Die öffentliche Apotheke befindet sich in einem Spannungsfeld: einerseits steigende Anforderungen durch den Gesetzgeber, die Digitalisierung und den Fachkräftemangel, andererseits eine Standesvertretung, deren Handlungsfähigkeit und Durchsetzungsstärke zunehmend infrage gestellt werden. Apothekerinnen und Apotheker sehen sich immer häufiger in einer passiven Rolle, während zentrale politische Entscheidungen über ihre berufliche Zukunft ohne ausreichende Mitgestaltung getroffen werden. Die Frage, ob die Apothekerschaft eine Neuorganisation ihrer Interessenvertretung braucht, wird immer drängender.
Die Lobbyarbeit der ABDA, der Apothekerkammern und -verbände sowie Organisationen wie ADEXA und BVpta hat in den letzten zwei Jahrzehnten vieles angestoßen. Dennoch stehen die Ergebnisse in einem kritischen Licht. Wichtige Anliegen wie die angemessene Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen, eine Entbürokratisierung der Arbeitsprozesse und die langfristige Sicherung der flächendeckenden Versorgung durch Apotheken wurden nur unzureichend umgesetzt. Besonders bei der Gestaltung des umstrittenen Apotheken-Reformgesetzes (ApoRG) fühlten sich viele Apotheker nicht ausreichend repräsentiert.
Ein Vergleich mit dem Deutschen Ärztetag zeigt deutlich, wie stark die Mitsprachemöglichkeiten der Apothekerschaft hinter denen anderer Heilberufe zurückbleiben. Während die Delegierten der Ärzte ihren Vorstand direkt wählen und damit unmittelbaren Einfluss auf die strategische Ausrichtung ihrer Berufsvertretung haben, bleibt der ABDA-Vorstand in einem geschlossenen System verankert. Basisdemokratische Elemente fehlen, und viele Apothekerinnen und Apotheker beklagen, dass ihre Stimmen nicht gehört werden.
Die Herausforderungen für die Branche sind enorm. Die Zahl der Apotheken sinkt kontinuierlich, viele Standorte kämpfen mit Rentabilitätsproblemen. Hinzu kommen Belastungen durch die digitale Transformation, wie etwa die Einführung des E-Rezepts, und ein zunehmender Personalmangel. Gleichzeitig steigt der Druck auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch neue Dienstleistungen, die jedoch oft unzureichend honoriert werden. Das Resultat: Frustration und die Gefahr, dass sich insbesondere jüngere Generationen von der Standespolitik abwenden.
Die Frage nach einer Neuorganisation der Apothekerschaft wird daher immer lauter. Stimmen aus der Branche fordern eine umfassende Reform der Standesvertretung, die stärker auf Basisdemokratie setzt und mehr Transparenz schafft. Modelle wie das des Deutschen Ärztetages könnten als Vorbild dienen, um den Einfluss der Apothekerinnen und Apotheker auf politische Entscheidungen zu stärken. Auch die Einbindung jüngerer Berufsträger, die neue Perspektiven und innovative Ideen einbringen könnten, wird als essenziell betrachtet.
Die Apothekerschaft steht an einem Wendepunkt. Ohne grundlegende Veränderungen droht der Berufsstand an Einfluss zu verlieren – mit weitreichenden Folgen für die öffentliche Gesundheitsversorgung. Es ist an der Zeit, dass die Stimmen der Basis gehört werden, um den Herausforderungen der Zukunft gemeinsam und gestärkt begegnen zu können.
Kommentar:
Die Apothekerschaft hat über Jahrzehnte hinweg bewiesen, dass sie eine tragende Säule des deutschen Gesundheitssystems ist. Doch diese Position gerät zunehmend unter Druck. Der Schwund der Apotheken, die sinkende Attraktivität des Berufsfeldes und eine oft als überfordert wahrgenommene Standesvertretung machen deutlich: Der Status quo reicht nicht mehr aus, um den Berufsstand nachhaltig zu sichern. Es braucht einen grundlegenden Wandel – und dieser beginnt bei der Frage nach mehr Mitsprache.
Die bisherigen Strukturen der Standesvertretung zeigen gravierende Schwächen. Während die Interessenvertretungen anderer Heilberufe zunehmend basisorientiert agieren, verharren die Apothekerorganisationen in einem Modell, das die Basis oft außen vor lässt. Diese fehlende Mitsprache ist nicht nur ein demokratisches Defizit, sondern untergräbt auch die Handlungsfähigkeit der gesamten Standespolitik. Wer Entscheidungen trifft, ohne die Betroffenen einzubeziehen, riskiert, deren Rückhalt und Engagement zu verlieren.
Es liegt auf der Hand, dass die Apothekerschaft angesichts der Herausforderungen der heutigen Zeit eine starke, geschlossene und modernisierte Interessenvertretung braucht. Basisdemokratische Elemente könnten hier ein Schlüssel sein. Wenn die Delegierten der Apothekerkammern ihr Präsidium direkt wählen könnten, würde dies nicht nur Transparenz schaffen, sondern auch das Vertrauen der Basis in ihre Vertreter stärken. Zudem wäre dies ein Signal an die Politik, dass die Apothekerschaft in ihrer Gesamtheit handlungsfähig und einheitlich auftreten kann.
Doch eine Reform darf nicht nur auf struktureller Ebene stattfinden. Sie muss auch inhaltlich ansetzen. Die großen Themen – Digitalisierung, Fachkräftemangel, angemessene Honorierung und bürokratische Entlastung – erfordern innovative und lösungsorientierte Ansätze. Hier könnten insbesondere jüngere Apothekerinnen und Apotheker wertvolle Impulse geben. Doch dafür müssen sie eingebunden werden, anstatt sie als Randgruppe zu betrachten.
Die öffentliche Apotheke steht vor einer entscheidenden Weggabelung. Entweder gelingt es der Apothekerschaft, ihre Strukturen zu modernisieren und die Basis stärker einzubinden, oder sie riskiert, in ihrer Bedeutung schrittweise zurückgedrängt zu werden. Die Verantwortung dafür liegt nicht nur bei den bestehenden Organisationen, sondern bei allen, die die Zukunft der Apotheken aktiv mitgestalten wollen. Veränderung ist nicht leicht – aber sie ist notwendig.