbindung in Versicherungsverträgen sollte für Apothekenbetreiber nicht nur eine Frage der Kosten sein. Es ist essentiell, auch die langfristigen operativen und logistischen Implikationen zu berücksichtigen. Eine umfassende Bewertung der eigenen Betriebsabläufe und der geografischen Lage der Apotheke sowie der Partnerwerkstätten kann dabei helfen, eine informierte Entscheidung zu treffen, die die Betriebseffizienz und Kundenzufriedenheit langfristig sichert. Flexibilität und Zuverlässigkeit in der Fahrzeugwartung könnten sich als wertvoller erweisen als kurzfristige Einsparungen bei den Versicherungsprämien.
Falsche Versprechen: Ehemalige Berliner Apotheke als Kulisse für betrügerischen Online-Shop
Die ehemalige Bärliner Apotheke in Berlin Marzahn, die seit Mai letzten Jahres ihre Türen geschlossen hat, findet sich nun im Zentrum einer betrügerischen Machenschaft wieder. Die Webseite der Apotheke, einst ein Ankerpunkt für lokale Gesundheitsversorgung, wird jetzt für zweifelhafte Zwecke missbraucht. Laut der Verbraucherschutzorganisation Watchlist Internet hat sich hinter der Fassade der geschlossenen Apotheke ein Fake-Shop etabliert, der gezielt den guten Ruf der Einrichtung ausnutzt, um arglose Verbraucher zu täuschen.
Der Betrug funktioniert durch das Vorspielen einer vertrauenswürdigen Umgebung, in der Kunden dazu verleitet werden, Medikamente oder Gesundheitsprodukte zu scheinbar günstigen Preisen zu erwerben. Doch die vermeintlichen Angebote führen ins Leere – es gibt weder die Produkte noch die versprochenen Schnäppchen. „Es handelt sich um Betrug. Kriminelle versuchen Ihnen beim Online-Shopping das Geld aus der Tasche zu ziehen“, warnt Watchlist Internet. Diese Taktik ist besonders perfide, da sie nicht nur finanziellen Schaden anrichtet, sondern auch das Vertrauen in den Online-Handel ernsthaft untergräbt.
Die Behörden, darunter die Polizei und Verbraucherschutzämter, sind bereits aktiv geworden, um den Fall zu untersuchen und die Betreiber des Fake-Shops zur Rechenschaft zu ziehen. Der Fall wirft jedoch größere Fragen zur Sicherheit und Regulierung von Online-Plattformen auf, insbesondere in Branchen, die so sensibel und wichtig sind wie die Pharmazie.
Der Missbrauch der Webseite einer ehemaligen Apotheke für betrügerische Zwecke stellt eine ernste Bedrohung für das Vertrauen der Verbraucher in den Online-Handel dar. Dieser Vorfall ist ein klares Beispiel dafür, wie niedrig die Hemmschwelle für Betrüger geworden ist, die sich hinter dem Schleier der Anonymität des Internets verstecken. Die Tatsache, dass eine geschlossene Apotheke als Front für illegale Aktivitäten genutzt wird, zeigt auf erschreckende Weise, wie Kriminelle bestehende Strukturen und das Vertrauen der Menschen ausnutzen, um Profit zu schlagen.
Es ist von höchster Wichtigkeit, dass solche Fälle nicht nur aufgedeckt und strafrechtlich verfolgt werden, sondern dass auch präventive Maßnahmen verstärkt werden. Dazu gehört die stärkere Überwachung und Regulierung von Online-Plattformen, besonders im Bereich des Verkaufs von Medikamenten und Gesundheitsprodukten. Verbraucher müssen darüber hinaus besser aufgeklärt und sensibilisiert werden, um die Zeichen eines Betrugs zu erkennen und entsprechend zu reagieren.
Dieser Fall sollte als Weckruf dienen, um die Sicherheitsprotokolle und Überwachungsmechanismen im Online-Handel zu überdenken und zu stärken. Nur durch eine Kombination aus regulatorischen Maßnahmen und bewusster Verbraucheraufklärung kann der Online-Handel zu einem sicheren Ort für alle Nutzer werden.
