Berufsunfähigkeitsversicherung: Urteil zur Leistungspflicht trotz unsicherer Diagnose setzt Präzedenzfall
Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz könnte die Rechtslage bei Berufsunfähigkeitsversicherungen grundlegend verändern. Das Gericht entschied, dass die Leistungspflicht der Versicherung nicht zwingend von einer klaren Diagnose abhängig ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Erkrankung die berufliche Tätigkeit der versicherten Person dauerhaft einschränkt. Die Klägerin, eine selbstständige Friseurmeisterin, hatte den Anspruch auf ihre Berufsunfähigkeitsversicherung geltend gemacht, nachdem sie aufgrund chronischer Rückenbeschwerden und Bewegungseinschränkungen ihren Beruf nicht mehr ausüben konnte. Trotz zweier Gutachten blieb die genaue medizinische Ursache ihrer Beschwerden unklar. Während ein orthopädischer Gutachter eine degenerative Rückenerkrankung ausschloss und auf eine entzündliche Spondyloarthritis verwies, kam der internistisch-rheumatologische Gutachter zu dem Schluss, dass keine Spondyloarthritis vorlag und eine orthopädische Grunderkrankung die Beschwerden verursachte.
Das Oberlandesgericht entschied letztlich, dass die unklare Diagnose den Leistungsanspruch der Klägerin nicht beeinträchtigt. Vielmehr sei ausschlaggebend, dass die Friseurmeisterin aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen dauerhaft zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig sei. Diese Sichtweise stützt die bereits existierende Rechtsprechung, wonach bei Berufsunfähigkeitsfällen die Auswirkungen der gesundheitlichen Beschwerden auf die konkrete berufliche Tätigkeit im Mittelpunkt stehen. Nach Auffassung des Gerichts sind nicht die exakten Diagnosen, sondern die Einschränkungen im beruflichen Alltag maßgeblich. Der Versicherer wurde daher zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsleistungen ab dem festgestellten Zeitpunkt der Berufsunfähigkeit verurteilt.
Jan-Martin Weßels, Anwalt der auf Berufsunfähigkeitsfälle spezialisierten Kanzlei Weßels Rechtsanwälte, betonte, dass dieses Urteil eine bedeutsame Klarstellung für Versicherte darstellt. Die Entscheidung könnte künftig Versicherten in ähnlichen Situationen den Zugang zu Leistungen erleichtern, selbst wenn die exakte Ursache der Beschwerden strittig bleibt. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der Funktionsfähigkeit im Beruf als primäres Kriterium und könnte in zahlreichen Berufsunfähigkeitsverfahren als Referenz dienen.
Für Berufsgruppen, deren Tätigkeiten körperlich anspruchsvoll sind oder spezifische Belastungen erfordern, wie im Fall der selbstständigen Friseurmeisterin, könnte dieses Urteil Signalwirkung haben. Apotheker, die ebenfalls körperliche Anforderungen im Berufsalltag erleben, sollten sich auf mögliche Änderungen einstellen und ihre Versicherungsverträge prüfen. Neben klaren Leistungskriterien sollten gesundheitliche Risiken korrekt im Versicherungsvertrag festgehalten sein. Auch in Fällen, in denen eine Diagnose unklar bleibt oder unterschiedliche Fachärzte zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen, stärkt das Urteil die Position der Versicherten. Eine rechtliche Beratung bei Streitigkeiten über Berufsunfähigkeit kann Versicherten helfen, ihre Ansprüche durchzusetzen.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz markiert einen wichtigen Schritt in der Rechtsprechung zur Berufsunfähigkeitsversicherung. Indem es die genaue Diagnose in den Hintergrund rückt und die berufliche Funktionsfähigkeit in den Vordergrund stellt, bringt das Gericht mehr Fairness in das Leistungsprüfungsverfahren. Es macht deutlich, dass Versicherungen ihre Leistungspflicht nicht allein an eine eindeutig festgestellte Diagnose knüpfen dürfen, sondern die tatsächlichen Einschränkungen der Versicherten berücksichtigen müssen. Besonders für Berufsgruppen, bei denen sich Erkrankungen oft diffus zeigen und schwer zu diagnostizieren sind, wie es bei Rückenerkrankungen häufig der Fall ist, könnte dies zu einer spürbaren Entlastung führen. Versicherte, die bereits im Arbeitsalltag durch Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen belastet sind, können in Zukunft darauf bauen, dass ihnen Leistungen auch ohne exakte Diagnose zugesprochen werden.
Dieses Urteil ist ein Signal an Versicherungen, dass sie ihre Kunden nicht im Unklaren lassen und sie nicht durch bürokratische und medizinische Hürden vom Bezug der versicherten Leistungen ausschließen dürfen. Es bietet Versicherten Rückhalt und stärkt deren Rechte, wenn Erkrankungen nicht eindeutig klassifiziert werden können. In einem System, das oft darauf abzielt, Versicherte bei unklarer Diagnose in langen Prozessen zu zermürben, stellt das Urteil eine notwendige Korrektur dar.
Krankmeldungen auf Rekordhoch: Apotheken am Limit – Was Betreiber jetzt wissen müssen
In vielen Apotheken Deutschlands wird der Arbeitsdruck zunehmend zur Belastung für das Personal. Vor allem hohe Krankenstände setzen den Apothekenteams zu, die ohnehin durch steigende Anforderungen und die angespannte Versorgungssituation gefordert sind. Apothekerinnen und Apotheker sowie pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) arbeiten oft an ihrer Belastungsgrenze, was nicht nur das Wohl der Beschäftigten, sondern auch die Patientenversorgung gefährdet.
Die Ursachen des hohen Krankenstands sind vielfältig: Neben den saisonalen Erkältungswellen und Grippeinfektionen spielt die anhaltende Corona-Belastung eine Rolle. Hinzu kommen psychische Belastungen wie Stress und Erschöpfung, ausgelöst durch den stetig steigenden Arbeitsdruck. Für Apothekenbetreiber bedeutet dies zusätzliche Herausforderungen: Sie müssen kurzfristige Lösungen für den Personalengpass finden, etwa durch den Einsatz von Aushilfen oder die Zusammenarbeit mit benachbarten Apotheken. Ein weiteres Problem ist der Mangel an qualifizierten Fachkräften, der die Rekrutierung zusätzlich erschwert und die Arbeitsbelastung für das bestehende Team erhöht.
Experten raten Apothekenbetreibern, sich proaktiv mit der Thematik auseinanderzusetzen. „Es ist wichtig, frühzeitig Präventionsmaßnahmen zur Entlastung der Belegschaft zu ergreifen“, erklärt Arbeitsmedizinerin Dr. Susanne Weber. Hierzu zählen flexible Arbeitszeiten, das Angebot von Gesundheitsfördermaßnahmen und ein systematisches Abwesenheitsmanagement. Außerdem sollten Betre iber auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeitsbelastung und Erholungsphasen achten, um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden langfristig zu sichern. Auch psychologische Unterstützung in Form von Beratungsangeboten könnte eine sinnvolle Maßnahme sein, um die Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit des Teams zu stärken.
Die hohen Krankenstände erfordern zudem eine erhöhte Aufmerksamkeit in der Personalplanung. Ein genauer Blick auf die internen Prozesse kann oft zur Identifikation von Überlastungssymptomen beitragen und so helfen, die Arbeitsbedingungen im Betrieb nachhaltig zu verbessern. Darüber hinaus müssen Betreiber angesichts steigender Lohnkosten und der finanziellen Belastung durch krankheitsbedingte Ausfälle verstärkt auf betriebliche Absicherungen, wie etwa eine Krankentagegeldversicherung für die Angestellten, setzen, um ihre Kosten zu decken.
