Die Gesundheitsversorgung in Deutschland steht vor einer massiven Umbruchphase, die vor allem die Zukunft der Vor-Ort-Apotheken bedroht. Aktuelle Zahlen der ABDA, des Bundesverbandes der Apotheker, zeigen eine dramatische Entwicklung: Bis Ende September 2024 existierten in Deutschland nur noch 17.187 Apotheken. Damit hat sich die Zahl seit Jahresbeginn um 384 Betriebsstätten verringert. Dieser Trend trifft nicht nur große Apotheken in städtischen Gebieten, sondern auch kleine, oft familiengeführte Apotheken in ländlichen Regionen, wo die Versorgungslage ohnehin fragil ist. Der Rückgang der Apothekenzahl lässt Versorgungslücken entstehen, die besonders Menschen in ländlichen Gebieten betreffen. Hier sind Apotheken oft mehr als nur Arzneimittelausgabestellen; sie bieten Beratungsdienstleistungen und oft eine vertraute Anlaufstelle für ältere und chronisch kranke Menschen, die in strukturschwachen Gebieten zunehmend auf sich allein gestellt sind.
Währenddessen betreten digitale Akteure wie Apo.com mit einem massiven Werbefeldzug für das E-Rezept über das CardLink-System den Gesundheitsmarkt. Ziel dieser Offensive ist es, die volldigitale Einlösung von Rezepten in der breiten Bevölkerung zu etablieren. Diese Entwicklung wird von den großen Versandapotheken vorangetrieben, die die Bequemlichkeit und Schnelligkeit der Online-Bestellung gezielt hervorheben. Apo.com schließt sich damit den Platzhirschen Shop Apotheke und DocMorris an und steigert mit TV-Werbung auf öffentlich-rechtlichen Sendern wie ARD und ZDF die Aufmerksamkeit für das E-Rezept erheblich. Durch die Förderung digitaler Rezeptlösungen stellen Versandapotheken nicht nur eine wachsende Konkurrenz für stationäre Apotheken dar, sondern setzen diese auch unter Innovationsdruck. Denn während E-Rezepte für viele Verbraucher eine komfortable Lösung darstellen, können kleine Apotheken häufig weder die technologischen noch die finanziellen Mittel aufbringen, um mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten.
Parallel zur Digitalisierung im Gesundheitswesen führen medizinische Fortschritte zu neuen Behandlungsstandards. So zeigen aktuelle Forschungsergebnisse, dass die Kombination aus inhalativen Glukokortikoiden (ICS) und Formoterol in der Asthma-Behandlung erhebliche Vorteile gegenüber der Monotherapie mit kurzwirksamen Beta-Agonisten (SABA) bietet. Eine im „JAMA Network“ veröffentlichte Meta-Analyse mit über 50.000 Patienten belegt, dass diese Kombination das Risiko schwerer Asthma-Exazerbationen um 35 Prozent reduziert. Die neuen Daten untermauern, dass diese Kombination die Asthmakontrolle verbessern kann und eine nachhaltigere Behandlungsalternative darstellt. Für viele Patienten könnte dies zu einer langfristigen Besserung ihrer Lebensqualität führen und einen Paradigmenwechsel in der Asthmatherapie einleiten.
Ein weiteres, wichtiges Thema ist die alternative Behandlung in der Perimenopause, einer Lebensphase, die viele Frauen vor Herausforderungen stellt. Hormonelle Schwankungen lösen in dieser Zeit oft Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und emotionale Verstimmungen aus. Auch wenn die Hormonersatztherapie (HRT) als effektive Lösung gilt, suchen viele Frauen nach pflanzlichen Alternativen, um mögliche Nebenwirkungen der HRT zu vermeiden. Produkte wie Cimicifuga, ein pflanzliches Präparat, das Symptome mildern kann, gewinnen an Bedeutung. In diesem Segment wächst das Interesse der Frauen an natürlichen Behandlungsmöglichkeiten, die ihnen Sicherheit und Kontrolle bieten, ohne den Organismus unnötig zu belasten.