Digitale Offensive der Arzneimittelversender: Wie DocMorris und Redcare auf das E-Rezept als Wachstumsmotor setzen
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet unaufhaltsam voran – und zwei Unternehmen profitieren davon besonders: DocMorris und Redcare Pharmacy. Beide Arzneimittelversender haben in ihren aktuellen Geschäftszahlen unmissverständlich klargemacht, dass das E-Rezept inzwischen nicht nur ein technisches Werkzeug, sondern ein zentraler Wachstumsmotor ihres Geschäftsmodells ist. Mit strategischen Investitionen, neuen Kooperationen und dem massiven Ausbau digitaler Prozesse rüsten sich die Onlineapotheken für eine zunehmend digitale Arzneimittelversorgung.
DocMorris, das zur Schweizer Zur-Rose-Gruppe gehört, konnte seinen Umsatz im verschreibungspflichtigen Bereich deutlich steigern. Ausschlaggebend war dabei vor allem die wachsende Anzahl eingelöster E-Rezepte aus Deutschland. Der Konzern setzt auf ein integriertes Versorgungskonzept: Patientinnen und Patienten sollen nicht nur Medikamente bestellen, sondern im Idealfall auch telemedizinische Leistungen direkt über die Plattform in Anspruch nehmen können. Ziel ist eine digitale Patientenreise aus einer Hand – von der ärztlichen Konsultation über die Rezeptausstellung bis hin zur Arzneimittellieferung nach Hause.
Auch Redcare Pharmacy, vormals unter dem Namen Shop Apotheke Europe bekannt, positioniert sich als digitaler Gesundheitsanbieter. Das Unternehmen verzeichnete im vierten Quartal 2024 einen neuen Höchststand bei eingelösten E-Rezepten und spricht von einem "Durchbruch auf dem deutschen Markt". Für 2025 kündigt Redcare den weiteren Ausbau von Logistikzentren sowie den Einsatz automatisierter Kommissionier- und Verpackungssysteme an. Ein besonderer Fokus liegt zudem auf der App-Nutzung: Bereits heute wickeln viele Kunden ihre Rezeptbestellungen ausschließlich über mobile Anwendungen ab – eine Entwicklung, die weiter an Dynamik gewinnen dürfte.
Beide Unternehmen sehen sich durch die zunehmende Digitalisierung der Gesundheitsversorgung bestärkt. Die Einführung des E-Rezepts in der Regelversorgung in Deutschland habe gezeigt, dass viele Patientinnen und Patienten offen für digitale Lösungen seien – insbesondere, wenn sie Zeit sparen und den Zugang zu Medikamenten erleichtern. Gleichzeitig sehen sich DocMorris und Redcare nicht mehr nur als Arzneimittelversender, sondern als Gesundheitsplattformen mit erweiterten Angeboten. Dazu gehören etwa Medikationspläne, Erinnerungsfunktionen zur Einnahme sowie Angebote für chronisch Erkrankte, etwa im Bereich Diabetes oder Bluthochdruck.
Trotz der Erfolge sind die Herausforderungen beträchtlich. Der rechtliche Rahmen bleibt volatil: Das deutsche Apothekenrecht, das bislang auf eine flächendeckende Versorgung durch inhabergeführte Präsenzapotheken setzt, befindet sich im Wandel. Zwar dürfen Versandapotheken rezeptpflichtige Medikamente vertreiben, doch die politische Debatte über mögliche Einschränkungen – etwa durch Lieferverbote bei bestimmten Präparaten oder neue Datenschutzanforderungen – hält an. Zudem wird regelmäßig die Sorge geäußert, dass der Versandhandel zulasten kleiner Apotheken vor Ort wachsen könnte.
DocMorris und Redcare betonen, dass sie sich strikt an die gesetzlichen Vorgaben halten und einen fairen Wettbewerb unterstützen. Gleichzeitig warnen sie vor innovationsfeindlichen Eingriffen. Nur durch technologischen Fortschritt und effizientere Prozesse lasse sich die Gesundheitsversorgung langfristig sichern – insbesondere angesichts des demografischen Wandels, des Fachkräftemangels und der steigenden Zahl chronisch Kranker.
Die Wachstumsstrategien von DocMorris und Redcare zeigen, wie sich der Apothekenmarkt im Windschatten der Digitalisierung grundlegend verändert. Das E-Rezept ist dabei weit mehr als nur ein neues Formular – es ist ein Katalysator für ein ganzes Geschäftsmodell, das auf Prozessoptimierung, Skalierbarkeit und Patientenbindung über digitale Kanäle setzt. Die klassischen Apotheken geraten dadurch zunehmend unter Druck. Während vor Ort oftmals überbordende Bürokratie, knappe Personalkapazitäten und hohe Fixkosten den Handlungsspielraum einengen, können die Versandapotheken ihre Effizienzvorteile konsequent ausspielen.
