dm und die Zukunft der Gesundheitsbranche: Online-Apotheke als Zeichen eines tiefgreifenden Wandels
Die Drogeriemarktkette dm setzt mit ihrer geplanten Online-Apotheke ein deutliches Signal für Veränderungen im deutschen Gesundheitswesen. Ab der zweiten Jahreshälfte 2025 möchte das Unternehmen in den Markt für rezeptfreie Arzneimittel einsteigen und damit einen weiteren Schritt in Richtung digitaler Gesundheitsversorgung gehen. Wie bereits im Dezember 2024 angekündigt, soll das neue Geschäftsmodell von Tschechien aus gesteuert werden, da dort die rechtlichen Rahmenbedingungen vorteilhafter sind als in Deutschland.
Christoph Werner, Geschäftsführer von dm, hat sich in Interviews mit der Bild-Zeitung und dem Magazin Business Insider ausführlich zu den Herausforderungen und Chancen des Projekts geäußert. Er sieht die geplante Online-Apotheke nicht nur als strategische Weiterentwicklung des dm-Angebots, sondern auch als Reaktion auf die wachsenden Bedürfnisse der Bevölkerung und die strukturellen Probleme im Gesundheitswesen. „Wir möchten einen Beitrag leisten, die gesundheitliche Versorgung in Deutschland zu verbessern“, erklärte Werner. „Der Markt verändert sich, und wir brauchen Innovationen.“
Besonders in Zeiten steigender Gesundheitskosten und einer schrumpfenden Zahl von Apotheken sei es wichtig, neue Wege zu gehen. Werner kritisierte, dass viele Bereiche des Gesundheitswesens immer noch von analogen Strukturen geprägt seien, die den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht würden. Die Grenzen zwischen Drogerien, Apotheken und anderen Handelsformaten verwischten zunehmend, insbesondere durch den Erfolg von Unternehmen wie der Shop Apotheke oder DocMorris. Die Einführung einer Online-Apotheke durch dm sei daher eine logische Fortführung des bestehenden Sortiments. Bereits jetzt bietet das Unternehmen online eine größere Produktvielfalt an als in seinen stationären Filialen.
Ein zentraler Punkt des neuen Angebots soll die Integration digitaler Beratungsformate sein. Werner betonte, dass das Internet bereits heute ein wichtiger Informationskanal sei und durch Produktbeschreibungen, Videos und professionelle Online-Beratung ergänzt werden könne. „Es geht nicht darum, bestehende Strukturen zu schützen, sondern darum, eine verlässliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen“, so Werner. Gleichzeitig forderte er den Gesetzgeber auf, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu modernisieren, um Innovationen wie Telemedizin, digitale Diagnosen und erweiterte Gesundheitsservices zu ermöglichen. Probenentnahmen, Grippeimpfungen oder einfache Diagnosen in Drogerien seien durchaus denkbare Szenarien, sofern der gesetzliche Rahmen dies zulässt.
Werner sieht den deutschen Gesundheitsmarkt in einem tiefgreifenden Wandel, der vor allem durch den Fachkräftemangel und den Rückgang an Apotheken geprägt ist. Der Beruf des Apothekers werde für junge Menschen zunehmend unattraktiv, während gleichzeitig immer mehr ältere Apotheker in den Ruhestand gingen. Diese Entwicklung mache eine Reform unumgänglich. „Die stationäre Struktur des Medikamentenhandels stammt aus einer analogen Zeit, doch die Realität der Verbraucher hat sich längst verändert“, erklärte er. Unternehmen wie dm müssten sich auf diese Transformation vorbereiten und frühzeitig handeln, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Trotz der Herausforderungen betonte Werner, dass die geplante Online-Apotheke kein Ersatz für die klassische Apotheke vor Ort sein solle. Vielmehr gehe es darum, zusätzliche Versorgungskanäle zu schaffen, um den Zugang zu Gesundheitsprodukten zu erleichtern. „Wir sehen, dass sich der Markt verändern wird, und darauf wollen wir uns vorbereiten“, sagte er abschließend.
Die Ankündigung von dm, mit einer eigenen Online-Apotheke in den Gesundheitsmarkt einzusteigen, zeigt die wachsende Dynamik in einer Branche, die sich seit Jahrzehnten nur langsam verändert hat. Der Vorstoß von dm ist nicht nur eine strategische Entscheidung, sondern auch ein Symptom für die grundlegenden Herausforderungen im Gesundheitswesen. Der Rückgang von Apotheken, die steigenden Gesundheitskosten und die zunehmenden Erwartungen der Verbraucher an flexible und digitale Lösungen setzen die Branche unter Druck.
Christoph Werner hat recht, wenn er darauf hinweist, dass das deutsche Gesundheitswesen in vielen Bereichen veraltet ist. Die strikte Trennung zwischen verschiedenen Handelsformaten und die bürokratischen Hürden für neue Versorgungsmodelle passen nicht mehr zu den realen Bedürfnissen der Bevölkerung. Es ist daher überfällig, dass der Gesetzgeber Rahmenbedingungen schafft, die Innovationen ermöglichen, ohne dabei die Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversorgung zu gefährden.
Allerdings bleibt die Frage offen, wie die geplante Online-Apotheke von dm tatsächlich zur Lösung der bestehenden Probleme beitragen kann. Der digitale Vertrieb rezeptfreier Arzneimittel mag für viele Verbraucher bequem sein, doch er ersetzt nicht die persönliche Beratung und die individuelle Betreuung, die eine Apotheke vor Ort leisten kann. Gerade in ländlichen Gebieten, wo Apotheken häufig die einzige Anlaufstelle für gesundheitliche Fragen sind, bleibt die flächendeckende Versorgung eine Herausforderung, die durch digitale Angebote allein nicht gelöst werden kann.
Die Entwicklung wirft auch ethische und praktische Fragen auf. Ist es sinnvoll, dass Drogerien künftig Grippeimpfungen oder Blutabnahmen anbieten? Wie wird sichergestellt, dass solche Dienstleistungen höchsten Qualitätsstandards entsprechen? Und welche Rolle bleibt den klassischen Apotheken in einer Gesundheitslandschaft, die zunehmend von großen Handelsketten und Online-Anbietern dominiert wird?
