Die Herstellung von Cannabisextrakten in Apotheken ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben in der modernen Pharmazie. Mit der Freigabe von medizinischem Cannabis in Deutschland im Jahr 2017 hat sich die Nachfrage nach individuell hergestellten Cannabisextrakten deutlich erhöht. Diese Extrakte werden insbesondere für Patienten mit chronischen Schmerzen, neurologischen Erkrankungen oder schweren Symptomen eingesetzt, bei denen herkömmliche Medikamente nicht ausreichend wirken. Apotheken spielen dabei eine zentrale Rolle, denn sie stellen sicher, dass die Extrakte in höchster Qualität und individuell angepasst zur Verfügung stehen.
Die Basis für die Herstellung bilden Cannabisblüten, die von zertifizierten Produzenten stammen und strengen gesetzlichen sowie pharmazeutischen Anforderungen genügen müssen. Jede Charge wird auf Cannabinoidgehalt, mikrobiologische Reinheit und mögliche Verunreinigungen überprüft. Diese Qualitätskontrollen sind essenziell, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Extrakte zu garantieren.
Der Herstellungsprozess beginnt mit der Zerkleinerung der Blüten, um die Wirkstoffe besser zugänglich zu machen. Diese Zerkleinerung erfolgt unter kontrollierten Bedingungen, um eine einheitliche Partikelgröße sicherzustellen, was die Extraktion erleichtert. Für die eigentliche Extraktion kommen zwei Hauptverfahren zum Einsatz: die alkoholbasierte Extraktion und das CO₂-Extraktionsverfahren. Beide Methoden haben ihre spezifischen Vorteile. Während die alkoholbasierte Methode besonders effizient ist, ermöglicht die CO₂-Extraktion eine noch präzisere Isolierung der Wirkstoffe.
Nach der Extraktion wird das Rohprodukt gereinigt, um unerwünschte Stoffe wie Wachse, Chlorophyll oder andere Pflanzenrückstände zu entfernen. Der gereinigte Extrakt wird anschließend standardisiert, um eine gleichbleibende Wirkstoffkonzentration zu gewährleisten. Dieser Schritt ist entscheidend, da nur ein präzise dosierter Extrakt die Anforderungen an Arzneimittel erfüllt. In der Regel wird der Extrakt in einem Trägeröl wie MCT-Öl gelöst, das die Stabilität und die Bioverfügbarkeit der Wirkstoffe erhöht.
Die Abfüllung erfolgt unter strengster Einhaltung hygienischer Standards. Dabei werden die Tropfflaschen exakt etikettiert, sodass Patienten klare Angaben zur Dosierung und Anwendung erhalten. Jede Charge wird dokumentiert, um eine lückenlose Rückverfolgbarkeit sicherzustellen. Dies ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern dient auch der Sicherheit der Patienten.
Neben der Herstellung ist die Beratung ein entscheidender Bestandteil der Apothekenleistung. Patienten müssen über die richtige Anwendung, mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten informiert werden. Diese Beratung erfordert fundiertes Wissen, das speziell geschultes Personal voraussetzt. Hierbei kommen oft digitale Hilfsmittel wie Dosierungsrechner oder Apps zum Einsatz, die den Patienten unterstützen.
Die Apotheken stehen jedoch vor erheblichen Herausforderungen. Der bürokratische Aufwand, die Investitionen in spezielle Geräte und die Einhaltung komplexer gesetzlicher Vorgaben machen die Herstellung zeit- und kostenintensiv. Gleichzeitig sind die Vergütungen für diese Leistungen oft nicht kostendeckend. Viele Apotheken verzichten daher auf die Herstellung von Cannabisextrakten, was die Versorgungslage für Patienten erschwert.
Die Bedeutung der Apotheken in diesem Bereich kann jedoch nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie stellen eine essenzielle Verbindung zwischen Arzt und Patient dar und tragen durch ihre Expertise dazu bei, dass die Therapie mit Cannabisextrakten erfolgreich ist.
Kommentar:
Die Herstellung von Cannabisextrakten in Apotheken ist ein Paradebeispiel für die Vielseitigkeit und Relevanz der modernen Pharmazie. Während die industrielle Produktion standardisierter Medikamente den Großteil des Marktes dominiert, zeigt sich hier, wie wichtig individuelle Lösungen für spezifische Patientengruppen sind. Cannabisextrakte bieten für viele Menschen, deren Beschwerden durch konventionelle Medikamente nicht ausreichend gelindert werden können, eine wirksame Alternative.
Doch diese essenzielle Aufgabe bringt enorme Herausforderungen mit sich. Der bürokratische Aufwand ist immens, und die gesetzlichen Anforderungen sind so komplex, dass viele Apotheken die Herstellung von Cannabisextrakten scheuen. Die Vergütung für diese Arbeit spiegelt den tatsächlichen Aufwand kaum wider, was insbesondere kleinere Apotheken wirtschaftlich belastet. Hier ist die Politik in der Pflicht, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Eine Anpassung der Vergütung sowie eine Entbürokratisierung der Prozesse könnten dazu beitragen, die Versorgungslage nachhaltig zu verbessern.
Auch die Schulung des Personals darf nicht unterschätzt werden. Die Herstellung und Beratung zu Cannabisextrakten erfordert spezifisches Wissen, das über die klassische Pharmazie hinausgeht. Wechselwirkungen, Dosierungsfragen und die Aufklärung über Nebenwirkungen stellen hohe Anforderungen an Apotheker und pharmazeutisches Personal. Fortbildungen in diesem Bereich müssen daher stärker gefördert werden.
Ein weiterer Aspekt ist die gesellschaftliche Akzeptanz von Cannabis als Arzneimittel. Nach wie vor sind viele Patienten und sogar einige Ärzte skeptisch gegenüber dieser Therapieform. Hier braucht es gezielte Aufklärung, um Vorurteile abzubauen und die therapeutischen Möglichkeiten von Cannabisextrakten stärker ins Bewusstsein zu rücken.
Die Apotheken leisten mit der Herstellung von Cannabisextrakten nicht nur pharmazeutische Präzisionsarbeit, sondern tragen auch maßgeblich zur Lebensqualität vieler Patienten bei. Diese Leistungen müssen besser gewürdigt werden – sei es durch die Politik, die Gesellschaft oder die Krankenkassen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass ein essenzieller Baustein in der individuellen Patientenversorgung verloren geht.
Von Engin Günder, Fachjournalist