Doch die Entwicklung wirft auch grundlegende Fragen auf. Wie lässt sich die Versorgungssicherheit in strukturschwachen Regionen garantieren, wenn immer mehr Rezepte in Logistikzentren landen? Was passiert mit dem niedrigschwelligen Zugang zur pharmazeutischen Beratung? Und wie lässt sich verhindern, dass sich der Arzneimittelmarkt in Richtung weniger, übermächtiger Plattformbetreiber verschiebt?
Die Politik steht vor einem Dilemma: Einerseits will sie die Digitalisierung vorantreiben – auch im Arzneimittelbereich. Andererseits ist sie den Apotheken vor Ort verpflichtet, die vielerorts ein unverzichtbarer Teil der medizinischen Grundversorgung sind. Die derzeitigen Reformvorschläge rund um das Apothekenrecht – etwa die sogenannte "Light-Apotheke" ohne vollumfängliche Leitung durch einen Apotheker – zeigen, wie stark der Veränderungsdruck bereits ist.
Während DocMorris und Redcare auf Effizienz, Automatisierung und digitale Kundenbindung setzen, bleibt das traditionelle Apothekenmodell stark personenbezogen und beratungsintensiv. Beide Systeme haben ihre Berechtigung – doch es braucht politische Weichenstellungen, um ein gesundes Gleichgewicht zu wahren. Ohne einen klaren ordnungspolitischen Rahmen droht eine Entwicklung, in der wirtschaftliche Skaleneffekte über Versorgungsqualität entscheiden. Ein Szenario, das zwar technologisch beeindruckt, aber gesellschaftlich nicht zwingend die besten Antworten liefert.
Gericht stoppt Almased-Kampagne mit Vorher-Nachher-Bildern
Der Hersteller des Abnehmprodukts Almased darf künftig keine Vorher-Nachher-Fotos von Kunden mehr veröffentlichen, um deren Erfolgsgeschichten mit dem Produkt zu bewerben. Das entschied das Oberlandesgericht (OLG) München und bestätigte damit ein vorheriges Urteil des Landgerichts München I. Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, ob die Veröffentlichung solcher Bildvergleiche in Verbindung mit gesundheitsbezogenen Aussagen zulässig ist.
Almased hatte im Rahmen einer Marketingaktion Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu aufgefordert, ihre persönliche Geschichte über die erfolgreiche Gewichtsabnahme mit dem Produkt zu schildern. Neben der Veröffentlichung der Erfahrungsberichte wurden auch Fotos vor und nach dem Gewichtsverlust auf der Unternehmenswebsite sowie auf Social-Media-Plattformen gezeigt. Für besonders gelungene Beiträge stellte das Unternehmen eine Prämie in Höhe von 500 Euro in Aussicht.
Das OLG München sieht in dieser Praxis jedoch einen Verstoß gegen die Health Claims Verordnung (HCVO) der Europäischen Union. Diese Verordnung regelt die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben bei Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln. Demnach sind Aussagen über die Wirkung eines Produkts auf Gesundheit oder Körperfunktionen nur unter bestimmten, wissenschaftlich belegten Bedingungen zulässig. Vorher-Nachher-Darstellungen gelten dabei als unzulässige Gesundheitswerbung.
Besonders problematisch sei laut Gericht, dass Verbraucher durch die bildliche Darstellung zu der Annahme verleitet werden könnten, eine ähnliche Wirkung sei bei ihnen ebenso zu erwarten. Das Urteil hat Signalwirkung für die gesamte Branche der Diätprodukte und Nahrungsergänzungsmittel, die häufig auf emotionale Kundenberichte setzen, um Vertrauen zu schaffen und Kaufanreize zu geben.
Almased kann gegen das Urteil keine Revision mehr einlegen. Das Urteil ist rechtskräftig. Der Hersteller äußerte sich bislang nicht öffentlich zu der Entscheidung.