Die geplanten Veränderungen sind zweifellos notwendig, doch sie dürfen nicht zu einem Wettbewerb führen, bei dem ausschließlich wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen. Vielmehr sollten sie darauf abzielen, die bestehenden Strukturen zu ergänzen und so zu gestalten, dass sie langfristig allen Beteiligten zugutekommen – von den Patienten über die Apotheken bis hin zu den neuen Anbietern. Es liegt in der Verantwortung des Gesetzgebers, diesen Prozess so zu steuern, dass die Versorgung nicht nur modernisiert, sondern auch nachhaltig verbessert wird.
Präqualifizierungschaos: Apotheken zwischen Bürokratie, Streit und Betrugsvorwürfen
Der Wegfall der Präqualifizierungspflicht für apothekenübliche Hilfsmittel zum 1. Januar sollte für Apotheken eine spürbare Entlastung bringen. Stattdessen entwickelte sich der Prozess für viele Betroffene zu einem bürokratischen Albtraum. Um Apotheken den Ausstieg aus bestehenden Verträgen zu erleichtern, hatte die Agentur für Präqualifizierung (AfP) ein Sonderkündigungsrecht bis zum 30. Juni eingeräumt. Dies sollte über ein speziell eingerichtetes Online-Formular erfolgen. Doch in der Praxis häufen sich Berichte über Probleme, Verzögerungen und fehlende Rückmeldungen.
Besonders betroffen ist Detlef Löscher, Inhaber der Schützen-Apotheke in Auerbach. „Ich habe die Kündigung fristgerecht eingereicht und sogar mehrfach nachgehakt, doch ich bekam keine Bestätigung“, schildert Löscher. Stattdessen erhielt er weiterhin Rechnungen für einen Vertrag, den er längst beendet glaubte. Nach einem Jahr des Schriftverkehrs, unzähligen E-Mails und Telefonversuchen musste er schließlich kapitulieren und die strittige Rechnung begleichen, um weiteren Stress zu vermeiden. „Ich vermute systematischen Betrug“, erklärt er resigniert. Löscher ist mit diesem Problem nicht allein. In Foren und sozialen Netzwerken berichten zahlreiche Apotheker von ähnlichen Erfahrungen.
Die Schwierigkeiten sind vielfältig: Einige Apotheken erhielten trotz Kündigung weiterhin Rechnungen, andere bekamen nie eine Bestätigung ihrer Vertragsbeendigung. Hinzu kommt, dass die AfP für Betroffene kaum erreichbar ist. Telefonische Anfragen enden oft in Warteschleifen, und auf E-Mails wird entweder gar nicht oder nur mit vorformulierten Standardantworten reagiert. Diese Kommunikationsprobleme verschärfen die ohnehin angespannte Situation für Apotheken, die neben den alltäglichen Herausforderungen nun auch mit unerwarteten finanziellen Belastungen kämpfen müssen.
Der Unmut in der Branche wächst. „Es kann nicht sein, dass Apotheken, die in gutem Glauben handeln, durch Intransparenz und organisatorische Schwächen in solche Situationen gedrängt werden“, kritisiert ein Sprecher des Deutschen Apothekerverbandes (DAV). Obwohl die ABDA die Probleme anerkennt, gibt es bislang keine klare Stellungnahme oder Handlungsanweisungen.
Rechtliche Schritte sind ebenfalls kompliziert: Die Klärung der Zuständigkeiten zwischen der AfP und den betroffenen Apotheken gestaltet sich schwierig, da die vertraglichen Regelungen oft undurchsichtig sind. Einige Apotheker ziehen daher in Erwägung, gemeinsam gegen die Forderungen vorzugehen und die rechtliche Grundlage für die Rechnungen anzufechten.
Die Lage spitzt sich zu, und die betroffenen Apotheken fordern dringend eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge bei der AfP. „Es braucht klare, transparente Prozesse und eine verlässliche Kommunikation, sonst leidet das Vertrauen in die gesamte Reform“, so ein Branchenvertreter.
Der Fall rund um die Präqualifizierungspflicht und das Sonderkündigungsrecht zeigt auf drastische Weise, wie eine eigentlich entlastende Reform durch mangelnde Umsetzung zum Bumerang werden kann. Die Idee, Apotheken durch den Wegfall der Präqualifizierungspflicht zu entlasten, war richtig und wichtig. Doch die Umsetzung offenbart eklatante Schwächen, die nicht nur Unmut erzeugen, sondern auch gravierende wirtschaftliche Folgen haben.
Die Vermutungen von Detlef Löscher, dass hier möglicherweise systematischer Betrug vorliegen könnte, werfen einen dunklen Schatten auf die Abläufe bei der AfP. Der Verdacht mag drastisch klingen, doch die Vielzahl der Betroffenen, die über ähnliche Probleme berichten, macht eine genaue Untersuchung unumgänglich. Sollten sich diese Vorwürfe bestätigen, wäre dies ein verheerender Schlag für das ohnehin fragile Vertrauen in die Bürokratie des Gesundheitswesens.
Doch auch wenn sich die Vorwürfe letztlich als unbegründet erweisen sollten, bleibt die Frage: Warum wurden die Prozesse der AfP nicht so gestaltet, dass Transparenz und Nachvollziehbarkeit gewährleistet sind? Es ist erschreckend, wie viele Apotheken ohne klare Rückmeldungen, mit automatisierten Antworten und einer nicht erreichbaren Hotline im Regen stehen gelassen wurden. Gerade in einem so sensiblen Bereich wie der Gesundheitsversorgung darf solch ein Chaos nicht vorkommen.
Die ABDA steht hier ebenfalls in der Verantwortung. Es reicht nicht aus, Probleme anzuerkennen und Verständnis für die Apotheken zu äußern. Die Berufsvertretung muss proaktiv handeln, Lösungen vorschlagen und sich dafür einsetzen, dass betroffene Apotheken nicht auf ihren Kosten sitzenbleiben. Ein starkes Engagement der ABDA ist auch ein Signal an die Politik, dass Reformen im Gesundheitswesen nicht nur auf dem Papier gut aussehen müssen, sondern auch in der Praxis umsetzbar sein müssen.
