Ein herausfordernder Jahresstart zeigt einmal mehr die zentrale Rolle und Belastbarkeit von Apotheken im deutschen Gesundheitssystem. In einer Hildesheimer Apotheke begann der Arbeitstag am Morgen des Neujahrs bereits um 8 Uhr und sollte ohne Unterbrechung bis zum späten Abend andauern. Der Grund: Ein Notdienst, der nahtlos in den regulären Apothekenbetrieb überging, ohne dass eine Ablösung verfügbar war. Die Mitarbeitenden mussten während dieser Zeit sowohl den Handverkauf organisieren als auch unzählige telefonische Anfragen bewältigen.
Diese lange Schicht von über 34 Stunden ist keine Seltenheit in Apotheken, die besonders an Feiertagen die medizinische Grundversorgung sicherstellen. Kunden suchen Medikamente für akute Beschwerden, Beratung bei Gesundheitsfragen oder dringende Rezepte – eine Verantwortung, die Apotheken mit hohem Engagement übernehmen. Doch diese Belastung spiegelt ein strukturelles Problem wider: Der akute Fachkräftemangel, kombiniert mit steigenden Anforderungen im Gesundheitswesen, macht es zunehmend schwierig, Notdienste ausreichend zu besetzen.
Das Beispiel verdeutlicht die immense Arbeitsbelastung in der Branche, besonders an Feiertagen. Während viele Menschen das neue Jahr entspannt beginnen, stellen Apotheken sicher, dass lebensnotwendige Medikamente für Patientinnen und Patienten verfügbar bleiben. Die Mitarbeitenden tragen damit eine wesentliche Verantwortung für das Funktionieren des Gesundheitssystems, oft unter extremen Bedingungen.
Diese Herausforderungen werfen auch Fragen nach der Anerkennung und Unterstützung der Arbeit in Apotheken auf. In einem zunehmend belasteten Gesundheitssystem bedarf es nachhaltiger Lösungen, um die Belastung des Apothekenpersonals zu reduzieren und die Versorgung langfristig sicherzustellen. Dazu gehören eine bessere personelle Ausstattung, angepasste Arbeitszeitmodelle und eine faire finanzielle Anerkennung, die den besonderen Anforderungen an Apotheken gerecht wird.
Kommentar:
Der ununterbrochene Einsatz von Apothekenpersonal an Feiertagen, wie am Neujahrstag in Hildesheim, ist ein beeindruckendes Zeugnis für die Verlässlichkeit und Bedeutung dieser Institutionen im deutschen Gesundheitssystem. Gleichzeitig zeigt diese Situation die Grenzen der Belastbarkeit auf. Die Tatsache, dass ein solch langer Dienst ohne Ablösung nötig wurde, deutet auf ein strukturelles Problem hin, das dringend angegangen werden muss.
Die steigenden Anforderungen an Apotheken treffen auf eine Branche, die bereits unter Fachkräftemangel, bürokratischen Hürden und finanziellen Engpässen leidet. Notdienste, die oft mit reduzierter Belegschaft auskommen müssen, stellen eine enorme Belastung dar und zeigen, wie sehr die Verantwortung auf wenigen Schultern ruht. Es ist an der Zeit, diese Umstände stärker in den politischen und gesellschaftlichen Fokus zu rücken.
Ein nachhaltiger Lösungsansatz sollte sich auf mehrere Ebenen konzentrieren. Zunächst muss die finanzielle Anerkennung für Notdienste überdacht werden, um die immense Arbeitsbelastung adäquat zu honorieren. Zugleich sind flexible Arbeitszeitmodelle und ein verstärkter Einsatz digitaler Technologien notwendig, um das Personal zu entlasten und Prozesse effizienter zu gestalten. Darüber hinaus muss die Nachwuchsförderung im pharmazeutischen Bereich intensiviert werden, um den Fachkräftemangel langfristig zu bekämpfen.
Die Arbeit in Apotheken ist unverzichtbar, wie der Einsatz am Neujahrstag eindrucksvoll beweist. Doch diese Leistung darf nicht länger als selbstverständlich angesehen werden. Es liegt an der Politik, den Rahmen zu schaffen, der Apotheken ermöglicht, ihren zentralen Beitrag zur Gesundheitsversorgung unter fairen und nachhaltigen Bedingungen fortzusetzen. Andernfalls riskieren wir nicht nur die Überlastung des Personals, sondern auch die Stabilität eines essenziellen Pfeilers unseres Gesundheitssystems.
Von Engin Günder, Fachjournalist