Das Verbot der Vorher-Nachher-Bilder ist ein konsequentes und längst überfälliges Signal an eine Branche, die allzu oft mit emotionalen Erzählungen wirbt, anstatt sich auf wissenschaftlich belegte Fakten zu stützen. Der Grat zwischen authentischer Kundenbindung und irreführender Gesundheitswerbung ist schmal – doch wo persönliche Geschichten mit finanziellen Anreizen kombiniert und visuell dramatisiert werden, endet die Transparenz.
Gerade im sensiblen Bereich der Gesundheitsversprechen muss Verbraucherschutz Vorrang vor Marketinginteressen haben. Die Entscheidung des OLG München stellt klar: Werbung darf nicht suggerieren, dass Erfolge garantiert sind – schon gar nicht bei Produkten, deren Wirkung individuell stark variieren kann.
Schmerzregister in der Kritik – Datengeschäft auf Kosten der Patienten?
Das Praxisregister Schmerz, ein Projekt der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS), sollte ursprünglich dazu dienen, die Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen durch systematische Datenerhebung zu verbessern. Nun steht das Register im Zentrum massiver Kritik. Recherchen zeigen, dass die darin enthaltenen Patientendaten offenbar kommerziell genutzt werden – ohne ausreichende Transparenz gegenüber den Betroffenen.
In Deutschland leiden etwa 17 Prozent der Bevölkerung an chronischen Schmerzen. Viele von ihnen durchlaufen eine jahrelange Odyssee durch verschiedene Therapieversuche, ohne dauerhafte Linderung. Um diesen Patientinnen und Patienten besser helfen zu können, erhebt das Praxisregister Schmerz umfangreiche Daten zu Schmerzverläufen, Medikamentenwirkungen, Lebensqualität und individuellen Empfindungen. Die Informationen stammen aus Fragebögen und Tagebuchaufzeichnungen, die Betroffene in ärztlichen Praxen ausfüllen. Offiziell dienen diese Daten dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und sollen behandelnden Ärzten helfen, die Therapie individuell anzupassen.
Doch laut einer aktuellen Recherche werden die gesammelten Daten nicht ausschließlich für wissenschaftliche Zwecke genutzt. Vielmehr erhalten auch Pharmaunternehmen Zugriff auf die Registerdaten. Diese nutzen die Informationen für sogenannte Real-World-Evidence-Studien, um Wirksamkeit und Anwendung bestimmter Arzneimittel im Versorgungsalltag zu dokumentieren. Die DGS betont, es finde vorab eine vollständige Anonymisierung statt. Experten zweifeln jedoch an der tatsächlichen Entpersonalisierung und bemängeln fehlende Nachvollziehbarkeit der Verfahren.
Verwaltet werden die Daten nicht durch die DGS selbst, sondern über die Software iDocLive, die vom privaten Auftragsforschungsinstitut O.Meany betrieben wird. Geschäftsführer der Firma ist zugleich ein Vorstandsmitglied der DGS. Diese personelle Doppelfunktion wirft Fragen zur Unabhängigkeit und Kontrolle des Datenmanagements auf. Kritik kommt auch aus der medizinischen Fachwelt: Die Studien, die auf Basis der Registerdaten entstehen, gelten laut mehreren Stimmen als wissenschaftlich nicht belastbar. Es mangele an methodischer Qualität, Objektivität und transparenter Kontrolle.
Datenschutzrechtlich ist das Vorgehen ebenfalls umstritten. Einigen Expertinnen und Experten zufolge verstößt die Weitergabe der Daten an Dritte ohne klare Information und ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Auch die Frage, inwieweit die behandelnden Ärztinnen und Ärzte über den Umgang mit den erhobenen Daten informiert sind, bleibt offen.
Zudem steht die Unabhängigkeit der angeblich kontrollierenden Selbsthilfeorganisation Deutsche Schmerzliga infrage. Deren Präsident ist identisch mit dem Geschäftsführer des Datenverarbeiters O.Meany – ein weiterer potenzieller Interessenkonflikt, der Zweifel an einer neutralen Kontrolle nährt. Die DGS weist die Vorwürfe zurück und betont, alle rechtlichen Vorgaben würden eingehalten. Patientinnen und Patienten hätten ihr Einverständnis gegeben, und es gebe keine wirtschaftliche Verwertung im klassischen Sinne.