Der alarmierende Krankenstand in Apotheken ist ein dringendes Signal, das auf die Belastungsgrenzen vieler Beschäftigter hinweist. Apothekenbetreiber stehen vor einer schwierigen Aufgabe: Sie müssen nicht nur die akute Versorgung der Patienten sicherstellen, sondern gleichzeitig auch die Gesundheit und Zufriedenheit ihrer Belegschaft im Blick behalten. Hierbei handelt es sich um eine Gratwanderung, denn die Lösung des Personalengpasses ist weder kurzfristig noch einfach zu bewerkstelligen. Doch die Entwicklung zeigt, dass es mehr denn je einer strategischen Personalpolitik bedarf, die sowohl präventive als auch entlastende Maßnahmen integriert.
Nicht nur die finanzielle Komponente, sondern auch die moralische Verpflichtung der Arbeitgeber gegenüber den Beschäftigten sollte im Fokus stehen. Um dem hohen Arbeitsdruck in der Apothekenbranche entgegenzuwirken, sind kreative Lösungen gefragt: Arbeitszeiten flexibel gestalten, Belastungsspitzen gemeinsam abfedern und das Thema Gesundheit am Arbeitsplatz neu denken. So wird es Apotheken langfristig gelingen, ein motiviertes und gesundes Team aufzubauen, das den vielfältigen Herausforderungen des Berufsalltags gewachsen ist.
Gesundheitspolitik am Scheideweg: Lauterbachs Reformagenda steht vor dem Aus
Die Gesundheitsreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, die das Gesundheitsversorgungssystem in Deutschland grundlegend stärken soll, droht zu scheitern. Inmitten der politischen Spannungen und nach dem jüngsten Bruch der Ampel-Koalition fand gestern im Gesundheitsausschuss eine Anhörung zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) statt. Im Mittelpunkt standen über 40 Seiten mit 18 Änderungsanträgen, die letzte Impulse für das gesundheitspolitische Vorhaben setzen sollten. Ziel ist es, die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu stabilisieren und zukunftssicher zu gestalten – eine Herkulesaufgabe angesichts der Herausforderungen, die das System aktuell durch steigende Kosten, wachsende Bürokratie und den Mangel an Fachkräften belasten.
Doch die Voraussetzungen sind denkbar ungünstig. Das politische Gewicht der Ampel-Regierung ist nach dem Koalitionsbruch geschwächt, und ohne die Unterstützung der oppositionellen Union scheint das Vorhaben auf tönernen Füßen zu stehen. Gestern wurde klar, dass die Union nicht bereit ist, die gesundheitspolitische Linie der Ampel-Regierung mitzutragen, die sie als „unzureichend und am Bürger vorbei“ kritisiert. Die Folge: Es droht ein kompletter Stillstand der geplanten Reform, der nicht nur den Ausbau der Versorgungsstrukturen gefährdet, sondern auch weitere Unsicherheiten im Gesundheitswesen schafft.
Für Apothekenbetreiber sind die Auswirkungen dieser Blockade besonders gravierend. Das GVSG sah für sie Erleichterungen vor, etwa durch eine effizientere Gestaltung von Abrechnungsprozessen und mögliche Anpassungen bei den Lieferengpässen. Die geplanten Maßnahmen hätten Entlastung bringen können, da viele Apotheken durch die explodierenden Betriebskosten und den enormen Bürokratieaufwand ohnehin stark belastet sind. Auch hätten finanzielle Förderungen angestanden, um die wirtschaftliche Belastung der Apotheken abzufedern. Doch ohne eine Einigung mit der Union rücken diese Unterstützungsmöglichkeiten in weite Ferne.
Hinzu kommt, dass die Verbände im Gesundheitswesen, darunter auch der Apothekerverband, klare Erwartungen an die Reform gestellt haben. Sie drängen auf Anpassungen, die die Versorgungsstabilität sichern und die wirtschaftliche Basis der Apotheken stärken. Doch wenn die Verhandlungen scheitern, bleibt den Apothekenbetreibern wenig mehr, als auf Eigeninitiative zu setzen, um den Herausforderungen des Marktes standzuhalten.
Der aktuelle Stillstand in der Gesundheitsreform ist ein Symbol für die anhaltende Handlungsunfähigkeit der deutschen Politik, auf die Bedürfnisse eines kollabierenden Gesundheitssystems angemessen zu reagieren. Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG), das in seiner ursprünglichen Form umfassende Verbesserungen für die Apotheken und das gesamte Gesundheitswesen bringen sollte, droht zu einer politischen Schachfigur im Parteienkampf zu werden. Für die Apotheken, die als erste Anlaufstelle für viele Patienten im Gesundheitssystem fungieren, bedeutet dies eine ernüchternde Perspektive.
Die reformerischen Ansätze von Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatten das Ziel, die Position der Apotheken zu stärken, indem bürokratische Hürden abgebaut, Fördergelder bereitgestellt und die Versorgungssicherheit in strukturschwachen Regionen gefestigt werden sollten. Doch die politische Realität zeigt ein anderes Bild. Die Union sieht in der Ampel-Politik eine mangelnde Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bürger und blockiert jegliche Fortschritte. Damit zementiert sich ein Reformstau, der letztlich die Schwächsten trifft: die Patienten und das überlastete Apothekenpersonal.
Apothekenbetreiber sehen sich gezwungen, zunehmend selbst nach Lösungen zu suchen, um die steigenden Anforderungen zu bewältigen. Dies reicht von Kostensenkungen über interne Umstrukturierungen bis hin zu verstärkter Digitalisierung, um mit dem wachsenden Dokumentationsaufwand Schritt zu halten. Diese Selbsthilfe ist jedoch nicht nachhaltig, da die externen Belastungen durch fehlende politische Unterstützung weiterhin überwiegen. Die Kosten für Mieten, Energie und Personallöhne steigen weiter, während die Einnahmen stagnieren – eine gefährliche Mischung, die vor allem für kleine und mittelständische Apotheken existenzbedrohend ist.
Die Blockadehaltung der Union in der Gesundheitspolitik mag aus parteipolitischen Gründen gerechtfertigt erscheinen, doch die Konsequenzen sind fatal. Ohne tragfähige Reformen wird das Gesundheitssystem weiter ausbluten. Die Apotheken, als essenzieller Bestandteil der Gesundheitsversorgung vor Ort, werden zum Spielball im politischen Machtkampf, anstatt die dringend benötigte Unterstützung zu erhalten. Die Bevölkerung, besonders in ländlichen Regionen, riskiert damit eine zunehmende Unterversorgung und längere Wege zur nächsten Apotheke.
Es bleibt zu hoffen, dass der politische Stillstand aufgebrochen wird und die Notwendigkeit gemeinsamer Lösungen in den Vordergrund rückt. Ein Versäumnis wäre eine vertane Chance und ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die täglich für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung einstehen.
Apothekerkammer Nordrhein-seitiger Reform- und Ehrenanpassung
In einer wegweisenden Kammerversammlung stellte Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR), die Herausforderungen und Forderungen der Apothekerschaft in den Mittelpunkt. Er betonte die Rolle der Apotheken als vertrauenswürdige Anlaufstelle für die Menschen, besonders in Zeiten zunehmender Unsicherheiten in der Arzneimittelversorgung. Angesichts drohender Engpässe bei Arzneimitteln, niedriger Erträge und eines verschärften Fachkräftemangels mahnte Hoffmann eine dringende Anpassung des Apothekenhonorars an. „Es droht eine nicht enden wollende Hängepartie bei dringend nötigen Reformen – das können wir uns nicht leisten und auch den Patientinnen und Patienten im Land nicht zumuten,“ erklärte er und forderte weitere, richtungsweisende Impulse.
