Die finanzielle Lage der Apotheken in Deutschland zeigt sich in den aktuellen Zahlen der Richtsatzsammlung 2023 als ausgesprochen heterogen. Während einige Apotheken von überdurchschnittlichen Rohgewinnmargen von bis zu 30 Prozent profitieren, sind viele andere gezwungen, mit Margen unter 20 Prozent auszukommen. Diese enormen Unterschiede in den Erträgen sind nicht nur ein Spiegelbild der unternehmerischen Realität, sondern stellen auch eine erhebliche Herausforderung für die Apothekenführung dar. Die Richtsatzsammlung, die im September 2024 veröffentlicht wurde, bietet einen detaillierten Überblick über die finanziellen Rahmenbedingungen des Apothekenmarktes. Die durchschnittlich angenommene Rohgewinnspanne von 25 Prozent könnte auf den ersten Blick zufriedenstellend erscheinen, doch der tatsächliche Blick auf die Branche offenbart ein differenziertes Bild, das von teilweise deutlich niedrigeren Margen geprägt ist. So befinden sich viele Apotheken im unteren Bereich des Spannenrahmens, mit Margen, die nicht nur unter 20 Prozent liegen, sondern in einigen Fällen sogar noch deutlich darunter.
Die Gründe für diese Abweichungen sind vielfältig. Der dominierende Faktor in vielen Apotheken ist der Packungswert, insbesondere im Rezeptbereich (Rx-Segment). Apotheken, die hauptsächlich mit kleinen Packungswerten arbeiten, profitieren von der Fixkomponente des Apothekenhonorars, was zu einer höheren prozentualen Marge führt. Umgekehrt haben Apotheken, die teurere Arzneimittel und Hochpreisartikel verkaufen, aufgrund der relativ niedrigen prozentualen Vergütung – im besten Fall drei Prozent plus Rabatte – tendenziell geringere Margen. In den höheren Preissegmenten verschwimmen die Margen aufgrund des geringen Festzuschlags, der in Relation zum Gesamtwert der Arzneimittel kaum ins Gewicht fällt. Die Kombination aus niedrigen Packungswerten und Fixhonoraren führt zu einer vergleichsweise günstigen Marge für Apotheken, die sich auf kleinere Medikamente spezialisieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Diskussion um die Margen ist das Verhältnis von Rezeptumsätzen zu OTC-Umsätzen. OTC-Produkte erzielen in der Regel deutlich höhere Margen als Rx-Produkte, allerdings weisen sie im Vergleich dazu wesentlich niedrigere Packungswerte und Stückerträge auf. Daher müssen Apotheken, die ihre Rentabilität steigern möchten, ihre Produktsegmente genau analysieren und eine Balance zwischen verschreibungspflichtigen und rezeptfreien Arzneimitteln finden.
Besondere Umsatzarten wie Spezialrezepturen oder margenstarke Produkte wie Cannabisprodukte, Eigenmarken oder TCM-Produkte (traditionelle chinesische Medizin) tragen ebenfalls zur Verbesserung der Rentabilität bei. Diese Nischenprodukte bieten nicht nur höhere Margen, sondern auch Potenzial für differenzierte Geschäftsfelder. Apotheken, die sich auf solche Spezialsegmente konzentrieren, können sich von der breiten Masse abheben und von einem stabileren und margenstärkeren Umsatzstrom profitieren. Doch auch bei optimaler Segmentierung bleibt das Verhältnis von Umsatz pro Kunde und der Gesamtzahl der Kunden entscheidend für die Rentabilität. In Apotheken, die in Ärztehäusern angesiedelt sind, kommen die Apothekeninhaber häufig auf weit überdurchschnittliche Umsätze pro Kunde. Dies liegt an der hohen Facharztfrequenz und der damit verbundenen höheren Rezeptsicherheit. Hier liegt der Umsatz pro Kunde oft bei 80 bis 100 Euro, was mit einem Bonertrag von bis zu 15 Euro oder mehr verbunden sein kann. Allerdings ist dies nicht immer mit hohen Margen verbunden. Der Vorteil liegt in der hohen Umsatzhöhe und den spezialisierten Kunden, was die Rentabilität trotz niedrigerer Marge sicherstellen kann. Dem gegenüber stehen Apotheken in Frequenzlagen oder Einkaufszentren, die mit deutlich höheren Margen arbeiten, jedoch gleichzeitig mit einer höheren Anzahl an Kunden und einem niedrigeren Umsatz pro Kopf. Diese Apotheken müssen ihre Rentabilität durch Effizienz und schnelle Prozesse sichern, da sie zwar mehr Kunden bedienen, aber ihre Pro-Kopf-Umsätze tendenziell niedriger sind.