Ungeachtet dieser Beteuerungen bleibt der Eindruck bestehen, dass das Praxisregister Schmerz nicht ausschließlich der Verbesserung der Versorgung dient, sondern auch als Datenquelle für zahlende Dritte fungiert – in einem Bereich, der höchste ethische und datenschutzrechtliche Standards erfordert. Der Vorfall wirft grundsätzliche Fragen zum Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten auf und zeigt erneut, wie dünn die Grenze zwischen medizinischem Fortschritt und kommerzieller Interessenlage sein kann.
Vertrauen ist das Fundament jeder medizinischen Behandlung. Wer krank ist, muss darauf bauen können, dass persönliche Daten mit größter Sorgfalt behandelt werden – und nicht heimlich zu einem Wirtschaftsgut werden. Der Fall des Praxisregisters Schmerz zeigt, wie schnell diese Grenze überschritten werden kann. Es geht nicht nur um formale Einwilligungen oder technische Anonymisierung, sondern um Transparenz, Kontrolle und ethische Verantwortung.
Wenn wirtschaftliche Interessen im Gesundheitswesen dominieren, geraten Patientinnen und Patienten in eine gefährliche Grauzone. Daten aus leidvollen Krankheitsgeschichten dürfen nicht zur Verfügungsmasse für Drittinteressen werden – schon gar nicht, wenn unabhängige Kontrolle fehlt. Die Politik ist gefordert, klare rechtliche und strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen, die solche Entwicklungen verhindern. Denn medizinischer Fortschritt darf nicht auf Kosten des Vertrauens erfolgen.
Verbandstoffe für Arztpraxen: Apotheken müssen Abgabe künftig dokumentieren
Die Abgabe von Verbandstoffen durch Apotheken an Arztpraxen unterliegt künftig einer strengen Dokumentationspflicht. Hintergrund ist die europäische Verordnung über Medizinprodukte (Medical Device Regulation, MDR), die seit Mai 2021 in Kraft ist. Ziel der Regelung ist die lückenlose Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten über alle Vertriebsstufen hinweg – vom Hersteller bis zum Anwender.
Für Apotheken bedeutet das konkret: Wird ein Verbandstoff, der als Medizinprodukt eingestuft ist, an eine Arztpraxis abgegeben, muss dies dokumentiert und die entsprechenden Unterlagen zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Die Regelung gilt nicht bei Abgaben an Privatpersonen, wohl aber, wenn das Produkt an Gesundheitsberufe oder Einrichtungen wie Arztpraxen geht. Diese gelten im Sinne der MDR als Endnutzer mit professionellem Hintergrund – und damit greift die Dokumentationspflicht.
Grundlage dieser Vorschrift ist Artikel 25 der MDR. Dieser verpflichtet Händler, zu denen auch Apotheken zählen, zur Unterstützung der Hersteller bei der Nachverfolgung von Medizinprodukten. Insbesondere muss nachvollziehbar sein, wann welches Produkt an welche Einrichtung abgegeben wurde. Ziel ist die schnelle Rückverfolgung bei etwaigen Qualitäts- oder Sicherheitsproblemen.
Ein zentrales Instrument in diesem Zusammenhang ist die sogenannte Unique Device Identification (UDI). Dieser mehrteilige Code – bestehend aus Global Trade Item Number (GTIN), Verfalldatum, Chargen- und gegebenenfalls Seriennummer – ermöglicht die eindeutige Identifikation jedes Produkts. Die UDI muss bei der Abgabe dokumentiert werden, sofern sie für das Produkt bereits verpflichtend ist. Allerdings befindet sich die verpflichtende Umsetzung des UDI-Systems derzeit noch in einer Übergangsphase.
Darüber hinaus weist die MDR auch auf die Einweisungspflicht bei bestimmten Medizinprodukten hin. Wird ein aktives Medizinprodukt – etwa eine elektrisch betriebene Milchpumpe – abgegeben, muss das medizinische Fachpersonal entsprechend eingewiesen werden. Diese Einweisung ist ebenfalls zu dokumentieren.
Eine zusätzliche Einwilligung der Arztpraxis zur Speicherung der Daten ist nicht erforderlich. Die Erfassung der Abgabe erfolgt im Rahmen gesetzlich vorgeschriebener Qualitätssicherungsmaßnahmen und unterliegt daher nicht der Datenschutz-Grundverordnung in Bezug auf eine separate Zustimmungspflicht.
