Die neuesten Entwicklungen in der Finanz- und Wirtschaftswelt des Jahres 2024 zeigen eine Vielzahl an Herausforderungen für die Apothekenbranche auf. Wirtschaftliche Unsicherheiten, anhaltender Inflationsdruck und steigende Zinsen belasten viele Betriebe. Apotheker sehen sich daher zunehmend gezwungen, ihre betrieblichen Ausgaben und finanziellen Entscheidungen strategisch und risikoavers zu planen. Die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind geprägt von der Notwendigkeit eines klaren Risikomanagements, das auch die Zukunftssicherung der Apotheken im Blick hat. Diese Veränderungen finden vor dem Hintergrund eines langfristigen Trends statt, der viele Apotheker dazu zwingt, nicht nur als Gesundheitsdienstleister, sondern auch als Krisenmanager zu agieren.
Auch das Phänomen des Apothekensterbens setzt sich fort – trotz eines leichten Rückgangs der Schließungsraten. Die erneute Abnahme der Apothekenzahl verdeutlicht, wie ernst die Lage ist. Weitere hundert Apotheken schlossen im dritten Quartal 2024, wodurch die Zahl der Apotheken in Deutschland auf einen historischen Tiefstand gesunken ist. Die Versorgungssicherheit, insbesondere in ländlichen Regionen, könnte damit mittelfristig gefährdet sein. Die deutsche Apothekenlandschaft steht angesichts dieser Entwicklungen vor der Herausforderung, die flächendeckende Arzneimittelversorgung aufrechtzuerhalten, und fordert Unterstützung durch gezielte politische Maßnahmen, um den Rückgang zu stoppen.
Eine positive Entwicklung im Apothekenwesen stellt die zunehmende Etablierung von Medizinal-Cannabis als therapeutische Option dar, die insbesondere für Patienten mit chronischen und schweren Erkrankungen eine wichtige Rolle spielt. Seit der Legalisierung von Cannabis als Medizin verschreiben Ärzte Cannabispräparate für bestimmte Patientengruppen, was Apotheken neue Chancen eröffnet, aber auch hohe Anforderungen mit sich bringt. Der Umgang mit Medizinal-Cannabis in der Rezeptur erfordert umfangreiche Kenntnisse und strenge Sicherheitsstandards, von der Identitätsprüfung bis zur korrekten Abrechnung. Apotheker stehen dabei jedoch oft vor wirtschaftlichen Abwägungen, da die Einhaltung dieser Anforderungen mit erheblichen Kosten verbunden ist.
Währenddessen gewinnt Honig als medizinisch genutztes Naturprodukt im Bereich der Wundheilung immer mehr an Bedeutung. In der traditionellen Nutzung war Honig vor allem als Hausmittel gegen Husten bekannt, jedoch zweifeln wissenschaftliche Studien an seiner Wirksamkeit in diesem Bereich. Als natürliches Produkt wird Honig jedoch zunehmend in der Wundversorgung eingesetzt, wo er entzündungshemmende und wundheilungsfördernde Eigenschaften zeigt. Diese klinische Anwendung ist besonders für Menschen mit chronischen Wunden eine wertvolle Alternative, auch wenn sich die allgemeine Wirksamkeit in Erkältungspräparaten bislang nicht wissenschaftlich belegen lässt.
Epilepsie als neurologische Erkrankung bleibt in Deutschland weitgehend unverstanden, obwohl sie etwa ein Prozent der Bevölkerung betrifft. Menschen wie die 35-jährige Paula Bach müssen ständig mit der Möglichkeit eines Anfalls rechnen, was im Alltag oft zu Schwierigkeiten und Missverständnissen führt. Die Gesellschaft ist oft nicht ausreichend aufgeklärt und informiert, wie sie in einer solchen Notsituation angemessen reagieren sollte. Die Erfahrung zeigt, dass trotz der Fortschritte in der medizinischen Aufklärung in vielen Teilen der Bevölkerung noch Aufklärungsbedarf besteht, um Epilepsie als eine Erkrankung zu verstehen, die der Unterstützung und des Verständnisses bedarf.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Einführung eines neuen hormonellen Kontrazeptivums: Kelzy®. Dieses Präparat nutzt eine verzögerte Wirkstofffreisetzung, um stabilere Hormonspiegel zu erreichen und die klassische Schwankung der Hormone bei oralen Verhütungsmitteln zu mindern. Kelzy® bietet dadurch eine innovative Option für Frauen, die von gleichmäßigen Wirkstoffspiegeln profitieren könnten, und ist nun flächendeckend in Apotheken verfügbar. Diese Innovation könnte künftig die Verhütungsmittelwahl beeinflussen, indem sie Patientinnen mehr Sicherheit und weniger Nebenwirkungen verspricht.