Dieser Fall zeigt aber auch, wie wichtig es ist, dass Apotheken ihre Interessen stärker vertreten. Die Zusammenarbeit in der Branche, beispielsweise durch Sammelklagen oder gemeinsame Initiativen, könnte ein effektives Mittel sein, um derartige Missstände zu bekämpfen. Gleichzeitig müssen die Behörden dafür sorgen, dass solche bürokratischen Hürden in Zukunft verhindert werden.
Das Ziel der Reform war es, Apotheken zu entlasten – der Weg dahin muss aber so gestaltet werden, dass Vertrauen und Zuverlässigkeit im Mittelpunkt stehen. Nur so kann eine funktionierende und faire Zusammenarbeit zwischen Apotheken, Behörden und Dienstleistern gewährleistet werden.
Impfungen in Apotheken: Neue Kompetenzen und wachsende Verantwortung
Apotheken in Deutschland dürfen seit kurzem eine erweiterte Palette an Impfungen anbieten. Neben Grippe- und COVID-19-Impfungen können Apothekenbetreiber nun auch andere Immunisierungen durchführen, was nicht nur die Erreichbarkeit für Patienten verbessert, sondern auch die Rolle der Apotheken im Gesundheitssystem stärkt. Die neuen Befugnisse sind ein wichtiger Schritt zur Entlastung der ärztlichen Versorgung und zur Erhöhung der Impfquote. Doch die Ausweitung der Kompetenzen bringt auch erhebliche Herausforderungen mit sich, insbesondere im Bereich der Haftung und Risikominimierung.
Die Durchführung von Impfungen erfordert ein hohes Maß an Professionalität, inklusive der medizinischen Aufklärung und einer fehlerfreien Dokumentation. Komplikationen wie Impfreaktionen oder vermeintliche Fehler in der Anwendung können zu Schadensersatzforderungen führen. Ohne angepasste Versicherungen stehen Apothekenbetreiber vor erheblichen rechtlichen und finanziellen Risiken. Eine klassische Berufshaftpflichtversicherung reicht oft nicht aus, um diese speziellen Anforderungen zu erfüllen. Stattdessen sind Policen mit hohen Deckungssummen und branchenspezifischen Lösungen notwendig, die speziell auf den Apothekenalltag zugeschnitten sind.
Parallel zur Haftung wächst auch die Bedeutung der Cybersecurity in Apotheken. Mit der Einführung digitaler Impfdokumentationen und der zunehmenden Digitalisierung der Prozesse steigt die Gefahr von Cyberangriffen. Datenverluste oder Hackerangriffe können nicht nur finanzielle Schäden verursachen, sondern auch den Ruf einer Apotheke nachhaltig schädigen. Hier bieten speziell entwickelte Cyberversicherungen Schutz vor den Folgen solcher Vorfälle, indem sie finanzielle Entschädigungen leisten und bei der Wiederherstellung der Daten unterstützen.
Neben diesen Aspekten sind auch All-Risk-Versicherungen ein wichtiges Element, um Apotheken gegen unerwartete Ereignisse wie Betriebsunterbrechungen, Einbrüche oder Naturkatastrophen abzusichern. Für Apotheken, die auf kontinuierliche Betriebsbereitschaft angewiesen sind, um ihre zentrale Rolle in der Versorgung der Bevölkerung zu erfüllen, ist ein solcher Schutz unverzichtbar.
Ein weiterer Punkt, den Apothekenbetreiber im Auge behalten sollten, ist die regelmäßige Überprüfung bestehender Versicherungsverträge. Da sich die gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stetig ändern, ist es essenziell, Policen an die aktuellen Anforderungen anzupassen. Eine enge Zusammenarbeit mit spezialisierten Versicherungsberatern ermöglicht es, Deckungslücken zu schließen und die Versicherungssummen an die gestiegenen Risiken anzupassen.
Die neuen Impfkompetenzen eröffnen Apotheken neue Einnahmequellen, erfordern aber auch eine grundlegende Überarbeitung des Risikomanagements. Ohne einen umfassenden Schutz laufen Betreiber Gefahr, im Schadensfall erhebliche finanzielle Einbußen zu erleiden.
Die Ausweitung der Impfkompetenzen für Apotheken ist ein bedeutender Fortschritt in der Gesundheitsversorgung. Sie unterstreicht die wichtige Rolle, die Apotheken in der Prävention und im Patientenschutz spielen. Die Möglichkeit, zusätzliche Impfungen durchzuführen, bringt jedoch nicht nur Chancen, sondern auch erhebliche Verpflichtungen mit sich.
Eine der zentralen Herausforderungen liegt in der Absicherung gegen die gestiegenen Haftungsrisiken. Apotheken übernehmen eine medizinische Verantwortung, die weit über ihre bisherigen Aufgaben hinausgeht. Diese Verantwortung erfordert nicht nur eine hohe fachliche Qualifikation, sondern auch eine lückenlose Absicherung. Versicherungen mit speziell angepassten Deckungssummen und erweiterten Leistungen sind hier kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Ohne eine solche Absicherung kann ein Schadensfall schnell zu einer existenziellen Bedrohung werden.
Auch die digitale Transformation der Apotheken bringt neue Risiken mit sich. Die Einführung digitaler Impfdokumentationen ist ein Fortschritt, der Prozesse effizienter gestaltet und den Service für Patienten verbessert. Gleichzeitig entstehen jedoch neue Angriffsflächen für Cyberkriminelle. Datenpannen oder Hackerangriffe können nicht nur hohe Kosten verursachen, sondern auch das Vertrauen der Patienten in die Apotheke schädigen. Apotheken müssen daher in Cyberversicherungen investieren, um sich gegen diese Bedrohungen abzusichern und ihren Betrieb auch im digitalen Zeitalter sicher zu gestalten.
Ein weiteres Problem, das Apothekenbetreiber angehen müssen, ist die Überprüfung und Anpassung bestehender Versicherungen. Die erweiterten Aufgaben und die gestiegenen Haftungsrisiken machen es unerlässlich, regelmäßig die Aktualität und Angemessenheit der Versicherungen zu prüfen. Dabei sollten Apothekenbetreiber nicht nur auf die Kosten, sondern vor allem auf die Leistungen und Deckungssummen achten, um sicherzustellen, dass alle potenziellen Risiken abgedeckt sind.