Professor Dr. Frank Stollmann, Leitender Ministerialrat im nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium, bekräftigte die Honorarforderungen und betonte die Notwendigkeit von Planungssicherheit für Apotheken. „Die Apothekerschaft braucht Planungssicherheit, das sehen wir im Ministerium ganz genau so.“ Dabei verwies er auch auf die Herausforderungen der gesetzlichen Krankenversicherung, die mit eigenen finanziellen Schwierigkeiten kämpft. Trotz dieser Belastungen sei ein höheres Honorar für Apotheken wichtig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und das Gesundheitssystem nachhaltig zu stärken.
Neben den Forderungen zur Vergütung skizzierte Hoffmann auch die strategischen Schwerpunkte der Kammer für die kommenden Jahre. Im Fokus stehen dabei Positionspapiere zur Telepharmazie und zu Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Diese sollen nicht nur die Digitalisierung in Apotheken vorantreiben, sondern auch die Rolle der Apotheken in der digitalen Gesundheitslandschaft stärken. „Mit unseren Positionspapieren zur Telepharmazie und Digitalen Gesundheitsanwendungen haben wir schon erste wichtige Impulse gesetzt“, so Hoffmann. Man plane zudem, intensiver mit anderen Kammern zusammenzuarbeiten, um die Interessen der Apotheken auf Bundesebene stärker zur Geltung zu bringen.
Die Mitgliederversammlung beschloss den Haushaltsplan einstimmig. In Anerkennung ihres langjährigen Engagements für die berufsständische Selbstverwaltung wurden mehrere Apothekerinnen und Apotheker mit Ehrennadeln in Bronze, Silber und Gold ausgezeichnet.
Für die Apotheken bedeutet die aktuelle Entwicklung, sich auf strukturelle und digitale Neuerungen einzustellen. Der Druck, digitale Dienstleistungen wie Telepharmazie anzubieten und sich an die fortschreitende Digitalisierung anzupassen, wächst – verbunden mit der Herausforderung, den dafür nötigen Aufwand zu leisten und auf notwendige Investitionen vorbereitet zu sein.
Die Forderungen der Apothekerkammer Nordrhein kommen zu einem kritischen Zeitpunkt, da das Gesundheitssystem zunehmend unter Druck gerät. Dr. Armin Hoffmann trifft mit seinen Worten den Nerv einer Branche, die sich mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert sieht. Engpässe in der Arzneimittelversorgung, sinkende Erträge und der Fachkräftemangel sind Symptome einer tieferliegenden Krise, die nicht ignoriert werden kann. Ohne eine Anpassung des Apothekenhonorars und klare Reformschritte droht das System zu kippen – und die Versorgung der Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen zu werden.
Professor Stollmanns Unterstützung zeigt, dass die Forderungen nicht unbeachtet bleiben. Doch die Hürden auf Seiten der gesetzlichen Krankenversicherungen und die finanziellen Zwänge des Gesundheitssystems könnten ein Hindernis darstellen. Dennoch ist eine Investition in die Zukunft der Apotheken dringend nötig. Die Positionspapiere zur Telepharmazie und den Digitalen Gesundheitsanwendungen setzen die richtigen Zeichen: Apotheken müssen im digitalen Wandel mitgehen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Kooperation und politische Durchsetzungskraft werden nun entscheidend sein, damit die Apothekerschaft in diesem Umbruch bestehen kann.
Medienmacht im Gesundheitswesen: Wie CGM-Milliardär Gotthardt politische Spannungen schürt
Frank Gotthardt, Gründer und Hauptaktionär von CompuGroup Medical (CGM), hat sich als eine der prägenden Persönlichkeiten im deutschen Gesundheitswesen etabliert. Sein Unternehmen CGM ist führend in der Bereitstellung von IT-Lösungen für Arztpraxen, Kliniken und Apotheken, unterstützt die digitale Vernetzung und sorgt für eine sichere Verarbeitung sensibler Gesundheitsdaten. Doch neben seinem Engagement im Gesundheitswesen verfolgt Gotthardt auch politische Interessen: Er finanziert Medienplattformen wie „Nius“ und „Achtung Reichelt!“, die sich durch eine konservative bis rechtspopulistische Ausrichtung auszeichnen und mit markanten, oft polarisierenden Inhalten auffallen.
Die Strategie hinter diesen Investitionen stößt auf zunehmende Kritik, insbesondere im Kontext der besonderen gesellschaftlichen Rolle, die Gotthardts Unternehmen im Gesundheitsbereich spielt. Als Marktführer in der IT-Gesundheitsbranche hat CGM erhebliche Einflüsse auf die Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems. Durch seine Investitionen in politisch kontroverse Medien entsteht ein Interessenskonflikt, der Fragen zur Verantwortung und Neutralität aufwirft. Kritiker befürchten, dass Gotthardts Engagement im Medienbereich das Vertrauen in CGM als neutralen Partner des Gesundheitssystems untergraben könnte, da die geförderten Portale klar politisch motivierte Inhalte verbreiten.
„Nius“ und „Achtung Reichelt!“ bieten Plattformen für Meinungen und Beiträge, die sich oft gegen etablierte Medien und politische Entscheidungsträger richten. Die Portale greifen Themen auf, die in ihrer Berichterstattung häufig gezielt auf gesellschaftliche Unzufriedenheit und Wut abzielen, darunter Migrationspolitik, Klimaschutz und deutsche Innenpolitik. Während Anhänger solcher Portale die offene und kritische Auseinandersetzung als wertvoll betrachten, sieht ein wachsender Teil der Öffentlichkeit darin eine gezielte Einflussnahme auf die politische Landschaft, die insbesondere in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spannungen kritisch zu bewerten ist.
Die Frage, wie sich der Einfluss privater Medieninvestoren mit politischen Absichten auf die Meinungsbildung auswirkt, gewinnt durch das Beispiel Gotthardt neue Dringlichkeit. Mehrere politische Stimmen fordern eine Überprüfung der medialen Beteiligungen einflussreicher Personen und ihrer Rolle im öffentlichen Diskurs. Für das deutsche Gesundheitswesen stellt sich zudem die Frage, ob Gotthardts Aktivitäten das Bild der Neutralität trüben, das CGM als Unternehmen bisher vertreten hat.
Frank Gotthardts Einstieg in den Mediensektor zeigt, wie eng wirtschaftlicher Erfolg und politischer Einfluss miteinander verwoben sein können. Seine Aktivitäten werfen grundsätzliche Fragen zur Verantwortung von Akteuren auf, die einerseits wesentliche Sektoren wie das Gesundheitswesen prägen und andererseits durch ihre Medienprojekte gezielt auf die politische Meinungsbildung einwirken.
Ein Gesundheits-IT-Riese wie CompuGroup Medical trägt besondere Verantwortung – als Datenverwalter im Gesundheitswesen und als Unternehmen, das Vertrauen der Bevölkerung genießt. Doch Gotthardts Investitionen in polarisierende Plattformen wie „Nius“ und „Achtung Reichelt!“ stellen dieses Vertrauen auf die Probe. Wenn Medienportale gezielt gesellschaftliche Konflikte verstärken, gerät das Gesundheitswesen selbst in einen fragilen Kontext. Es drängt sich die Frage auf, ob der Einfluss einer solchen Persönlichkeit auch auf politische Entscheidungsprozesse im Gesundheitsbereich wirken könnte.