Zusammengefasst zeigt sich, dass die Margensituation in Apotheken stark von der Geschäftsstrategie und den jeweiligen Standortfaktoren abhängt. Apotheken, die in Lage mit hoher Frequenz oder in Ärztenetzen arbeiten, müssen ihre Effizienz und Prozesse optimieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig müssen sie eine Strategie entwickeln, die sowohl auf margenstarke Produkte als auch auf eine optimierte Kundenstruktur setzt. Der Erfolg einer Apotheke hängt also nicht nur von den Rohgewinnmargen ab, sondern auch von der Fähigkeit, diese Margen durch eine kluge Kombination aus Produktauswahl, Kundenbindung und effizienten Abläufen zu maximieren.
Kommentar:
Die aktuellen Richtsatzwerte für Apotheken offenbaren eindrucksvoll die Breite an betriebswirtschaftlichen Herausforderungen, mit denen Apotheken konfrontiert sind. Während es Apotheken gibt, die von günstigen Margen und einer stabilen Kundenstruktur profitieren, müssen andere nicht nur mit niedrigeren Margen kämpfen, sondern auch einen erheblichen zusätzlichen organisatorischen Aufwand betreiben, um ihre Rentabilität zu sichern. Das Bild, das die Richtsatzsammlung zeichnet, ist keineswegs homogen, und dies sollte sowohl den Apothekeninhabern als auch der politischen Landschaft zu denken geben.
Ein zentraler Aspekt in dieser Debatte ist das Honorarsystem für Apotheken. Es ist evident, dass die Fixkomponente des Apothekenhonorars in bestimmten Bereichen einen zu hohen Anteil am Gesamtgewinn ausmacht. Die Tatsache, dass teurere Medikamente und hochpreisige Packungen deutlich geringere Margen aufweisen, liegt im Kern des Problems. Hier fehlt es an einer differenzierten und zukunftsfähigen Anpassung der Vergütungsstrukturen, die den realen Herausforderungen und den unterschiedlichen Anforderungen der Apotheken gerecht wird. Besonders Apotheken, die mit hochpreisigen Medikamenten arbeiten, sind durch die derzeitige Struktur benachteiligt. Hier könnte eine Reform der Honorarsysteme helfen, die Apotheken dazu anzuregen, nicht nur günstigere Medikamente zu verschreiben, sondern auch teurere Arzneimittel mit faireren Margen zu fördern.
Gleichzeitig lässt sich an der Tatsache, dass sich Apotheker zunehmend auf Spezialumsätze wie Cannabisprodukte oder Eigenmarken konzentrieren, die Notwendigkeit erkennen, neue Einnahmequellen zu erschließen und ihre Geschäftsfelder zu diversifizieren. Die zunehmende Bedeutung solcher Nischenprodukte unterstreicht die Relevanz einer diversifizierten Umsatzstrategie, um sich vom Wettbewerb abzuheben und in einem sich wandelnden Marktumfeld bestehen zu können.
Jedoch darf die Entwicklung in eine Richtung, die vor allem auf höhere Margen aus hochpreisigen und spezialisierten Produkten setzt, nicht darüber hinwegsehen, dass dies nicht jeder Apotheke gelingt. In Frequenzlagen und Einkaufszentren sind Apotheken unter anderem durch die niedrigen Margen gezwungen, ihre Prozesse zu optimieren, um durch Effizienz Gewinne zu erzielen. Der Erfolgsfaktor wird hier in der Fähigkeit liegen, die hohe Kundenfrequenz wirtschaftlich zu nutzen. Hierbei zeigt sich, dass Apotheken zunehmend mit komplexen Herausforderungen in der Betriebsführung konfrontiert sind, die weit über den traditionellen Apothekenbetrieb hinausgehen.
Die Anpassung an diese Entwicklungen erfordert nicht nur unternehmerische Flexibilität, sondern auch politische und branchenweite Überlegungen zu einer zukunftsfähigen Apothekenlandschaft. Wenn die Politik nicht auf eine faire und ausgewogene Anpassung der Vergütungsstrukturen hinwirkt, könnten viele Apotheken in ihrer Existenz gefährdet sein. Angesichts der steigenden Kosten und der steigenden Anforderungen an Apotheken ist es höchste Zeit, dass alle Beteiligten an einer Lösung arbeiten, die eine nachhaltige und zukunftssichere wirtschaftliche Basis für die Apotheken schafft.
Von Engin Günder, Fachjournalist