Die erweiterten Impfkompetenzen sind eine Chance, die Apotheken nutzen sollten. Sie erfordern jedoch Weitsicht und ein professionelles Risikomanagement. Nur durch eine umfassende Absicherung können Apotheken nicht nur ihre neuen Aufgaben erfüllen, sondern auch das Vertrauen der Patienten und ihre wirtschaftliche Stabilität langfristig sichern. Die Zukunft der Apotheken hängt davon ab, wie gut sie sich an die wachsenden Anforderungen anpassen und Verantwortung für ihre neuen Aufgaben übernehmen.
CGM-Übernahme: CVC erreicht Mindestquote – Transaktion nimmt Fahrt auf
Die geplante Übernahme von Compugroup Medical (CGM) durch den Finanzinvestor CVC hat einen entscheidenden Meilenstein erreicht. Wie CVC mitteilte, wurde die Mindestannahmeschwelle von 17 Prozent überschritten. Damit rückt die Transaktion in greifbare Nähe. Noch bis Donnerstag um Mitternacht haben Aktionäre die Möglichkeit, ihre Anteile im Rahmen des Übernahmeangebots anzubieten.
Der Prozess verlief zunächst schleppend, da es CVC nur in kleinen Schritten gelang, zusätzliche Aktienpakete zu erwerben. Mit den jüngsten Meldungen ergibt sich jedoch ein klares Bild: 3,85 Prozent der Aktien wurden über das öffentliche Angebot eingebracht, während weitere 13,62 Prozent durch außerbörsliche Käufe gesichert wurden. Insgesamt kontrolliert der Investor nun mehr als 17 Prozent der Stimmrechte und kann die Übernahme vorantreiben.
Trotz des Erfolgs bleibt die Transaktion von regulatorischen Freigaben abhängig. Der Abschluss wird für das zweite Quartal erwartet. Gleichzeitig bereitet CVC ein Delisting-Angebot vor, um CGM nach Abschluss der Übernahme von der Börse zu nehmen. Die aktuellen Angaben deuten darauf hin, dass es keine Erhöhung des Angebotspreises geben wird.
Die strategische Partnerschaft zwischen CGM und CVC wird als wegweisend für die weitere Entwicklung des Unternehmens beschrieben. Daniela Hommel, Finanzvorstand von CGM, und Daniel Pindur, Managing Partner bei CVC, heben die geplanten Synergien hervor, die die Position von CGM im E-Health-Markt stärken sollen. Die Familie um Firmengründer Frank Gotthardt wird weiterhin die Mehrheit der Anteile halten und bleibt ein zentraler Akteur in der Unternehmensführung.
Die Börsenbewertung des auf Softwarelösungen spezialisierten Unternehmens liegt derzeit bei etwa 900 Millionen Euro, deutlich unter der Marktkapitalisierung von 1,2 Milliarden Euro, die durch das Angebot reflektiert wird. Die Aktie befindet sich seit 2021 in einem Abwärtstrend, der auch durch das Übernahmeangebot nicht vollständig kompensiert wird. Zwar wird eine Prämie von 51 Prozent auf den durchschnittlichen Kurs der letzten drei Monate geboten, doch viele Aktionäre dürften aufgrund früherer Höchststände von über 80 Euro weiterhin Verluste verzeichnen.
Das Delisting könnte den Weg für eine strategische Neuausrichtung ebnen, doch die langfristigen Auswirkungen auf die Stabilität und das Wachstum des Unternehmens bleiben abzuwarten. Für viele Beobachter ist unklar, ob die Übernahme mehr als ein kurzfristiges Signal an die Märkte darstellt.
Die Übernahme von CGM durch CVC markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des Softwareanbieters, wirft jedoch Fragen auf. Während die Erreichung der Mindestannahmeschwelle als Erfolg gefeiert wird, bleibt die Unsicherheit über die zukünftige Ausrichtung und die langfristigen Folgen für die Aktionäre bestehen.
Die enge Verknüpfung zwischen dem Großaktionär Frank Gotthardt und der strategischen Führung des Unternehmens sorgt einerseits für Kontinuität, lässt jedoch Raum für Zweifel, ob die angestrebten Transformationen wirklich im Interesse aller Stakeholder verlaufen werden. Besonders kritisch ist die Tatsache, dass der Börsenwert von CGM deutlich hinter den angebotenen Übernahmepreisen zurückbleibt – ein klares Zeichen für die Skepsis der Märkte.
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens bietet immense Chancen, aber auch erhebliche Risiken. Um in diesem dynamischen Umfeld erfolgreich zu bleiben, wird es entscheidend sein, wie CVC und CGM die Partnerschaft gestalten. Die zentrale Frage lautet: Werden innovative Ansätze und die Optimierung der Marktposition tatsächlich Priorität haben, oder bleibt der Fokus auf kurzfristige Gewinne beschränkt?
Für die Aktionäre bleibt die Bilanz gemischt. Das Angebot mag attraktiv erscheinen, doch angesichts der Kursentwicklung seit 2021 ist es eher ein Trostpflaster als ein echter Gewinn. Die nächsten Schritte werden zeigen, ob CGM tatsächlich von der Übernahme profitiert – oder ob die Befürchtungen der Kritiker Realität werden.
Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung: EU schafft Basis für den European Health Dataspace
Der EU-Rat hat eine richtungsweisende Entscheidung getroffen: Mit der Zustimmung zur Verordnung über den European Health Dataspace (EHDS) wird eine grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung innerhalb der Europäischen Union Realität. Die neue Regelung ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, ihre Gesundheitsdaten künftig in allen Mitgliedstaaten einzusehen und zu nutzen. Dies gilt sowohl für Medikationspläne, Laborbefunde und medizinische Bilddaten als auch für die Einlösung von E-Rezepten im europäischen Ausland.