Gotthardt argumentiert möglicherweise, dass Meinungsvielfalt und Pluralität ein wichtiges Gut der Demokratie sind. Doch ein Spannungsfeld zwischen der Förderung von Meinungsvielfalt und der bewussten Förderung gesellschaftlicher Spannungen bleibt bestehen. Die Frage ist nicht nur, ob Gotthardt seine Medienprojekte finanzieren darf, sondern auch, inwieweit ein solches Engagement der Verantwortung eines Marktführers gerecht wird, der eng in die Gesundheitsversorgung eingebunden ist.
Gotthardts Vorgehen verdeutlicht, dass die Balance zwischen geschäftlicher Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung ein sensibles Thema ist. Gerade in einem politisch polarisierten Klima ist es entscheidend, wie und von wem Informationen verbreitet werden.
Dm setzt auf 24/7-Abholstationen und KI: Drogeriekette forciert Kundennähe und Prozessoptimierung
Die Drogeriemarktkette dm hat im letzten Geschäftsjahr ihren Umsatz erneut steigern können und kündigt jetzt wegweisende Maßnahmen an, um die Bindung zu ihrer Kundschaft weiter zu stärken. Nach Unternehmensangaben wurde der Umsatz in Deutschland um 9,5 Prozent auf fast 12,5 Milliarden Euro gesteigert. Der konzernweite Umsatz stieg um 11,6 Prozent und überschritt erstmals die Marke von 17,7 Milliarden Euro. Vor allem die Nachfrage nach dm-Eigenmarken befeuerte dieses Wachstum.
Um den sich verändernden Einkaufsgewohnheiten gerecht zu werden, experimentiert dm aktuell mit neuen, kundenfreundlichen Optionen, darunter Abholstationen, die rund um die Uhr zugänglich sind. „Wir testen 24/7-Abholstationen, die den Einkauf unabhängig von Öffnungszeiten ermöglichen“, sagte Christoph Werner, Vorsitzender der Geschäftsführung. Damit reagiert dm auf die wachsende Nachfrage nach flexiblen Einkaufsmöglichkeiten und will Kunden auch außerhalb der regulären Geschäftszeiten bedienen. Werner unterstrich die Relevanz, das Kundenfeedback zu dieser Innovation genau zu analysieren.
Parallel investiert dm in ein umfassendes Redesign seiner Filialen. Mit über einer Milliarde Euro soll in den kommenden fünf Jahren das Erscheinungsbild in Deutschland modernisiert werden, um dem Kunden ein verbessertes Einkaufserlebnis zu bieten. Die Umgestaltung soll dabei sowohl das Markenbild stärken als auch die Verweildauer der Kunden fördern. Ein weiteres zentrales Element der Strategie: Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Prozessoptimierung und Steigerung der Effizienz im gesamten Unternehmen. „Die Implementierung generativer KI bietet enormes Potenzial zur Produktivitätssteigerung“, so Werner.
Dm befindet sich zudem weiter auf Expansionskurs: Im letzten Jahr eröffnete die Kette europaweit 80 neue Märkte, sodass dm nun insgesamt über 4.100 Filialen betreibt, davon allein 2.131 in Deutschland. Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stieg entsprechend und liegt jetzt bei knapp 90.000, mit mehr als 60.000 Beschäftigten in Deutschland.
Der Erfolg von dm zeigt sich auch in der Kundenzufriedenheit und Kaufhäufigkeit: Allein in Deutschland verzeichnete das Unternehmen 675 Millionen Einkäufe im vergangenen Jahr – das entspricht täglich mehr als 2,1 Millionen Kunden. Diese Entwicklung, betonte Werner, sei vor allem durch das Vertrauen und die Zufriedenheit der Kundschaft getrieben und nicht bloß durch Preisanpassungen.
Die neuesten Entwicklungen bei dm verdeutlichen die Weitsicht des Unternehmens, auf technologische Trends und veränderte Kundenbedürfnisse einzugehen. Die Einführung von 24/7-Abholstationen signalisiert einen Wandel hin zu größerer Kundenorientierung und Flexibilität – ein Konzept, das für die Drogeriebranche bislang untypisch ist, sich jedoch als Pionierprojekt bewähren könnte. Für die Konsumenten bedeutet dies eine neue Art des Zugangs zu Drogerieprodukten, die das digitale Zeitalter widerspiegelt und den Ansprüchen einer mobilen Gesellschaft gerecht wird.
Die Investition in Künstliche Intelligenz zeigt, dass dm erkannt hat, wie wichtig Effizienzgewinne in einem hart umkämpften Markt sind. Durch Prozessoptimierung via KI kann dm nicht nur Kosten senken, sondern auch personalisierte Dienstleistungen und innovative Serviceangebote entwickeln, die die Kundenbindung weiter stärken. Diese Digitalisierungsstrategie könnte für andere Branchen als Vorbild dienen, insbesondere im Apothekenwesen, das sich mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sieht.
Dm hebt sich durch den Mut zu Innovationen und die Bereitschaft zur kontinuierlichen Weiterentwicklung im Markt hervor. Die Frage bleibt, ob diese Vorreiterrolle andere dazu motivieren wird, ähnliche Konzepte zu übernehmen.
Merck meldet Aufschwung dank Halbleiter und Künstlicher Intelligenz
Der Darmstädter Pharma- und Technologiekonzern Merck zeigt nach einer durch die Pandemie verursachten Schwächephase deutliche Erholungstendenzen. Im dritten Quartal 2024 konnte das Unternehmen, das im DAX gelistet ist, seinen Umsatz um 1,8 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro steigern. Ein wichtiger Wachstumstreiber war die zunehmende Nachfrage nach Materialien für moderne Halbleiter sowie Anwendungen für Künstliche Intelligenz, die bei Merck zu einem signifikanten Umsatzplus führten. Diese Entwicklungen stehen im Zeichen der strategischen Ausrichtung des Konzerns, der in den letzten Jahren zunehmend auf Zukunftsbereiche wie Halbleitertechnologie und KI-Forschung gesetzt hat.
Auch das Pharmageschäft des Konzerns entwickelte sich trotz Rückschlägen in der Arzneimittelforschung positiv. Nachdem Merck die Arbeiten an den Medikamenten Evobrutinib gegen Multiple Sklerose und Xevinapant zur Krebsbehandlung eingestellt hatte, konzentriert sich das Unternehmen nun stärker auf die Lizenzierung vielversprechender Medikamente von Drittanbietern, während die eigenen Forschungsausgaben gesenkt wurden. Dieser Kurswechsel scheint Früchte zu tragen: Das operative Ergebnis in der Pharmasparte konnte dank der Einsparungen deutlich gesteigert werden.
Ein weiteres Anzeichen der Erholung zeigt sich in Mercks Laborsparte, die seit dem ersten Quartal 2023 erstmals wieder ein organisches Wachstum verzeichnete. Dieser Geschäftsbereich, der während der Pandemie von einer außergewöhnlich hohen Nachfrage durch Impfstoffhersteller profitierte, war in den letzten Quartalen von einer Nachfrageschwäche betroffen, als Kunden ihre vollen Lagerbestände abbauten. Nun scheint der Lagerabbau weitgehend abgeschlossen, und die Nachfrage zieht langsam wieder an. Unterstützt durch Effizienzmaßnahmen, konnte der Bereich erstmals wieder einen Gewinnzuwachs verzeichnen.
Merck will zudem verstärkt von den Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz profitieren. Die Herstellung von leistungsfähigen KI-Chips erfordert spezialisierte Materialien, und Merck sieht hier großes Potenzial, diese Nischenmärkte mit innovativen Lösungen zu bedienen. Vorstandschefin Belén Garijo äußerte sich optimistisch und betonte, dass das Unternehmen trotz der Herausforderungen der letzten Jahre auf einem nachhaltigen Wachstumspfad sei.