Im Zuge der steigenden COVID-19-Infektionen ist auch das antivirale Medikament Paxlovid® von Pfizer für Risikopatienten wieder verstärkt gefragt. Apotheken müssen sich bei der Abgabe dieses Medikaments jedoch an eine neue Regelung halten: Seit Februar 2024 dürfen nur noch Packungen mit regulärer PZN 18380061 abgegeben werden. Die bisherigen Sonderpackungen mit Bundes-PZN sind nicht mehr abgabefähig, was zu Änderungen im Bestell- und Abrechnungsprozess führt. Diese Anpassungen fordern ein hohes Maß an Flexibilität von den Apotheken, die den Zugang der Patienten zu wichtigen Medikamenten sicherstellen müssen.
In der Auseinandersetzung um die geplante Gesetzesänderung des Infektionsschutzgesetzes, die Apotheken den Einsatz von Schnelltests auf bestimmte Infektionskrankheiten erlaubt, wächst der Widerstand aus der Labormedizin. Der Berufsverband der akkreditierten Labore ALM spricht sich entschieden gegen die Übertragung dieser Testkompetenzen auf Apotheken und Pflegeeinrichtungen aus und sieht in der geplanten Änderung eine Gefahr für die diagnostische Qualität und Sorgfalt. Die vorgesehene Regelung würde Apothekenpersonal erlauben, Tests auf Adeno-, Influenza-, Noro- sowie Respiratorische Synzytial-Viren durchzuführen. Kritiker argumentieren, dass der Arztvorbehalt für diese Tests weiterhin notwendig sei, um diagnostische Fehler und Qualitätsmängel zu vermeiden.
Im Bereich der Arzneimittelsicherheit müssen Apotheken weiterhin sicherstellen, dass jedes verschreibungspflichtige Medikament vor der Abgabe über das Securpharm-System verifiziert wird. Das System soll verhindern, dass gefälschte Arzneimittel in den Verkehr geraten. Der Umgang mit sogenannten Bündelpackungen erweist sich hierbei jedoch als eine besondere Herausforderung, da diese anders verifiziert und ausgebucht werden müssen. Eine korrekte Handhabung ist unerlässlich, um die Patientensicherheit zu gewährleisten und den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen.
Ein Cyberangriff auf den Pharmagroßhändler AEP hat indes für erhebliche Störungen in der Lieferkette gesorgt. Die gesamte IT-Infrastruktur des Unternehmens wurde lahmgelegt, was eine umfassende Bestellung durch Apotheken nahezu unmöglich macht. Diese Einschränkungen setzen den Markt zusätzlich unter Druck, da die übrigen Großhändler die Versorgungssituation auffangen müssen. Die Gefahr einer anhaltenden Versorgungsstörung steigt und bringt die Herausforderungen im IT-Bereich der Apothekenbranche deutlich zur Geltung.
Vor-Ort-Apotheken stehen im direkten Wettbewerb zu Versandapotheken, die zunehmend Marktanteile gewinnen. Dennoch bieten Apotheken vor Ort klare Vorteile für Patienten: Neben der persönlichen Beratung und unmittelbaren Medikamentenabgabe tragen sie zur Gesundheitsprävention und -versorgung in vielen Regionen bei, die von Unterversorgung betroffen sind. Patienten profitieren hier nicht nur von der direkten Verfügbarkeit von Medikamenten, sondern auch von Zusatzleistungen wie Blutdruckmessungen und Medikationsplänen. In ländlichen Gebieten sind Apotheken oft die einzige Anlaufstelle für Gesundheitsfragen und bieten eine unmittelbare Unterstützung, die Versandapotheken in dieser Form nicht leisten können.
Die wirtschaftlichen und regulatorischen Veränderungen des Jahres 2024 fordern von Apotheken nicht nur Flexibilität, sondern auch ein starkes Bewusstsein für finanzielle Stabilität und die Sicherstellung eines nachhaltigen Geschäftsbetriebs. Das Risikomanagement ist zur zentralen Säule des Apothekenmanagements geworden, da die steigenden Anforderungen an Patientensicherheit, IT-Sicherheit und regulatorische Compliance hohe Belastungen darstellen. Um den fortschreitenden Entwicklungen standzuhalten, sind gezielte politische Maßnahmen und Unterstützung notwendig, die die Rolle der Apotheken als wesentlichen Bestandteil des Gesundheitssystems stärken.
Kommentar:
Die zahlreichen Herausforderungen, die die Apothekenlandschaft in Deutschland derzeit zu bewältigen hat, unterstreichen die Notwendigkeit umfassender politischer Unterstützung und rechtlicher Anpassungen, die dem sich verändernden Gesundheitsmarkt gerecht werden. Apotheken als lokale Versorgungsstellen stehen nicht nur unter wirtschaftlichem Druck, sondern müssen auch medizinische und regulatorische Ansprüche erfüllen, die zunehmend anspruchsvoller werden. In Zeiten globaler wirtschaftlicher Instabilität und wachsender Anforderungen an die öffentliche Gesundheit ist die Rolle der Apotheken als verlässliche Säule der Gesundheitsversorgung unabdingbar. Politische Entscheidungsträger sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass die Sicherstellung der Apothekenversorgung nicht nur eine wirtschaftliche Frage, sondern eine Investition in die Gesundheit und das Wohlergehen der Bevölkerung darstellt.
Von Engin Günder, Fachjournalist