Die Verhandlungen um die EHDS-Verordnung dauerten lange und waren von unterschiedlichen Positionen der Mitgliedstaaten geprägt. Letztlich konnte jedoch ein Kompromiss erzielt werden, der die Grundlage für eine einheitliche digitale Infrastruktur schafft. Ziel ist es, den Zugang zu Gesundheitsdaten zu vereinfachen und gleichzeitig den Datenschutz und die Sicherheit sensibler Informationen zu gewährleisten.
Über eine Plattform namens „MyHealth@EU“, die von der EU-Kommission verwaltet wird, sollen die nationalen digitalen Gesundheitsbehörden der Mitgliedstaaten vernetzt werden. Diese Behörden werden künftig für die Standardisierung und Verwaltung von Gesundheitsdaten verantwortlich sein. So sollen Informationen wie E-Rezepte und Patientenakten in ein einheitliches europäisches Format überführt werden.
Neben der Verbesserung der individuellen Versorgung sollen die durch den EHDS generierten Sekundärdaten auch für die Forschung genutzt werden. Damit könnten Innovationen vorangetrieben und langfristig die Effizienz der Gesundheitssysteme gesteigert werden. Die Verordnung sieht jedoch klare Einschränkungen vor: Eine Nutzung der Daten für Werbezwecke oder Versicherungsverträge bleibt ausgeschlossen.
Die Mitgliedstaaten stehen nun vor der Herausforderung, die EHDS-Vorgaben innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen. Dies erfordert umfassende Anpassungen bestehender Strukturen und Systeme, wie sie beispielsweise durch das Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz (GDNG) in Deutschland bereits angestoßen wurden.
Der European Health Dataspace könnte die medizinische Versorgung in Europa nachhaltig verbessern, bringt jedoch auch technische und organisatorische Hürden mit sich. Kritiker mahnen, dass die Umsetzung von der Leistungsfähigkeit der digitalen Infrastruktur und der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten abhängt.
Mit der Verabschiedung des EHDS betritt die Europäische Union Neuland in der digitalen Gesundheitsversorgung. Die Vision, Gesundheitsdaten grenzüberschreitend zugänglich zu machen, ist ambitioniert und längst überfällig. Gerade für mobile Bürgerinnen und Bürger sowie Patientengruppen, die auf spezialisierte Behandlungen im Ausland angewiesen sind, stellt der EHDS eine erhebliche Erleichterung dar.
Doch so vielversprechend das Konzept klingt, so groß sind die Hürden. Die EU-Mitgliedstaaten verfügen über unterschiedliche Gesundheits- und Datenschutzsysteme, die auf einen einheitlichen Standard gebracht werden müssen. Die Einführung einer europaweiten Plattform wie „MyHealth@EU“ erfordert erhebliche Investitionen in die digitale Infrastruktur und eine enge Zusammenarbeit der nationalen Behörden.
Hinzu kommt die zentrale Frage nach dem Datenschutz. Sensible Gesundheitsdaten, die über Ländergrenzen hinweg ausgetauscht werden, erfordern höchste Sicherheitsstandards. Hier liegt die Verantwortung bei den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission, die Umsetzung der Verordnung nicht nur technisch, sondern auch rechtlich lückenlos abzusichern.
Der EHDS bietet großes Potenzial, doch sein Erfolg wird daran gemessen werden, wie effektiv und schnell die Mitgliedstaaten die Vorgaben umsetzen. Ohne klare Verantwortlichkeiten und eine funktionierende Infrastruktur droht das Projekt zu einem bürokratischen Hindernislauf zu werden. Die Patientinnen und Patienten in Europa verdienen ein Gesundheitssystem, das nicht an nationalen Grenzen scheitert. Die EU hat den ersten Schritt getan – die eigentliche Arbeit beginnt jetzt.
Intermuskuläres Fett: Neues Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erkannt
Eine aktuelle Studie aus den USA zeigt, dass Fettablagerungen in der Muskulatur, das sogenannte intermuskuläre Fett, ein bedeutender Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein können. Die Forschenden des Brigham and Women’s Hospital und der Harvard Medical School analysierten die Körperzusammensetzung von 669 Patientinnen und Patienten, die wegen Brustschmerzen und Atemnot untersucht wurden, jedoch keine Anzeichen einer obstruktiven koronaren Herzkrankheit aufwiesen. Mithilfe von PET/CT- und CT-Scans erfassten sie die Fettverteilung im Körper und bewerteten die Funktion des Herzens.
Die Studie, die im European Heart Journal veröffentlicht wurde, identifizierte eine klare Verbindung zwischen einem höheren Anteil an intermuskulärem Fett und einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für koronare mikrovaskuläre Dysfunktion (CMD). Dieser Zusammenhang zeigte sich unabhängig vom Body-Mass-Index (BMI), einem der gängigen Risikomarker. Laut den Ergebnissen erhöhte sich das Risiko für CMD mit jedem Prozentpunkt Anstieg des intermuskulären Fettanteils um zwei Prozent. Das Risiko schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse, wie Herzinsuffizienz oder Herzinfarkt, stieg um sieben Prozent.
Interessanterweise war subkutanes Fett – also Fettgewebe unter der Haut – nicht mit einem höheren Herz-Kreislauf-Risiko verbunden. Stattdessen vermuten die Forschenden, dass intermuskuläres Fett entzündliche Prozesse und Störungen im Glukosestoffwechsel auslösen könnte, die die Herzgesundheit beeinträchtigen. Ein höherer Anteil an fettfreier Muskelmasse hingegen zeigte eine schützende Wirkung.
Die Nachbeobachtung der Patientengruppe über sechs Jahre bestätigte, dass eine erhöhte Menge an intermuskulärem Fett mit schlechteren klinischen Ergebnissen einherging. Diese Beobachtungen werfen erneut Fragen zur Aussagekraft des BMI als alleinigen Indikator für Gesundheitsrisiken auf. Professor Dr. Viviany Taqueti, die die Studie leitete, betont, dass die Analyse der Körperzusammensetzung weitaus präzisere Erkenntnisse über das Herz-Kreislauf-Risiko liefern könne.
Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit weiterer Forschung, um geeignete Präventions- und Behandlungsstrategien zu entwickeln. Taqueti und ihr Team untersuchen derzeit, wie Maßnahmen wie Ernährungsumstellung, Bewegung und medikamentöse Therapien, darunter GLP-1-Rezeptoragonisten, das intermuskuläre Fett beeinflussen können. Diese Ansätze könnten eine Schlüsselrolle dabei spielen, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken.
Die Erkenntnisse über intermuskuläres Fett als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen werfen ein neues Licht auf die Defizite der bisherigen Gesundheitsbewertung. Insbesondere der Body-Mass-Index, der oft als Standardmaß für Übergewicht herangezogen wird, erweist sich einmal mehr als unzureichend, um individuelle Risiken präzise zu bewerten. Es zeigt sich, dass die Körperzusammensetzung, vor allem der Fettanteil in der Muskulatur, eine entscheidende Rolle spielt.
Diese Ergebnisse fordern eine Anpassung der klinischen Praxis. Präventionsstrategien sollten stärker personalisiert werden, indem neben dem BMI auch andere Parameter wie der intermuskuläre Fettanteil berücksichtigt werden. Gleichzeitig sind innovative Ansätze gefragt, um den Anteil dieses Fettes gezielt zu reduzieren. Ob Ernährung, Bewegung oder neue medikamentöse Therapien hier den größten Nutzen bieten, bleibt zu erforschen.
Für die Praxis bleibt die Herausforderung, diese Erkenntnisse in breite Gesundheitsstrategien zu übersetzen. Nur durch eine Kombination aus präziser Diagnostik und individuell zugeschnittener Prävention lässt sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachhaltig senken.
Fortschritte bei frühem Brustkrebs: Neue Chancen durch CDK4/6-Hemmer
CDK4/6-Hemmer erweitern seit wenigen Jahren die Therapiemöglichkeiten für hormonrezeptorpositiven, HER2-negativen Brustkrebs im Frühstadium. Ursprünglich für die Behandlung von metastasiertem Brustkrebs zugelassen, haben sich diese Wirkstoffe mittlerweile auch bei nicht metastasierten Tumoren als wirksam erwiesen. Sie bieten Patientinnen mit hohem Rückfallrisiko neue Perspektiven, stehen jedoch weiterhin im Fokus der Forschung.
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Die Behandlung richtet sich nach dem Tumorprofil, darunter die Hormonrezeptor- und HER2-Status sowie das Stadium der Erkrankung. Während bei hormonrezeptorpositiven Tumoren bisher endokrine Therapien und Chemotherapie die zentralen Behandlungsstrategien waren, markieren CDK4/6-Hemmer eine neue Ära der zielgerichteten Therapie.
CDK4/6-Hemmer blockieren spezifische Kinasen, die die Zellteilung fördern, und wirken besonders bei hormonabhängigen Tumorzellen. Seit ihrer Zulassung für fortgeschrittene Stadien haben Palbociclib, Ribociclib und Abemaciclib die Behandlungslandschaft verändert. 2022 erhielt Abemaciclib die Zulassung für die adjuvante Therapie bei frühem Brustkrebs in Kombination mit einer endokrinen Therapie bei Hochrisikopatientinnen. Ende 2023 folgte die Indikationserweiterung für Ribociclib.
Die Phase-III-Studie NATALEE hat gezeigt, dass die Kombination von Ribociclib und einem Aromatasehemmer die Rückfallrate signifikant reduziert. Nach einer dreijährigen Nachbeobachtung lag das Rezidivrisiko bei Patientinnen unter dieser Kombinationstherapie bei 9,6 Prozent, verglichen mit 12,9 Prozent unter alleiniger endokriner Therapie. Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion von 25,2 Prozent. Die niedrigere Dosierung von Ribociclib (400 mg anstelle von 600 mg bei metastasiertem Brustkrebs) trug dabei zu einer besseren Verträglichkeit bei.
Dennoch betonen Expertinnen und Experten, dass CDK4/6-Hemmer derzeit keine Alternative zur Chemotherapie darstellen. Die bisherige Forschung konzentrierte sich auf Hochrisikopatientinnen, die zuvor eine Chemotherapie erhielten. Ob Patientinnen mit mittlerem Risiko künftig chemotherapiefrei behandelt werden können, wird in der laufenden ADAPTcycle-Studie untersucht, deren Ergebnisse für 2027 erwartet werden.
Die bisherigen Fortschritte unterstreichen das Potenzial dieser Therapien, doch die klinische Anwendung bleibt limitiert. Langfristig könnten CDK4/6-Hemmer eine bedeutende Rolle in der personalisierten Krebstherapie einnehmen, vorausgesetzt, weitere Studien bestätigen ihre Wirksamkeit und Sicherheit in breiteren Patientengruppen.
Die Einführung von CDK4/6-Hemmern in die adjuvante Therapie von Brustkrebs ist zweifellos ein bedeutender Fortschritt. Sie bieten Patientinnen mit hohem Rückfallrisiko eine zusätzliche Option, die das Behandlungsspektrum erweitert. Gleichzeitig darf jedoch nicht übersehen werden, dass diese Medikamente nicht für alle Patientengruppen geeignet sind und weiterhin präzise Studien erforderlich sind, um ihren Nutzen zu validieren.
Die Begeisterung über diese neuen Therapien sollte nicht dazu führen, bewährte Verfahren wie die Chemotherapie vorschnell in Frage zu stellen. Vielmehr zeigt die aktuelle Forschung, wie wichtig ein ausgewogener und individualisierter Ansatz ist, der sowohl die Wirksamkeit als auch mögliche Nebenwirkungen berücksichtigt.
Die Zukunft der Brustkrebstherapie wird zunehmend von zielgerichteten Ansätzen geprägt sein. Dennoch bleibt die Herausforderung bestehen, die richtige Balance zwischen Innovation und bewährten Methoden zu finden. Nur so kann eine optimale Versorgung gewährleistet werden.
Fortschritte in der Lungenkrebstherapie: Präzise Ansätze für bessere Überlebenschancen
Die Behandlung von Lungenkrebs hat in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht, die auf individualisierte und molekular zielgerichtete Ansätze setzen. Dies unterstrich Professor Dr. Frank Griesinger, Direktor der Klinik für Hämatologie und Onkologie am Pius-Hospital Oldenburg, auf dem Fortbildungskongress Pharmacon in Schladming.