Die positiven Quartalszahlen veranlassten Merck zur Präzisierung der Jahresprognose. Das Unternehmen erwartet nun, den Jahresumsatz in der unteren Hälfte der prognostizierten Bandbreite von 20,7 bis 22,1 Milliarden Euro zu erreichen, während das bereinigte operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen im mittleren Bereich der Spanne von 5,8 bis 6,4 Milliarden Euro liegen soll. Merck unterstreicht damit seinen Anspruch, mit einer breiten strategischen Ausrichtung auf langfristiges Wachstum zu setzen und in innovativen Märkten seine Position auszubauen.
Merck zeigt eindrucksvoll, wie sich ein globaler Konzern an veränderte Marktbedingungen anpassen kann. Die Entscheidung, verstärkt auf Technologien wie Halbleiter und Künstliche Intelligenz zu setzen, könnte sich für den Pharmakonzern als richtungsweisend erweisen. Durch den Fokus auf spezifische Wachstumsfelder und die Reduzierung der eigenen Forschungskosten im Pharmabereich schafft Merck die nötigen Freiräume, um flexibel auf Marktchancen zu reagieren. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und konjunktureller Schwankungen zeigt Merck so, dass Innovation und eine gezielte strategische Neuausrichtung die besten Mittel sind, um Herausforderungen erfolgreich zu meistern.
Keine Pflicht für Apotheken zur Abgabe von Diätetika: Genehmigungsregelungen in Berlin erschweren Versorgung
Apotheken in Berlin sind nicht verpflichtet, bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung, wie etwa Trinknahrung, vorrätig zu halten oder auf Bestellung anzubieten. Obwohl diese Produkte wie Arzneimittel verordnet werden, fallen sie nicht unter den sogenannten Kontrahierungszwang, der für Apotheken bei der Abgabe von Medikamenten und Medizinprodukten gilt. Für Diätetika gilt eine eigene Regelung: Gemäß § 31 Abs. 5 des Sozialgesetzbuches (SGB V) haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf solche Produkte, wenn eine medizinische Notwendigkeit gegeben ist. Diese wird durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegt, der in Richtlinien festhält, unter welchen Voraussetzungen bilanzierte Diäten verordnet werden können. Eine Liste der verordnungsfähigen Produkte wird regelmäßig im Bundesanzeiger veröffentlicht.
In Berlin greift zudem eine besondere Genehmigungsregelung für die Abgabe von Diätetika durch Apotheken. Wird der Abgabepreis einer Gesamtverordnung von 55 Euro inklusive Mehrwertsteuer überschritten, muss die Apotheke bei den Primärkassen vorab eine Genehmigung einholen, es sei denn, die Krankenkasse verzichtet explizit darauf. Der Genehmigungsprozess ist klar geregelt: Apotheken haben ein Zeitfenster von acht Stunden, um eine Rückmeldung von der Kasse zu erhalten. Erfolgt in dieser Frist keine Ablehnung, gilt die Genehmigung als erteilt. Zu den Kassen, die auf eine Vorabgenehmigung verzichten, gehören unter anderem die AOK Nordost und die Knappschaft. Lediglich die IKK Innovationskasse besteht weiterhin auf eine Vorabgenehmigung, unabhängig von der Höhe des Abgabepreises.
Für Apotheken in Berlin bedeutet diese Regelung sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Da eine Präqualifizierung für die Abgabe dieser speziellen Produkte nicht erforderlich ist, müssen Apotheken lediglich dem Arzneiversorgungsvertrag der Stadt und dem Vertrag der Ersatzkassen beitreten. Die Preisgestaltung für bilanzierte Diäten ist im Arzneiversorgungsvertrag klar definiert und basiert auf dem Apothekeneinkaufspreis (AEK) mit einem variablen Aufschlag, der je nach Preis des Produkts zwischen 2 und 12 Prozent beträgt. Für besondere Produkte, wie Diätetika bei Enzymmangel oder Eiweißhydrolysate, gilt eine abweichende Kalkulation.
Das Prozedere stellt die Apotheken jedoch vor zusätzliche Verwaltungsaufwände und rechtliche Hürden, insbesondere, da die DAK Gesundheit und die KKH die Preisregelungen im Vertrag gekündigt haben. Für Apotheken ergibt sich dadurch ein erhöhter Abstimmungsbedarf mit den Krankenkassen und eine potenziell uneinheitliche Genehmigungspraxis. Bei individuellen Einzelfallentscheidungen, wie sie im Bereich der Diätetika üblich sind, wird das bürokratische Verfahren zu einer Belastungsprobe. Für die Versorgung der Versicherten stellt dies eine Herausforderung dar, zumal die Apotheken bei Ablehnung einer Genehmigung die Verordnung sofort an die Patienten zurückgeben müssen.
Die fehlende Verpflichtung zur Abgabe von Diätetika mag Apotheken entlasten, doch die strengen Genehmigungsanforderungen führen zu erheblichen Verzögerungen und bürokratischen Hindernissen. Insbesondere in der Großstadt Berlin, wo die Nachfrage nach spezialisierten diätetischen Produkten stetig steigt, sind die Hürden im Genehmigungsprozess eine Herausforderung für die Versorgungsqualität. Patienten, die auf diese Form der enteralen Ernährung angewiesen sind, werden oft von bürokratischen Prozessen aufgehalten, die ihre Versorgung beeinträchtigen können.
Für Apotheken bedeutet dies nicht nur einen erhöhten Verwaltungsaufwand, sondern auch das Risiko, dass Rezepte aufgrund der Bürokratie verweigert werden. Ein klarer Handlungsauftrag an die Krankenkassen und Politik ist daher erforderlich, um eine vereinfachte und einheitliche Genehmigungspraxis zu schaffen, die sowohl die Versorgungssicherheit für die Patienten gewährleistet als auch den Apotheken gerecht wird.
Union pocht auf Stärkung der Apotheken: Lauterbachs Reformpläne auf dem Prüfstand
Mit dem Ende der Ampel-Koalition scheinen viele geplante Reformen des Gesundheitsministeriums in einer Schwebe zu verharren, darunter auch die lang diskutierte Apothekenreform. In einer Phase zunehmender Unsicherheit ist die Unterstützung der Union im Bundestag entscheidend, um wesentliche gesundheitspolitische Projekte durchzusetzen. Stephan Pilsinger, Bundestagsabgeordneter der CDU/CSU-Fraktion, äußerte in einer Anfrage an die Bundesregierung deutliche Bedenken und forderte Klarheit darüber, welche Reformvorhaben der amtierende Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) noch vor der endgültigen Abstimmung auf den Weg bringen will. Pilsinger betonte dabei, dass die Apothekenbranche im Fokus einer Reform stehen sollte, die ihrer tragenden Rolle im Gesundheitswesen gerecht wird.
Die derzeitigen Pläne Lauterbachs umfassen eine weitreichende Modernisierung der Apothekenlandschaft in Deutschland, insbesondere durch eine verstärkte Digitalisierung und eine erweiterte Einbindung in die telemedizinische Versorgung. Ein Kernziel ist die Sicherstellung der Versorgungssicherheit, insbesondere in ländlichen Regionen, wo Apotheken zunehmend unter wirtschaftlichem Druck stehen. Lauterbach sieht zudem die Möglichkeit, Apotheken stärker als Schnittstelle zwischen Arzt und Patient zu etablieren. Dazu gehören auch neue Konzepte, die den elektronischen Rezeptverkehr fördern und Apotheken in die Lage versetzen sollen, stärker in Präventions- und Beratungsangebote eingebunden zu werden. Allerdings bleibt unklar, ob diese Reformen wirklich im Interesse der Apotheken liegen, da sie auch eine signifikante Erweiterung bürokratischer Anforderungen mit sich bringen könnten.
