In Deutschland setzt sich der beunruhigende Trend der Apothekenschließungen auch im Jahr 2024 fort. Nach einem bereits herausfordernden Jahr 2023, in dem über 500 Apotheken bundesweit schließen mussten, sind bis Ende September 2024 bereits 383 weitere Betriebe von der Schließung betroffen. Die Gesamtzahl der Apotheken ist damit auf einen neuen Tiefstand von 17.179 gesunken, mit den meisten Schließungen in den Bundesländern Nordrhein, Baden-Württemberg und Bayern. Dieser Trend spiegelt die anhaltenden Schwierigkeiten wider, mit denen Apotheken in Deutschland konfrontiert sind, einschließlich steigender Betriebskosten, Inflation und Fachkräftemangel.
Besonders alarmierend ist die Situation in urbanen Zentren wie Berlin, wo sich das sogenannte Apothekensterben nicht nur auf ländliche Regionen beschränkt. In Berlin haben zwischen 2014 und 2023 insgesamt 145 Apotheken geschlossen, ein Rückgang von 863 auf 718. Diese Entwicklung wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, darunter wirtschaftliche Gründe wie Mieterhöhungen und stagnierende Vergütungen, die zusammen mit steigenden Betriebskosten die Situation untragbar machen.
Die Schließungen verteilen sich über das ganze Land und betreffen sowohl alteingesessene als auch neuere Apotheken. Einige Betreiber müssen ihre Geschäfte aufgrund von Pachtwechseln, bürokratischen Hürden und dem zunehmenden Wettbewerb durch Online-Apotheken schließen. Die Kombination aus personellen Engpässen, der Corona-Pandemie und lokalen Herausforderungen wie Baustellen und Straßensperrungen verstärkt das Problem weiter.
Politische Maßnahmen und Reformen scheinen bisher nicht ausreichend zu sein, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Die Apothekerschaft fordert eine Überarbeitung der Rahmenbedingungen und eine angemessene Vergütung, um das Überleben der verbleibenden Apotheken zu sichern und eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten.
Die Schließung einer Apotheke hat oft weitreichende Folgen für die Gemeinde, insbesondere wenn es um die Zugänglichkeit zu medizinischer Versorgung und Beratung geht. Es stellt sich die Frage, welche strukturellen Reformen erforderlich sind, um den Fortbestand dieser essenziellen Einrichtungen zu sichern und die pharmazeutische Versorgung in Deutschland auch zukünftig zu gewährleisten.
Kommentar zur Situation:
Die kontinuierlichen Schließungen von Apotheken in Deutschland sind nicht nur ein Zeichen wirtschaftlicher Belastung, sondern auch ein Alarmzeichen für eine mögliche Krise in der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Mit jedem geschlossenen Betrieb verschärft sich die Zugänglichkeit zu lebenswichtigen Medikamenten und fachkundiger Beratung, besonders in ländlichen und sozial schwächeren urbanen Gebieten. Diese Entwicklung könnte langfristig zu einer Verschärfung gesundheitlicher Ungleichheiten führen.
Die Ursachen für diese Schließungen sind vielschichtig. Neben den direkten betriebswirtschaftlichen Herausforderungen wie Inflation, steigenden Mieten und Fachkräftemangel spielt auch der zunehmende Druck durch digitale Konkurrenz eine wesentliche Rolle. Online-Apotheken bieten oft günstigere Preise und bequemere Bestellmöglichkeiten, was insbesondere während der Pandemie zu einem Umsatzrückgang bei stationären Apotheken geführt hat. Darüber hinaus belasten bürokratische Hürden, wie die Einführung des E-Rezepts und verzögerte Kostenerstattungen durch Krankenkassen, die Apotheken zusätzlich.
Trotz dieser Herausforderungen bleibt die physische Apotheke ein unverzichtbarer Bestandteil der Gesundheitsinfrastruktur, besonders wenn es um die persönliche Beratung und akute Versorgung geht. Apotheken spielen eine entscheidende Rolle in der Prävention und Erstversorgung, die nicht vollständig digitalisiert werden kann. Daher ist eine politische und gesellschaftliche Anerkennung der Apotheken als Teil der kritischen Infrastruktur dringend geboten. Ohne strukturelle Reformen, die eine angemessene Vergütung und Unterstützung für Apotheken sicherstellen, könnte Deutschland in eine Situation geraten, in der die flächendeckende Versorgung mit medizinischen Gütern nicht mehr gewährleistet ist.
Es ist daher essenziell, dass sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene Maßnahmen ergriffen werden, die nicht nur die finanzielle Lebensfähigkeit der Apotheken sichern, sondern auch Anreize für neue Apothekengründungen schaffen. Weiterhin ist eine Stärkung der Ausbildung und Attraktivität des Apothekerberufs notwendig, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Nur so kann die wichtige Rolle der Apotheken in der deutschen Gesundheitslandschaft langfristig erhalten bleiben.
Von Engin Günder, Fachjournalist