Lungenkrebs bleibt eine der häufigsten malignen Erkrankungen weltweit und stellt sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie eine besondere Herausforderung dar. Das nicht kleinzellige Bronchialkarzinom (NSCLC) ist mit einem Anteil von etwa 80 Prozent deutlich häufiger als das kleinzellige Bronchialkarzinom (SCLC). Beide Tumorarten erfordern jedoch unterschiedliche Behandlungsstrategien, die zunehmend von molekularen Biomarkern und der individuellen Tumorbiologie abhängig gemacht werden.
Zu den zentralen Fortschritten zählt der Einsatz von Tyrosinkinase- und Checkpoint-Inhibitoren. Diese Medikamente, die spezifisch auf molekulare Veränderungen in Tumorzellen abzielen, haben die Behandlungsmöglichkeiten erheblich erweitert. Im Fall des NSCLC ist eine umfassende Testung auf Biomarker wie PD-L1, EGFR oder ALK inzwischen unverzichtbar, um die Therapie optimal anzupassen. Insbesondere bei frühen Stadien hat sich eine neoadjuvante Induktionstherapie vor chirurgischen Eingriffen als neuer Standard etabliert.
Ein bemerkenswertes Beispiel für den Erfolg solcher Ansätze ist der EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor Osimertinib, der in der LAURA-Studie bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC beeindruckende Ergebnisse zeigte. Patienten, die mit Osimertinib behandelt wurden, hatten ein medianes progressionsfreies Überleben von 39,1 Monaten, verglichen mit 5,6 Monaten in der Placebo-Gruppe. Die relative Risikoreduktion für eine Krankheitsprogression betrug 84 Prozent. Darüber hinaus traten Hirnmetastasen unter Osimertinib deutlich seltener auf.
Auch beim kleinzelligen Bronchialkarzinom zeichnen sich neue Therapieansätze ab. Der bispezifische Antikörper Tarlatamab, der Tumorzellen gezielt durch Aktivierung von T-Zellen bekämpft, wird als potenzieller Meilenstein in der Behandlung von SCLC angesehen. Erste Studienergebnisse zeigen, dass Tarlatamab die hohen Rezidivraten dieser Tumorart signifikant reduzieren könnte.
Trotz der beeindruckenden Fortschritte bleibt die Herausforderung groß, die neuen Therapieansätze flächendeckend verfügbar zu machen und die hohen Kosten der personalisierten Medizin in den Griff zu bekommen. Dennoch deutet der Wandel in der Onkologie darauf hin, dass Patienten mit Lungenkrebs zunehmend von individuell abgestimmten Behandlungen profitieren können.
Die Fortschritte in der Lungenkrebstherapie markieren einen Wendepunkt in der Onkologie. Der Übergang von allgemeinen Behandlungsansätzen hin zu personalisierten Therapien ist nicht nur eine wissenschaftliche Errungenschaft, sondern auch ein ethisches und ökonomisches Thema. Während Studien wie LAURA oder CROWN eindrucksvoll belegen, dass zielgerichtete Medikamente die Überlebenschancen signifikant verbessern können, stellt sich die Frage, wie diese Therapien für alle Patienten zugänglich gemacht werden können.
Die Testung auf molekulare Biomarker ist ein zentraler Schritt, wird jedoch nicht überall konsequent umgesetzt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Gleichzeitig bleibt die Finanzierung der teuren Präparate eine Herausforderung, die nur durch einen gesellschaftlichen Konsens über den Wert innovativer Therapien zu lösen ist.
Letztlich zeigt der Fortschritt, dass eine präzisere Diagnostik und Therapie nicht nur medizinische Ergebnisse verbessern, sondern auch den Weg für eine nachhaltigere Onkologie ebnen können. Die onkologische Forschung steht jedoch erst am Anfang ihrer Möglichkeiten, und es bleibt abzuwarten, wie die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen diesen Wandel unterstützen werden.
Neue Therapieansätze bei frühem Brustkrebs: CDK4/6-Hemmer auf dem Prüfstand
CDK4/6-Hemmer haben in den letzten Jahren die Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem, HER2-negativem Brustkrebs erweitert. Diese Arzneimittelklasse, die ursprünglich für metastasierte Karzinome zugelassen wurde, spielt mittlerweile auch beim nicht metastasierten Mammakarzinom eine bedeutende Rolle. Der Pharmacon-Kongress in Schladming bot den Rahmen, um den aktuellen Forschungsstand und die Perspektiven dieser Therapien zu beleuchten. Die Münchner Onkologin Professor Dr. Rachel Würstlein zeigte dabei die Fortschritte, aber auch die offenen Fragen in diesem Bereich auf.
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Jede siebte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens daran. Bei hormonrezeptorpositivem, HER2-negativem Brustkrebs standen bis vor wenigen Jahren endokrine Therapien und Chemotherapie im Fokus. Mit der Einführung von CDK4/6-Hemmern wie Palbociclib, Ribociclib und Abemaciclib hat sich dies grundlegend verändert. Diese Substanzen blockieren gezielt die Zellteilung und haben sich vor allem in der Behandlung von metastasiertem Brustkrebs bewährt.
Seit 2022 wird Abemaciclib auch beim frühen Mammakarzinom eingesetzt. Die Zulassung umfasst die Kombination mit einer endokrinen Therapie bei Patientinnen mit hohem Rückfallrisiko. Ende 2023 folgte die Indikationserweiterung für Ribociclib. Studien zeigen, dass die Rückfallrate durch die Kombination von Ribociclib und einem Aromatasehemmer signifikant reduziert werden kann. In der Phase-III-Studie NATALEE lag die Rezidivrate nach drei Jahren bei 9,6 Prozent, verglichen mit 12,9 Prozent unter alleiniger endokriner Therapie. Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion von 25,2 Prozent.
Trotz der Fortschritte betonte Würstlein, dass CDK4/6-Hemmer derzeit keinen Ersatz für die Chemotherapie darstellen. Die NATALEE-Studie konzentrierte sich auf Hochrisikopatientinnen, die zuvor eine Chemotherapie erhalten hatten. Die Frage, ob Frauen mit mittlerem Risiko künftig chemotherapiefrei behandelt werden können, wird derzeit in der ADAPTcycle-Studie untersucht. Ergebnisse werden jedoch erst in einigen Jahren erwartet.