Apothekenbetreiber sind alarmiert, denn neben den ohnehin steigenden Kosten für Personal, Miete und Logistik würden viele der geplanten Maßnahmen zusätzliche Investitionen in IT-Infrastruktur und die Ausbildung des Personals erforderlich machen. Die Frage, wie Apotheken mit den zunehmenden Anforderungen Schritt halten können, bleibt offen. Angesichts der jüngsten Preissteigerungen bei Medikamenten und Engpässen in der Lieferkette fordern Apothekenverbände eine klarere finanzielle Unterstützung und eine Entlastung von bürokratischen Vorgaben, um ihre Versorgungsfunktion weiterhin aufrechtzuerhalten.
Pilsinger sieht hier Handlungsbedarf: Lauterbachs Reform muss aus Sicht der Union so gestaltet werden, dass sie die wirtschaftliche Existenz der Apotheken sichert und eine echte Entlastung bringt, statt zusätzliche Belastungen. Sollten die Vorhaben jedoch keine Mehrheit im Bundestag finden, wäre die Bundesregierung gezwungen, die Maßnahmen per Verordnung durchzusetzen. In einem solchen Fall könnten Apotheker auf einschneidende Änderungen vorbereitet werden, die ohne vorherige parlamentarische Abstimmung in Kraft treten würden. Die Zukunft der Apotheken hängt somit am seidenen Faden politischer Entscheidungen, die nicht nur die Arbeitsweise, sondern auch das Fortbestehen zahlreicher Apothekenbetriebe beeinflussen könnten.
Die aktuelle politische Lage versetzt die Apothekenbranche in eine Phase großer Unsicherheit. Die Reformpläne des Gesundheitsministers spiegeln einerseits den Druck wider, auf digitale Transformation und eine verbesserte Gesundheitsversorgung zu setzen, aber andererseits fehlt bislang die nötige Rücksicht auf die finanziellen und operativen Belastungen, die eine solche Reform für Apotheken bedeutet. Stephan Pilsinger bringt hier eine entscheidende Perspektive ein: Die Apothekenreform muss sich auch daran messen lassen, wie gut sie die Interessen und Bedürfnisse der Apothekerinnen und Apotheker berücksichtigt.
In der Praxis kämpfen viele Apotheken mit bürokratischen Hürden, die den Arbeitsalltag zunehmend erschweren. Lauterbachs geplante Einbindung der Apotheken in die telemedizinische Versorgung könnte theoretisch eine sinnvolle Erweiterung der Gesundheitsversorgung darstellen. Doch ohne eine praktikable Umsetzung und ohne entsprechende finanzielle Förderung besteht die Gefahr, dass Apotheken durch zusätzliche Verwaltungsaufgaben schlichtweg überlastet werden. Die Notwendigkeit, sich in den Bereichen IT und Digitalisierung weiterzuentwickeln, ist unumstritten, doch sollten Apotheken hier nicht allein gelassen werden. Investitionen in moderne Technik, regelmäßige Schulungen für das Personal und die Implementierung neuer Dokumentationsverfahren bedeuten für viele Apotheken zusätzliche Kosten, die derzeit nicht gedeckt sind.
Ein weiterer Aspekt ist die zunehmend prekäre Versorgungslage in ländlichen Regionen, in denen Apotheken oft die einzige Anlaufstelle für die medizinische Grundversorgung darstellen. Ohne gezielte Unterstützung und Anreize könnte die Reform hier kontraproduktiv wirken und das Apothekensterben noch beschleunigen. Eine durchdachte Reform sollte darauf abzielen, die Standorte zu sichern und die Apotheken in ihrer Rolle als unverzichtbarer Bestandteil des Gesundheitswesens zu stärken.
Die Union fordert daher zurecht eine Apothekenreform, die realistische Lösungen statt idealistischer Versprechungen bietet. Es geht nicht nur um Digitalisierung und Telemedizin, sondern um eine nachhaltige Zukunft für eine Branche, die seit Jahren unter wirtschaftlichem Druck steht und die Folgen unzureichender politischer Entscheidungen direkt zu spüren bekommt. Pilsingers Einsatz für eine „stärkende Apothekenreform“ ist ein wichtiger Impuls für die anstehenden politischen Diskussionen und könnte letztlich darüber entscheiden, ob Lauterbachs Reformpläne das Gesundheitssystem stützen oder die Apothekenlandschaft weiter destabilisieren.
PharmaSGP steigert Auslandserlöse und hebt Jahresprognose an
PharmaSGP setzt seinen Wachstumskurs im Ausland fort und verzeichnet in seinen Kernmärkten deutliche Umsatzsteigerungen. Getragen von den Marken Rubaxx, Restaxil und Neradin konnte das Unternehmen im bisherigen Jahresverlauf besonders in Deutschland, Italien und Österreich zulegen. Während die Umsätze in Deutschland um 7 Prozent auf 40 Millionen Euro stiegen, verdoppelte sich der Umsatz in Italien auf 11 Millionen Euro. Auch in Österreich konnte das Unternehmen ein Viertel mehr absetzen, was einem Anstieg auf über 5 Millionen Euro entspricht.
Das dritte Quartal bestätigt diese Entwicklung, wie CEO Natalie Weigand feststellt. Sie betonte, dass PharmaSGP trotz eines weiterhin herausfordernden wirtschaftlichen Umfelds seine positive Entwicklung fortsetzt. Diese Dynamik führt das Unternehmen auf seine Plattform und Marketingstrategie zurück, die es ermöglichen, sowohl bestehende Marken zu stärken als auch neue Produkte erfolgreich am Markt zu etablieren.
Angesichts der Geschäftsergebnisse passt der Vorstand seine Umsatzprognose für das laufende Jahr nach oben an. Die neuen Zielzahlen sehen einen Jahresumsatz zwischen 112 und 117 Millionen Euro vor, was jeweils fünf Millionen Euro über den bisherigen Erwartungen liegt. Auch beim operativen Ergebnis, dem bereinigten Ebitda, geht PharmaSGP von einem Anstieg aus: Nach neun Monaten liegt das Ebitda bei 27 Millionen Euro, was einem Zuwachs von 9 Prozent entspricht. Für das Gesamtjahr erwartet das Unternehmen ein Ebitda zwischen 35 und 38 Millionen Euro.
Finanzvorstand Michael Rudolf bekräftigte die positive Bilanz und hob das dynamische Umsatzwachstum der ersten neun Monate hervor. Mit Blick auf die kommenden Jahre zeigt sich PharmaSGP aufgrund seiner stabilen finanziellen Basis optimistisch und rechnet mit einer Fortsetzung des Wachstumskurses über das Jahr 2024 hinaus.
PharmaSGP setzt mit dem erneuten Wachstumssprung ein deutliches Zeichen im internationalen Wettbewerb. In einem Marktumfeld, das durch wirtschaftliche Unsicherheiten und geopolitische Spannungen geprägt ist, zeigt das Unternehmen eine bemerkenswerte Resilienz. Die Umsatzsteigerungen in den Kernmärkten verdeutlichen, dass PharmaSGP mit seinen etablierten Marken und der strategischen Ausrichtung den richtigen Nerv trifft.