In der Pädiatrie zeigt sich dagegen ein alarmierendes Bild, da Engpässe beim RSV-Impfstoff Beyfortus für Neugeborene und Säuglinge eine Versorgungslücke entstehen lassen. Dr. Axel Gerschlauer vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) kritisiert die Krankenkassen und die Gesundheitspolitik scharf für die mangelnde Vorsorge. Das RS-Virus stellt gerade für Säuglinge eine potenziell tödliche Gefahr dar, da es schwere Atemwegserkrankungen hervorrufen kann. In Hamburg wurde daher eine neue Regelung getroffen, die es ermöglicht, Beyfortus nur noch über den Sprechstundenbedarf zu beziehen, um den Zugang zur Immunisierung zu erleichtern und Ärztinnen und Ärzte vor rechtlichen Risiken zu schützen.
Die Gesundheitsversorgung wird zusätzlich durch gestiegene Pflegegehälter belastet. Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes ist der Stundenlohn für Pflegekräfte um 8,8 Prozent auf 22,60 Euro gestiegen. Dieser Fortschritt ist das Ergebnis von Tarifanpassungen, die seit 2022 verbindlich sind und mehr Gerechtigkeit für Pflegekräfte schaffen sollen. Während diese Entwicklung die Einkommenssituation der Pflegenden verbessert, hat sie gleichzeitig eine erhebliche finanzielle Belastung für Pflegebedürftige zur Folge, die für die höheren Kosten aufkommen müssen. Für viele Menschen mit Pflegebedarf bedeutet dies, dass die Belastung durch Eigenanteile weiter steigt und der Zugang zu qualifizierter Pflege finanziell zunehmend schwieriger wird.
Ein wachsender Wettbewerb belastet auch den Apothekenmarkt. Unternehmen wie Windstar Medical setzen zunehmend auf Drogerien und Supermärkte als Vertriebskanäle für freiverkäufliche Gesundheitsprodukte und machen Apotheken mit niedrigen Preisen und breiter Verfügbarkeit Konkurrenz. Laut einer aktuellen Umfrage kauften nur noch 35 Prozent der Befragten rezeptfreie Gesundheitsprodukte in Apotheken – ein Rückgang um sieben Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Dieser Trend verdeutlicht, wie die Verbrauchergewohnheiten in Richtung preisgünstiger Alternativen im Drogeriemarkt verschoben werden, was die wirtschaftliche Lage vieler Apotheken zusätzlich erschwert.
In diesem komplexen und herausfordernden Umfeld steht der Apothekenmarkt also vor einer wegweisenden Entscheidung: den Direktbezug bei Herstellern zur Kostenoptimierung zu forcieren oder die bewährte Logistik der Großhändler zu nutzen. Beide Modelle haben ihre Vorzüge, doch es ist fraglich, welches auf Dauer die bessere Lösung für eine nachhaltige Versorgung darstellen kann.
Nicht zuletzt wirft die internationale politische Lage Schatten auf die demokratischen Werte. Donald Trumps Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen in den USA birgt die Gefahr, dass demokratische Institutionen weiter untergraben werden könnten. Während seiner ersten Amtszeit waren Angriffe auf Pressefreiheit und die Justiz an der Tagesordnung, und eine zweite Amtszeit könnte diese Tendenzen verschärfen. Auch für Europa und andere Demokratien könnten die Konsequenzen weitreichend sein, da die politische Stabilität ins Wanken geraten könnte.
Kommentar:
Die derzeitige Entwicklung zeigt klar: Das deutsche Gesundheitssystem befindet sich in einer tiefen Krise. Die alarmierenden Zahlen der ABDA zur Apothekensterblichkeit verdeutlichen, dass lokale Apotheken immer stärker unter Druck geraten. Dies betrifft nicht nur städtische Ballungszentren, sondern vor allem die ländlichen Gebiete, in denen Apotheken für viele Menschen eine wichtige Anlaufstelle und Versorgungsquelle darstellen. Die Vor-Ort-Apotheken sind ein essenzieller Bestandteil des Gesundheitssystems, und ihr Niedergang könnte in Zukunft zu unüberbrückbaren Versorgungslücken führen. Gerade in Zeiten einer alternden Bevölkerung ist der Bedarf an persönlicher Beratung und direkten Anlaufstellen hoch – ein Bedarf, den Versandapotheken, so bequem sie auch erscheinen mögen, nicht erfüllen können. Ein Versagen des Gesundheitssystems, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hätte langfristig fatale Konsequenzen.