Für Apotheken bedeutet die neue Regelung einen organisatorischen Mehraufwand. Um den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden, sind klare Prozesse zur Dokumentation und Archivierung notwendig. Ob digital oder analog – die Anforderungen gelten gleichermaßen. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, riskiert im Fall einer Kontrolle rechtliche Konsequenzen.
Die Dokumentationspflicht für die Abgabe von Verbandstoffen an Arztpraxen ist kein bürokratischer Selbstzweck. Sie folgt einem klaren Ziel: Der sicheren und nachvollziehbaren Versorgung mit Medizinprodukten. Gerade in Zeiten, in denen Produktrückrufe, Lieferengpässe und Sicherheitsbedenken zum Alltag gehören, ist eine lückenlose Rückverfolgbarkeit unerlässlich. Dass Apotheken hierbei eine zentrale Rolle einnehmen, ist logisch – schließlich sind sie die letzte Station im Vertriebsweg vor der Anwendung am Patienten.
Doch die Umsetzung bedeutet in der Praxis zusätzlichen Aufwand. Der Gesetzgeber verlässt sich darauf, dass Apotheken die organisatorischen und personellen Ressourcen für eine rechtssichere Umsetzung bereithalten. Dies ist angesichts steigender Belastungen im Apothekenalltag nicht selbstverständlich. Wer jedoch Transparenz fordert, muss auch für praktikable und wirtschaftlich tragfähige Rahmenbedingungen sorgen. Nur dann kann das System funktionieren – und den Patientenschutz gewährleisten.
Schweizer Apotheken erhalten neue Rolle in der Gesundheitsversorgung
Die Schweizer Apotheken sollen ab Januar 2027 eine deutlich aktivere Rolle in der medizinischen Grundversorgung übernehmen. Das Parlament hat eine Revision des Krankenversicherungsgesetzes beschlossen, mit der pharmazeutische Leistungen künftig direkt über die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) abgerechnet werden können. Damit rückt die pharmazeutische Beratung näher an das ärztliche Versorgungsgeschehen heran.
Kern des neuen Gesetzes ist die Möglichkeit für Apotheken, Patienten bei der Therapietreue zu unterstützen sowie Medikationsanalysen und Medikationsabgleiche durchzuführen. Diese Leistungen sollen insbesondere bei der Neueinstellung auf chronische Therapien eine Rolle spielen. Geplant ist eine interprofessionelle Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten, um den Therapieerfolg zu verbessern und mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen.
Neben der Therapieunterstützung wird Apotheken künftig auch die Durchführung von Bluthochdruck-Screenings ermöglicht. In Abstimmung mit der ärztlichen Versorgung können daraufhin Therapieanpassungen erfolgen. Die Maßnahmen sind Teil eines breiter angelegten zweiten Kostendämpfungspakets im Gesundheitswesen.
Bereits seit Anfang des laufenden Jahres wird Apotheken in der Schweiz ein Honorar gezahlt, wenn sie Patienten auf kostengünstigere Biosimilars umstellen. Diese Regelung baut auf dem bereits bestehenden Modell zur Vergütung von Generikaumstellungen auf. Neu hinzugekommen ist außerdem die Vergütung des maschinellen Verblisterns von Medikamenten. Auch Leistungen von Versandapotheken wurden in den erweiterten Tarifrahmen aufgenommen.
Fachkreise sehen in der Reform einen Paradigmenwechsel. Anstelle einer reinen Abgabe von Arzneimitteln treten verstärkt beratende und begleitende Tätigkeiten. Studien zufolge kann eine bessere Therapietreue langfristig dazu beitragen, Krankenhausaufenthalte und unnötige Arztbesuche zu vermeiden. Dies wird als Beitrag zur Effizienzsteigerung und Entlastung des Gesundheitswesens gewertet.
Die neue Regelung soll 2027 in Kraft treten. Bis dahin bleibt Zeit für die technische und strukturelle Vorbereitung der Apotheken sowie für die Klärung abrechnungsrelevanter Fragen.
Die Entscheidung des Schweizer Parlaments markiert eine Weichenstellung in der ambulanten Gesundheitsversorgung. Dass Apotheken künftig stärker in präventive und begleitende Tätigkeiten eingebunden werden, entspricht einem modernen Verständnis integrierter Versorgung. Gleichzeitig stellt die geplante Reform hohe Anforderungen an die Apotheken vor Ort: Fortbildung, Koordination mit Ärzten und der Ausbau interner Abläufe werden zur Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung.