Diese Entwicklung unterstreicht nicht nur die Wirksamkeit der Plattformstrategie, sondern auch das Potenzial für weiteres Wachstum. Die Anhebung der Jahresprognose und das Vertrauen in die strukturelle Basis des Unternehmens lassen auf eine zukunftssichere und kontinuierlich wachsende Geschäftsentwicklung schließen. PharmaSGP beweist, dass selbst in einem schwierigen Umfeld Erfolge möglich sind – ein Vorbild für mittelständische Unternehmen im Gesundheitssektor, die sich auf Innovation und Marktanpassung konzentrieren.
Frankfurter Gericht stoppt Rabattschlachten der Shop Apotheke – Verbraucherschutz siegt
Das Landgericht Frankfurt hat in einem aktuellen Urteil die Gutscheinaktionen der Shop Apotheke für die erstmalige Einlösung eines E-Rezepts sowie für Bestellungen ab einem Warenwert von 59 Euro untersagt. Die einstweilige Verfügung geht auf einen Antrag der Plattform IhreApotheken.de (iA.de) zurück, die die Gutscheinaktionen der Shop Apotheke als unlauteren Wettbewerb ansah und gerichtlich dagegen vorging. Laut dem Beschluss des Gerichts sind diese Maßnahmen, bei denen Kunden über Rabatte beim Erwerb von Arzneimitteln angelockt werden, mit dem geltenden deutschen Wettbewerbs- und Arzneimittelrecht nicht vereinbar.
Die Entscheidung betrifft zwei wesentliche Rabattaktionen der Shop Apotheke: Zum einen handelt es sich um einen 10-Euro-Gutschein, der für die erstmalige Einlösung eines E-Rezepts über die Plattform CardLink gewährt wird, und zum anderen um einen 10-Euro-App-Gutschein, der für Bestellungen ab einem Mindestbestellwert von 59 Euro gilt. IhreApotheken.de hatte diese Gutscheine als irreführend kritisiert, da sie aus ihrer Sicht eine direkte Kopplung von Arzneimittelbestellungen an finanzielle Anreize darstellen. Nach Auffassung von iA.de untergrabe dies die notwendige Trennlinie zwischen der Gesundheitsberatung und kommerziellen Rabattaktionen. Shop Apotheke hatte die Abmahnung zurückgewiesen und argumentiert, die Rabatte seien Teil einer Imagekampagne und nicht als direkte Vergünstigungen auf Arzneimittel zu verstehen.
In der mündlichen Verhandlung am 8. November verteidigte die Shop Apotheke ihre Rabatte mit der Begründung, der sogenannte „Rezeptbonus“ sei nicht zwingend an den Erwerb verschreibungspflichtiger Medikamente gebunden und diene eher dem allgemeinen Werbeauftritt. Diese Argumentation wies iA.de zurück und betonte, dass die Gutscheine de facto nur im Zusammenhang mit einer Bestellung von Arzneimitteln gültig seien, was nach deutschem Recht als Rezeptbonus gilt und somit verboten ist. Auch bei dem App-Gutschein argumentierte Shop Apotheke, dass ein Mindestbestellwert ein wirtschaftlich gängiges Instrument sei und kein direkter Anreiz zur Bestellung von Arzneimitteln. Das Gericht entschied jedoch, dass der Rabatt in Verbindung mit Arzneimitteln unzulässig sei.
Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner, der iA.de rechtlich vertritt, zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung des Gerichts. Er betonte, dass die Gutscheinaktionen, bei denen potenziell nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel faktisch „verschenkt“ werden, gegen das deutsche Arzneimittelvertriebsrecht verstoßen. „Das Gericht hat klargestellt, dass für solche Rabattmaßnahmen im Arzneimittelmarkt kein Raum ist,“ erklärte Douglas und sah das Urteil als wichtigen Schritt in Richtung Verbraucherschutz.
Simon Bücher, Sprecher von IhreApotheken.de, begrüßte das Urteil ebenfalls und hob hervor, dass die Gutscheinaktionen der Shop Apotheke eine unfaire Wettbewerbspraxis darstellten. Bücher betonte, dass iA.de offen für fairen Wettbewerb sei, jedoch Rabattaktionen, die den Bezug von Arzneimitteln betreffen, kritisch sehe. „Arzneimittel sind Waren mit einem besonderen Stellenwert, und die Entscheidung des Gerichts ist ein klares Signal, dass ihre Verfügbarkeit nicht durch aggressive Rabattaktionen untergraben werden sollte.“
Auch Dr. Michael Kuck, Vorstandsvorsitzender des Apothekergenossenschaft Noweda, äußerte sich zustimmend. Er betonte, dass die Abgabe von Arzneimitteln immer in Verbindung mit einer professionellen Beratung erfolgen sollte. Kuck sieht die Gefahr, dass Rabattaktionen für rezeptpflichtige Medikamente eine „Coupon-Mentalität“ fördern, die das Risiko berge, die wichtige Beratung der Apotheker zu unterlaufen. Diese Beratung sei jedoch entscheidend, um den sicheren und richtigen Umgang mit Arzneimitteln zu gewährleisten.
Das Urteil des Landgerichts Frankfurt setzt ein klares Zeichen im Bereich des Wettbewerbs unter Apotheken. Mit der Entscheidung gegen die Gutscheinaktionen der Shop Apotheke unterstreicht das Gericht die hohen Anforderungen, die im Arzneimittelmarkt an Verbraucherschutz und faire Wettbewerbspraxis gestellt werden. Die Rabattschlachten, die zunehmend den Apothekenmarkt erobern, verkennen oft den besonderen Charakter von Arzneimitteln. Anders als in vielen anderen Branchen geht es im Gesundheitssektor nicht nur um den Verkauf, sondern auch um Beratung und Sicherheit. Der leichtfertige Einsatz von Rabatten, um Kunden zu gewinnen, kann in diesem Kontext problematisch sein.
Arzneimittel sind keine Konsumgüter im herkömmlichen Sinne, sondern Produkte, die zur Behandlung von Krankheiten und zur Gesundheitsvorsorge eingesetzt werden. Ihre Abgabe muss daher immer mit der nötigen Sorgfalt und unter Einhaltung klarer gesetzlicher Vorschriften erfolgen. Rabattaktionen und Gutscheinvergaben, wie sie die Shop Apotheke durchgeführt hat, mögen kurzfristig attraktiv für die Verbraucher erscheinen, doch sie bergen langfristig Risiken. Sie könnten das Verhältnis zwischen Patienten und Apothekern verändern, indem die pharmazeutische Beratung als notwendiger Teil der Arzneimittelabgabe geschwächt wird.
Das Urteil erinnert daran, dass Rabatte, die letztlich auf verschreibungspflichtige Medikamente abzielen, dem Zweck des Gesundheitsschutzes zuwiderlaufen. Die Entscheidung könnte daher als wegweisend gelten, um weiteren Rabattaktionen im sensiblen Bereich des Arzneimittelhandels Einhalt zu gebieten. Damit wird nicht nur der fairen Wettbewerb im Apothekenmarkt gestärkt, sondern auch das Bewusstsein dafür, dass Gesundheit keine Ware ist, die in Rabattschlachten untergehen sollte.
Diabetes erhöht Gürtelrose-Risiko: Experten fordern frühere Impfempfehlungen
In Europa leiden schätzungsweise 60 Millionen Menschen an Diabetes mellitus, und die Krankheit führt bei Betroffenen nicht nur zu chronischen Blutzuckerproblemen, sondern begünstigt auch diverse Folgeerkrankungen. Ein besonders besorgniserregendes Risiko ist die erhöhte Anfälligkeit für Gürtelrose, medizinisch als Herpes zoster bezeichnet. Diabetiker haben im Vergleich zu Nicht-Diabetikern ein um 24 Prozent höheres Risiko, an Gürtelrose zu erkranken. Die Ursache liegt in der Schwächung des Immunsystems, die durch dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte verstärkt wird. Trotz sorgfältiger Einstellung der Zuckerwerte bleibt das Immunsystem diabetischer Patienten empfindlicher gegenüber Infektionen – eine Tatsache, die medizinische Fachleute und Patientenorganisationen zunehmend alarmiert.
