Die Apothekenlandschaft in Deutschland steht vor einer tiefgreifenden Krise. Die Zahl der Apotheken ist im dritten Quartal 2024 auf ein historisches Rekordtief von 17.187 gefallen – ein Rückgang um 384 Apotheken oder 2,2 Prozent seit Jahresbeginn. Dieser Verlust ist der stärkste Abwärtstrend, der in den letzten Jahren verzeichnet wurde und lässt in der Branche Alarmglocken schrillen. Nach Angaben der ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände) ist der Rückgang 2024 damit weitaus dramatischer als in den Vorjahren, als im gleichen Zeitraum 2022 nur 285 Apotheken weniger existierten und 2023 ein Minus von 335 Apotheken verzeichnet wurde. Diese Entwicklung ist ein besorgniserregendes Zeichen für die öffentliche Gesundheitsversorgung und ruft nach grundlegenden Reformen und staatlicher Unterstützung, um die drohende Versorgungslücke zu schließen.
Die Unzufriedenheit und die Frustration der Apotheker über die unzureichenden politischen Maßnahmen wurden kürzlich bei einer Großdemonstration in Hannover deutlich sichtbar. Apothekenteams aus ganz Niedersachsen versammelten sich auf dem Bahnhofsvorplatz, um ihre Forderungen nach fairer Vergütung und besseren Arbeitsbedingungen lautstark zum Ausdruck zu bringen. Organisiert vom Landesapothekenverband Niedersachsen (LAV), zeigte die Demonstration, wie gravierend die Belastungen für Apothekenbetreiber mittlerweile sind. Die Apothekerinnen und Apotheker betonten die existenziellen Bedrohungen, mit denen sie konfrontiert sind – von steigenden Betriebskosten über stagnierende Vergütungen bis hin zu den Anforderungen, die durch die zunehmende Digitalisierung und bürokratische Hürden entstehen. Der Protest ist ein Aufruf an die Politik, das Problem nicht länger zu ignorieren, sondern gezielt Maßnahmen zu ergreifen, um die flächendeckende Versorgung durch Apotheken sicherzustellen und die Arbeitsbedingungen für das Apothekenpersonal nachhaltig zu verbessern.
Parallel dazu plant die Bundesregierung umfassende Änderungen im Rettungsdienstsystem. Ziel ist es, bundesweit einheitliche Standards zu schaffen, die eine schnelle und qualitativ hochwertige Notfallversorgung garantieren. Aktuell bestehen erhebliche regionale Unterschiede, die dazu führen, dass die Qualität der Versorgung stark vom Wohnort abhängt. Janosch Dahmen, Gesundheitsexperte der Grünen, betonte, dass die Sicherung von Leib und Leben nicht von der Postleitzahl abhängig sein dürfe. Die Ampel-Koalition plant daher, einen Qualitätsausschuss einzurichten, der aus Vertretern der Länder und Krankenkassen besteht und für die Harmonisierung und Effizienzsteigerung der Rettungsdienste sorgen soll. Durch diese Reform soll sichergestellt werden, dass jeder Bürger, unabhängig vom Wohnort, im Notfall schnell und effektiv versorgt werden kann.
Auch wirtschaftlich steht das Gesundheitswesen vor Herausforderungen. Biontech meldet für das dritte Quartal 2024 einen signifikanten Gewinnzuwachs, der auf die frühe Zulassung von angepassten Corona-Impfstoffen zurückzuführen ist. Mit einem Umsatz von 1,24 Milliarden Euro und einem Gewinn von 198,1 Millionen Euro verzeichnet das Unternehmen eine starke Erholung, nachdem im Vorquartal ein Verlust von 808 Millionen Euro verzeichnet wurde. Die Einführung des neuen Corona-Impfstoffs Comirnaty KP.2, der an die Omikron-Variante KP.2 angepasst ist, soll ab Mitte November 2024 auch in Apotheken verfügbar sein und bietet Potenzial für eine bessere Durchimpfung der Bevölkerung. Apotheken, die ihre Bestellungen rechtzeitig bis zum 5. November aufgeben, werden den Impfstoff in Kalenderwoche 46 erhalten und können damit sowohl für Grundimmunisierungen als auch Auffrischimpfungen eine wichtige Rolle spielen.