CDK4/6-Hemmer könnten in Zukunft eine größere Rolle in der personalisierten Brustkrebsbehandlung spielen. Die bisherigen Studienergebnisse zeigen klare Vorteile, dennoch bleiben wichtige Fragen offen, insbesondere zur Anwendung bei weiteren Patientengruppen. Die Forschung muss nun klären, ob sich die Therapie sicher und wirksam auf breitere Risikogruppen ausweiten lässt.
Die Fortschritte in der Behandlung von frühem Brustkrebs verdeutlichen, wie gezielte Therapien die Medizin revolutionieren können. Mit CDK4/6-Hemmern stehen neue Möglichkeiten zur Verfügung, die insbesondere Patientinnen mit hohem Rückfallrisiko Hoffnung geben. Doch trotz aller Euphorie darf nicht vergessen werden, dass diese Medikamente kein Allheilmittel sind. Die bisher vorliegenden Studienergebnisse sind vielversprechend, aber der Einsatz bleibt aktuell auf spezifische Gruppen beschränkt.
Der Weg zur personalisierten Medizin erfordert Geduld und präzise Forschung. Wichtige Fragen zur optimalen Patientenauswahl und zu möglichen langfristigen Nebenwirkungen sind noch unbeantwortet. Zudem bleibt abzuwarten, ob diese Therapie eines Tages die Chemotherapie ersetzen oder zumindest ergänzen kann.
Die Entwicklung in diesem Bereich ist ein Beispiel dafür, wie moderne Ansätze den Behandlungserfolg steigern können. Doch Fortschritt sollte nicht mit vorschnellen Entscheidungen verwechselt werden. Hier ist ein besonnener, wissenschaftlich fundierter Umgang mit den neuen Möglichkeiten gefragt.
Sozialgericht erkennt Post-Covid-Syndrom als Berufskrankheit an
Das Sozialgericht Heilbronn hat entschieden, dass ein an Post-Covid erkrankter Krankenpfleger Anspruch auf eine Verletztenrente hat. Damit wurde erstmals gerichtlich bestätigt, dass die Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion als Berufskrankheit anerkannt werden können, sofern ausreichende medizinische Nachweise vorliegen. Der Fall betrifft einen Klinikmitarbeiter, der sich im Dezember 2020 während seiner beruflichen Tätigkeit infiziert hatte. Die gesetzliche Unfallversicherung hatte die Infektion zunächst anerkannt und Verletztengeld bis Mitte 2021 gezahlt, sich jedoch geweigert, eine Verletztenrente zu gewähren.
Der Kläger, geboren 1963, leidet laut medizinischen Diagnosen an einem Post-Covid-Syndrom, das durch kognitive Einschränkungen und ein schwerwiegendes Fatigue-Syndrom geprägt ist. Die Symptome haben sich im Laufe der Zeit verschlimmert und beeinträchtigen seine Arbeits- und Lebensfähigkeit erheblich. Das Gericht stützte sich in seinem Urteil auf eine Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die eine fundierte wissenschaftliche Grundlage für die Langzeitfolgen von Covid-19 bietet.
Die Unfallversicherung hatte argumentiert, dass es an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion mangele. Diese Darstellung wies das Gericht zurück und bezeichnete die vorliegenden medizinischen Nachweise als ausreichend, um den Zusammenhang zwischen der Erkrankung und den Beschwerden des Klägers herzustellen. Nach Angaben des Sozialgerichts handelt es sich um eines der ersten Urteile dieser Art in Deutschland.
Die Entscheidung ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Die Unfallversicherung hat Berufung beim Landessozialgericht Stuttgart eingelegt. Dort laufen bereits mehrere Verfahren zur Anerkennung von Post-Covid-Syndromen als Berufskrankheit. Beobachter erwarten, dass der Fall Signalwirkung für ähnliche Streitfälle haben könnte, da viele Betroffene mit anhaltenden Beschwerden und rechtlicher Unsicherheit kämpfen.
Post-Covid, auch als Long-Covid bezeichnet, beschreibt Krankheitsbilder, die Wochen oder Monate nach einer akuten Covid-19-Infektion auftreten können. Besonders gravierend ist das Myalgische Enzephalomyelitis/Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS), das häufig zu dauerhaften Behinderungen führt. Fachleute fordern mehr Investitionen in die Forschung, um die Versorgung der Betroffenen zu verbessern. Trotz der abflauenden Pandemie bleibt die Behandlung dieser Patientengruppe nach Ansicht von Experten unzureichend.
Das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn markiert einen wichtigen Schritt im Umgang mit den Langzeitfolgen von Covid-19. Es unterstreicht, dass die medizinischen Erkenntnisse zum Post-Covid-Syndrom mittlerweile ausreichen, um dieses Krankheitsbild ernst zu nehmen und juristisch anzuerkennen. Für Betroffene bedeutet dies eine Chance auf finanzielle Unterstützung und eine Anerkennung ihres Leidens, das häufig als nicht greifbar abgetan wird.
Gleichzeitig zeigt der Fall, wie groß die rechtlichen und medizinischen Unsicherheiten in Bezug auf Post-Covid noch sind. Die Berufung der Unfallversicherung verdeutlicht, dass die Anerkennung von Langzeitschäden als Berufskrankheit weiterhin ein umkämpftes Terrain ist. Dies ist bedauerlich, da die Betroffenen nicht nur mit gesundheitlichen Einschränkungen, sondern auch mit bürokratischen Hürden kämpfen müssen.
Es bleibt abzuwarten, wie das Landessozialgericht Stuttgart in diesem Fall entscheidet. Klar ist jedoch, dass es dringend weiterer Forschung und besserer Versorgungskonzepte bedarf, um die anhaltenden Lücken in der Behandlung von Post-Covid-Patienten zu schließen. Die Politik steht in der Verantwortung, hier entschlossen zu handeln, bevor weitere Menschen dauerhaft aus dem Berufsleben gerissen werden.
Von Engin Günder, Fachjournalist