Trotz aller Herausforderungen bietet das neue Modell eine Chance, die vorhandenen Ressourcen im Gesundheitswesen besser zu nutzen. In Zeiten ärztlicher Überlastung und steigender Gesundheitsausgaben könnte eine stärkere pharmazeutische Beteiligung zu mehr Stabilität im System beitragen. Entscheidend wird sein, wie gut die neuen Aufgaben in der Praxis funktionieren – und ob sie tatsächlich dazu führen, Patienten sicherer und effizienter zu versorgen.
Gefährliche Arzneikombination: Gerichtsmediziner warnt nach plötzlichem Herztod
Im Jahr 2023 kam es zum tragischen Tod einer 34-jährigen Frau, die infolge von Herzrhythmusstörungen verstarb. Die Obduktion ergab als Todesursache einen plötzlichen Herztod. Im Zentrum der medizinischen Bewertung steht ein möglicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden Schlafapnoe und der gleichzeitigen Einnahme dreier Medikamente: Amitriptylin, Paroxetin und Ivabradin. Der zuständige Gerichtsmediziner warnt nun eindringlich vor der potenziell tödlichen Wechselwirkung dieser Arzneimittel in Kombination mit schlafbezogenen Atmungsstörungen.
Wie aus dem Obduktionsbericht hervorgeht, litt die Verstorbene an einer unbehandelten obstruktiven Schlafapnoe. Diese Erkrankung führt in der Nacht wiederholt zu Atemaussetzern und kann die Sauerstoffversorgung des Körpers erheblich beeinträchtigen. In Verbindung mit Medikamenten, die das Herz beeinflussen, kann dies offenbar ein gefährliches Zusammenspiel ergeben. Besonders kritisch wertet der Gerichtsmediziner die Kombination aus dem trizyklischen Antidepressivum Amitriptylin, dem SSRI Paroxetin und dem If-Kanalhemmer Ivabradin, der üblicherweise zur Frequenzkontrolle bei Herzinsuffizienz oder Angina pectoris eingesetzt wird.
Alle drei Wirkstoffe können die kardiale Erregungsleitung beeinflussen. Während Paroxetin und Amitriptylin bekannt dafür sind, das Risiko für eine QT-Zeit-Verlängerung zu erhöhen, senkt Ivabradin gezielt die Herzfrequenz. In Verbindung mit nächtlichen Hypoxiephasen durch die Schlafapnoe ergibt sich laut den forensischen Erkenntnissen ein potenziell lebensbedrohliches Risiko. Ein toxikologisches Gutachten bestätigte therapeutische, nicht überdosierte Konzentrationen der Substanzen.
Die Staatsanwaltschaft sieht von weiteren Ermittlungen ab, da kein Hinweis auf ein Fremdverschulden besteht. Dennoch zeigt sich der Fall als mahnendes Beispiel für die Notwendigkeit einer sorgfältigen interdisziplinären Therapieplanung. Der Gerichtsmediziner appelliert an Ärztinnen und Ärzte, bestehende Begleiterkrankungen wie Schlafapnoe stärker in die Risikoabwägung bei der Verordnung potenziell interagierender Medikamente einzubeziehen.
Der tragische Todesfall einer jungen Frau verdeutlicht mit erschütternder Klarheit die Gefahren komplexer Arzneimitteltherapien – insbesondere dann, wenn Begleiterkrankungen wie Schlafapnoe nicht diagnostiziert oder unterschätzt werden. In der modernen Medizin ist das Wissen über Wechselwirkungen vorhanden, doch es bleibt oft ungenutzt. Gerade bei psychotropen Substanzen, die das zentrale Nervensystem und das Herz gleichzeitig beeinflussen, muss eine genaue Risiko-Nutzen-Abwägung stattfinden. Der Fall zeigt, wie entscheidend eine enge Kommunikation zwischen Hausärzten, Fachärzten und Apothekern ist. Auch Patientinnen und Patienten müssen über potenzielle Gefahren informiert werden – nicht mit Angst, sondern mit Aufklärung. Die medizinische Verantwortung endet nicht mit der Verschreibung, sondern beginnt dort.
Von Engin Günder, Fachjournalist