Neben solchen medizinischen Fortschritten bleibt die Patientensicherheit ein zentrales Anliegen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat eine Risikoanalyse durchgeführt und festgelegt, dass Duloxetin-haltige Medikamente das Risiko eines malignen neuroleptischen Syndroms (MNS) bergen. Diese schwere und potenziell lebensgefährliche Nebenwirkung tritt selten auf, ist jedoch ernst zu nehmen. Die EMA hat beschlossen, dass Duloxetin-haltige Präparate künftig mit Warnhinweisen versehen werden, um Ärzte und Patienten für dieses Risiko zu sensibilisieren und ein frühzeitiges Eingreifen zu ermöglichen. Diese Entscheidung ist Teil der fortlaufenden Bemühungen der EMA, die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen und Medikationsfehler oder unerwünschte Nebenwirkungen zu minimieren.
Zur Stärkung der stationären Apotheken in Deutschland setzt das Netzwerk IhreApotheken.de (iA.de) auf eine breite Werbeoffensive, die lokale Apotheken als erste Anlaufstelle für E-Rezepte etablieren soll. Durch Kooperationen mit der Mediengruppe Burda und prominente Platzierungen auf großen Plattformen wie Bild.de soll das Bewusstsein der Bevölkerung für die Bedeutung von Apotheken vor Ort gestärkt werden. Diese Initiative zielt darauf ab, den Trend zur Medikamentenbestellung bei großen Versandapotheken entgegenzuwirken und den Service der Apotheke vor Ort zu fördern.
Auch die #MedSafetyWeek, die vom 4. bis 10. November 2024 stattfindet, widmet sich erneut der Bedeutung der Meldung von Nebenwirkungen bei Medikamenten. Organisiert vom Uppsala Monitoring Centre, nehmen in diesem Jahr 104 Organisationen aus 91 Ländern teil, um Patienten und medizinisches Personal zur Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu motivieren. Unter dem Motto „Preventing side effects“ wird besonders auf vermeidbare Medikationsfehler und die korrekte Einnahme von Medikamenten hingewiesen, um die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen und das Bewusstsein für sichere Medikamentenverwendung zu stärken.
Auch im Bereich Finanzen und Versicherung zeigen sich Unsicherheiten. Der Neobroker Trade Republic hat sich durch attraktive Tagesgeldzinsen einen Platz auf dem deutschen Markt gesichert, was auch für Apotheker, die kurzfristige Anlageoptionen suchen, von Interesse ist. Angesichts der Risiken und Einlagensicherung sollten Apothekenbetreiber jedoch sorgfältig abwägen, ob diese Form der Anlage für sie geeignet ist.
Die Steuerreform, die eine Modernisierung des Ehegattensplittings und der Steuerklassen vorsieht, könnte zu einer Belastung für Paare mit unterschiedlichem Einkommen führen. Kritiker warnen, dass die Reform das Nettoeinkommen solcher Paare spürbar verringern könnte und dass die steuerliche Gleichstellung zwischen verschiedenen Lebensformen die tatsächlichen Lebensrealitäten vieler Paare nicht berücksichtigt.
Schließlich zeigt eine neue Studie, dass lebenslange Renten eine optimale Altersvorsorge für Apotheker darstellen, die oft eigenständig für ihre Rente sorgen müssen. Das Modell der lebenslangen Rente bietet den Vorteil einer kontinuierlichen Einkommensquelle, die nicht vorzeitig erschöpft wird und so das Risiko der Kapitalerschöpfung mindert. Für Apothekenbetreiber stellt diese Rentenform daher eine verlässliche Säule der Altersvorsorge dar.
Auch die Kundenbindung in Apotheken bleibt eine Herausforderung. Problematische Kunden, die für Unruhe oder wirtschaftliche Belastungen sorgen, stellen für Apotheken eine schwierige Situation dar. In solchen Fällen kann eine Trennung von Kunden, die fortwährend negative Auswirkungen auf den Betrieb haben, eine notwendige Maßnahme sein, um die langfristige Stabilität und Effizienz des Betriebs sicherzustellen.