Laut dem österreichischen Diabetes-Experten Dr. Helmut Brath vom Gesundheitszentrum Favoriten in Wien tragen die meisten Menschen die Herpes-zoster-Viren bereits in sich, da sie in der Regel in der Kindheit eine Windpockeninfektion durchgemacht haben. Bei rund einem Drittel dieser Menschen kann das Virus im Laufe des Lebens erneut aktiv werden und eine Gürtelrose auslösen. Dies betrifft insbesondere Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes, da ihr Immunsystem geschwächt ist und Infektionen nur bedingt abwehren kann. „Diabetes kann das körpereigene Abwehrsystem schwächen und den Körper anfälliger für Infektionen machen. Hohe Blutzuckerwerte erhöhen dieses Risiko noch weiter“, erklärt Dr. Brath.
In Österreich hat man auf diese Risiken bereits reagiert: Der dortige Impfplan empfiehlt Menschen mit Diabetes bereits ab 18 Jahren eine Schutzimpfung gegen Herpes zoster. Dies soll das Risiko für schwere Verläufe und schmerzhafte Komplikationen reduzieren. Deutschland hingegen geht einen anderen Weg: Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Impfung mit dem adjuvantierten Herpes-zoster-subunit-Totimpfstoff (Shingrix) als Standard erst ab 60 Jahren. Für Personen mit Grunderkrankungen wie Diabetes ist sie zudem als Indikationsimpfung ab einem Alter von 50 Jahren vorgesehen. Experten und Patientenorganisationen fordern jedoch, das Impfschema zu überdenken und die Altersgrenze für Menschen mit erhöhtem Risiko, darunter Diabetiker, weiter zu senken.
Neben Deutschland und Österreich setzen auch andere europäische Länder auf unterschiedliche Impfstrategien. Die europäische Fachgesellschaft für Diabetes und Endokrinologie (ESE) hat wiederholt darauf hingewiesen, dass Diabetes nicht nur das Risiko für Herpes zoster erhöht, sondern auch andere Infektionen begünstigt, was den Bedarf an frühzeitigen Schutzmaßnahmen unterstreicht. Die Diskussion über die Impfempfehlungen für Risikogruppen ist jedoch noch nicht abgeschlossen und bleibt ein zentraler Punkt in der öffentlichen Gesundheitsdebatte.
Diabetes ist längst nicht mehr nur eine Frage des Zuckerstoffwechsels – die Folgewirkungen dieser Krankheit greifen tief in die gesundheitliche Lebensqualität der Betroffenen ein. Die erhöhte Anfälligkeit für Infektionen wie Gürtelrose zeigt, wie wichtig ein stärkerer Fokus auf präventive Maßnahmen für Diabetiker ist. Während Österreich hier frühzeitig auf eine gezielte Impfung setzt, bleibt Deutschland vorsichtiger und bindet die Impfung für Risikogruppen an eine höhere Altersgrenze. Doch mit dem demografischen Wandel und der zunehmenden Zahl junger Diabetiker sollte sich die Diskussion in Richtung einer präventiven Strategie für alle Betroffenen entwickeln. Eine frühzeitige Impfung könnte verhindern, dass die ohnehin gesundheitlich belasteten Patienten zusätzlich unter den schmerzhaften Folgen einer Gürtelrose leiden.
Atemwegserkrankungen erreichen ungewöhnlich hohes Niveau – 6,1 Millionen Betroffene deutschlandweit
Aktuell leiden laut Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) etwa 6,1 Millionen Menschen in Deutschland an akuten Atemwegserkrankungen. Diese Zahl umfasst sowohl milde als auch schwerwiegende Infektionen der Atemwege und bezieht sich auf Erkrankungen unabhängig von einem Arztbesuch. Für diese Jahreszeit ist das Infektionsniveau außergewöhnlich hoch, was auf eine starke Belastung des Gesundheitssystems hinweist. Experten schätzen für die Woche ab dem 4. November eine Inzidenz von rund 7200 Fällen pro 100.000 Einwohner, womit die Zahl der Erkrankten im Vergleich zur Vorwoche (6800 pro 100.000) leicht angestiegen ist.
Besonders betroffen sind Kinder bis 14 Jahre, bei denen die Fallzahlen im Vergleich zur Vorwoche gestiegen sind. Bei Erwachsenen ab 15 Jahren bleibt die Zahl der gemeldeten Fälle hingegen stabil. Die aktuelle Infektionslage könnte darauf hindeuten, dass sich Atemwegserkrankungen wie Grippe und andere virale Infektionen in den Wintermonaten stärker verbreiten als in den vergangenen Jahren.
Die COVID-19-Inzidenz liegt bei geschätzten 600 Fällen pro 100.000 Einwohner, mit knapp 8650 laborbestätigten Corona-Infektionen in der vergangenen Woche. Auch wenn dies einen leichten Rückgang gegenüber der Vorwoche mit rund 8960 Fällen darstellt, bleibt COVID-19 nach wie vor ein relevanter Faktor bei Atemwegserkrankungen. Bei 18 Prozent der Personen, die mit schweren Atemwegsinfektionen im Krankenhaus behandelt werden mussten, wurde COVID-19 diagnostiziert.
Die anhaltend hohe Zahl der Atemwegserkrankungen zeigt, dass das Gesundheitssystem mit einem Anstieg der Infektionszahlen zu kämpfen hat, und hebt die Wichtigkeit präventiver Maßnahmen hervor, insbesondere bei jüngeren Patienten. Die Belastung in den Krankenhäusern könnte weiter steigen, wenn sich der Trend der letzten Wochen fortsetzt. Das RKI rät daher weiterhin zu präventiven Maßnahmen wie regelmäßiger Handhygiene, das Tragen von Masken in stark frequentierten Bereichen und Impfungen gegen Influenza und COVID-19, um das Infektionsgeschehen so gut wie möglich einzudämmen.
Die aktuelle Infektionslage verdeutlicht, wie empfindlich unser Gesundheitssystem auf saisonale Schwankungen bei Atemwegserkrankungen reagiert. Besonders besorgniserregend ist der starke Anstieg der Fallzahlen bei Kindern. Diese Entwicklung stellt nicht nur eine Herausforderung für Krankenhäuser dar, sondern auch für Schulen und Kitas, die vermehrt mit Personalausfällen und Infektionsgeschehen kämpfen könnten. Eine intensivere Aufklärung über Präventionsmaßnahmen, insbesondere in Familien mit kleinen Kindern, wäre dringend notwendig, um die Infektionsdynamik abzufedern.
Darüber hinaus zeigt der hohe Anteil von COVID-19-Diagnosen bei schweren Atemwegsinfektionen, dass die Pandemie noch nicht vollständig überwunden ist. Gerade jetzt, da die öffentliche Aufmerksamkeit zunehmend auf andere gesundheitspolitische Themen gelenkt wird, ist es essenziell, dass Maßnahmen zur Infektionsprävention und der Zugang zu Impfangeboten aufrechterhalten bleiben. Nur so kann das Gesundheitssystem entlastet und die Bevölkerung vor saisonalen Infektionswellen geschützt werden.
Von Engin Günder, Fachjournalist