Die zunehmende Dominanz der digitalen Gesundheitsanbieter im Kontext des E-Rezepts setzt klassische Apotheken zusätzlich unter Druck. Die digitale Transformation ist ein zweischneidiges Schwert: Sie bietet einerseits Verbrauchern neue, zeitsparende Möglichkeiten, andererseits droht sie, die Existenz der Vor-Ort-Apotheken langfristig zu gefährden. Ohne eine klare Unterstützung durch die Gesundheitspolitik, die Rahmenbedingungen für beide Sektoren schafft, könnte der Markt in eine Monokultur aus Online-Anbietern und Versandapotheken kippen, was die Diversität und die Versorgungssicherheit massiv beeinträchtigen würde.
Gleichzeitig zeigen die Entwicklungen in der Asthmatherapie und der gynäkologischen Versorgung, dass Forschung und Individualität in der Behandlung zentral sind. Der Trend hin zu kombinierten ICS-Formoterol-Therapien sowie die wachsende Akzeptanz pflanzlicher Alternativen zur HRT in der Perimenopause unterstreichen, dass das Gesundheitssystem auf individuelle Bedürfnisse reagieren muss. Doch die Versorgungsqualität ist zunehmend gefährdet, wenn Therapien und notwendige Medikamente nicht flächendeckend verfügbar sind – eine Tatsache, die der Engpass beim RSV-Impfstoff Beyfortus einmal mehr in Erinnerung ruft.
Auch die steigenden Pflegegehälter sind eine zweischneidige Entwicklung: Zwar ist die höhere Vergütung für Pflegekräfte längst überfällig und dringend notwendig, doch führt sie gleichzeitig zu einer weiteren finanziellen Belastung für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Diese Situation bringt einen dringenden Handlungsbedarf mit sich, da Pflege und Gesundheitsversorgung nicht zu einem Luxusgut werden dürfen, das sich nur noch wenige leisten können. Ein System, das eine faire Vergütung für Pflegekräfte ermöglicht und gleichzeitig die finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen im Blick behält, muss das Ziel sein.
Nicht weniger gravierend ist die zunehmende Konkurrenz durch Anbieter wie Windstar Medical, die Apotheken im Bereich der rezeptfreien Gesundheitsprodukte das Wasser abgraben. Die Umfrageergebnisse, die eine sinkende Zahl von Verbrauchern zeigen, die Apotheken für den Kauf dieser Produkte aufsuchen, sind beunruhigend und ein Weckruf für den Markt. Es ist dringend notwendig, dass Apotheken ihre Rolle und ihren Mehrwert klarer kommunizieren und die individuelle Beratung als Alleinstellungsmerkmal hervorheben.
Schließlich birgt auch das politische Klima in den USA durch Trumps mögliche Rückkehr ins Amt Risiken, die weit über die Landesgrenzen hinausgehen. Die Erosion demokratischer Werte und Institutionen in den USA könnte weltweit Vorbilder schaffen, die Demokratien destabilisieren. Deutschland und Europa müssen diese Entwicklung aufmerksam verfolgen und Strategien entwickeln, um die eigenen demokratischen Strukturen zu stärken und gegen populistische Strömungen abzusichern.
Insgesamt zeigt sich, dass die Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung und der politischen Stabilität vielschichtig und komplex sind. Die Gesundheitspolitik steht vor der Aufgabe, den Niedergang der Vor-Ort-Apotheken zu stoppen und die Versorgungssicherheit für die Bevölkerung nachhaltig zu sichern. Dies erfordert nicht nur kurzfristige Maßnahmen, sondern eine langfristige Strategie, die digitale und traditionelle Versorgung miteinander verbindet, faire Löhne sicherstellt und die Wettbewerbsfähigkeit der Apotheken stärkt.
Von Engin Günder, Fachjournalist