Kommentar:
Die deutsche Apothekenbranche steht vor einem der größten Herausforderungen ihrer Geschichte. Der anhaltende Rückgang der Apothekenzahlen, wie die jüngsten Daten eindrucksvoll belegen, deutet auf einen deutlichen Strukturwandel hin, der ohne politisches Eingreifen drastische Konsequenzen für die flächendeckende Gesundheitsversorgung haben könnte. Die Apothekenlandschaft, einst ein stabiler Pfeiler der deutschen Gesundheitsversorgung, wird durch steigende Betriebskosten, sinkende Vergütungen und eine immer weiter fortschreitende Digitalisierung zusehends belastet. Die Stimmen der Apothekenproteste in Hannover verdeutlichen, dass die Geduld vieler Apothekerinnen und Apotheker am Ende ist. Die finanzielle und personelle Situation vieler Apotheken ist so angespannt, dass ein weiteres Ignorieren dieser Probleme das Aus vieler Standorte bedeuten könnte.
Die geplante Reform des Rettungsdienstes ist ein Zeichen dafür, dass die Bundesregierung auf strukturelle Missstände im Gesundheitswesen reagiert. Doch es bedarf weit mehr als einheitliche Standards im Rettungsdienst. Es braucht einen systemischen Ansatz, der alle Bereiche des Gesundheitswesens integriert, insbesondere die Apotheken, die eine essenzielle Rolle in der Versorgung der Bevölkerung übernehmen. Hier sind klare Signale und schnelle Maßnahmen gefragt, um die Versorgung durch Apotheken langfristig zu sichern und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Dass Biontech durch die Einführung angepasster Impfstoffe wieder auf Wachstumskurs ist, zeigt, wie wichtig Innovation und schnelle Anpassung an neue gesundheitliche Herausforderungen sind. Apotheken werden durch die Verfügbarkeit des neuen Comirnaty KP.2-Impfstoffs einen Beitrag zur Durchimpfung der Bevölkerung leisten können, was auch im Hinblick auf die kommende Wintersaison ein wichtiger Schritt ist. Gleichzeitig stellt die Warnung der EMA bezüglich Duloxetin einmal mehr die Wichtigkeit der Arzneimittelsicherheit in den Vordergrund. Die Apotheken sind hier eine entscheidende Schnittstelle, um die Bevölkerung über mögliche Nebenwirkungen aufzuklären und zur sicheren Einnahme anzuleiten.
Initiativen wie die Kampagne von IhreApotheken.de und die #MedSafetyWeek sind dringend nötig, um das Vertrauen in stationäre Apotheken und in die sichere Anwendung von Medikamenten zu fördern. Die zunehmende Konkurrenz durch Versandapotheken macht es unabdingbar, dass stationäre Apotheken ihre einzigartige Beratungsqualität und Nähe zur Kundschaft in den Vordergrund stellen. Ihre Rolle in der sicheren Arzneimittelversorgung und der Prävention von Medikationsfehlern ist unverzichtbar und sollte auch in der öffentlichen Wahrnehmung so dargestellt werden.
Schließlich zeigt sich im Bereich Finanzen und Altersvorsorge, wie wichtig es für Apothekerinnen und Apotheker ist, zukunftssicher zu planen. Eine lebenslange Rente bietet die Stabilität, die viele in einer ungewissen Zukunft suchen. Doch auch die geplante Steuerreform könnte viele Paare vor finanzielle Herausforderungen stellen, was gerade in einem Sektor, der durch hohe Belastungen geprägt ist, zusätzliche Unsicherheit bedeutet.
Insgesamt wird deutlich: Die Apothekenbranche steht an einem Scheideweg. Ohne strukturelle Reformen und eine zielgerichtete Unterstützung der Apotheken droht der Abbau der flächendeckenden Gesundheitsversorgung und damit eine Schwächung des gesamten Gesundheitssystems. Die Herausforderungen sind vielseitig und komplex, doch nur durch ein klares Bekenntnis zur Stärkung der Apotheken kann das deutsche Gesundheitswesen stabilisiert werden.
Von Engin Günder, Fachjournalist