Die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet unaufhaltsam voran und eröffnet Apotheken neue Möglichkeiten, sich als moderne, patientenzentrierte Dienstleister zu positionieren. Gleichzeitig bringt sie jedoch erhebliche Risiken mit sich, insbesondere durch die zunehmende Bedrohung durch Cyberkriminalität. Angriffe auf IT-Systeme im Gesundheitssektor nehmen zu und zielen oftmals auf sensible Patientendaten oder betriebsrelevante Informationen ab. Für Apotheken, die häufig mit begrenzten Ressourcen agieren, ist dies eine ernsthafte Herausforderung. Technologische Investitionen allein reichen nicht aus – es bedarf einer ganzheitlichen Sicherheitsstrategie. Diese umfasst regelmäßige Mitarbeiterschulungen, den Einsatz von Verschlüsselungstechnologien, klare Richtlinien für den Umgang mit sensiblen Daten und eine proaktive Überwachung potenzieller Sicherheitslücken. Die Implementierung solcher Maßnahmen ist nicht nur eine rechtliche und ethische Verpflichtung, sondern auch ein wesentlicher Faktor zur Wahrung des Vertrauens der Patienten.
Einen weiteren Meilenstein markiert die geplante Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) im kommenden Jahr. Dank einer Opt-out-Regelung soll ein Großteil der Bevölkerung automatisch eingebunden werden, es sei denn, sie widersprechen aktiv. Die ePA könnte das Gesundheitswesen revolutionieren, indem sie die Verwaltung und den Austausch von Gesundheitsdaten erleichtert. Ärzte, Apotheken und andere Leistungserbringer hätten Zugriff auf eine zentrale Informationsquelle, was die Behandlungsqualität verbessern könnte. Doch die Einführung birgt auch Risiken. Datenschutzfragen und technische Hürden sind nur zwei der zahlreichen Herausforderungen, mit denen sich Apotheken auseinandersetzen müssen. Zudem erfordert die Umstellung eine erhebliche Anpassung interner Prozesse sowie eine intensive Kommunikation mit Patienten, um deren Zustimmung zu gewinnen und Missverständnisse zu vermeiden.
In der Zwischenzeit sorgt eine geplante Änderung im Umgang mit Ersatzverordnungen für Diskussionen. Apotheken sollen künftig nicht mehr die Möglichkeit haben, Ersatzverordnungen als solche zu kennzeichnen. Diese Änderung könnte erhebliche Auswirkungen auf die Abrechnungspraxis haben. Ohne klare Kennzeichnung drohen Missverständnisse zwischen Apotheken, Ärzten und Krankenkassen, was im schlimmsten Fall zu Retaxationen oder finanziellen Einbußen führen könnte. Für Apotheken bedeutet dies, dass sie verstärkt auf die korrekte Dokumentation achten und möglicherweise zusätzlichen Aufwand in die Kommunikation mit Ärzten und Kassen investieren müssen.
Eine weitere Herausforderung stellt das ab dem 2. Dezember geltende Lieferverbot für „sonstige Produkte zur Wundbehandlung“ dar, wenn diese zulasten der Krankenkassen abgerechnet werden sollen. Viele Patienten, insbesondere chronisch Kranke, verlassen sich auf diese Produkte, um ihre Wunden effektiv zu versorgen. Die neuen Vorgaben könnten nicht nur zu Unsicherheiten führen, sondern auch die Versorgungswege komplizierter machen. Apotheken müssen ihre Kunden über die Änderungen informieren und Lösungen entwickeln, um weiterhin eine optimale Versorgung zu gewährleisten – auch wenn dies bedeutet, auf alternative Finanzierungsmöglichkeiten oder private Zahlungen zurückzugreifen.
Inmitten dieser Herausforderungen kämpfen Apotheken mit einer rückläufigen Kundenfrequenz. Studien zeigen, dass die Zahl der Kundenbesuche zuletzt deutlich gesunken ist. Dies könnte auf mehrere Faktoren zurückzuführen sein, darunter der wachsende Online-Handel, veränderte Konsumgewohnheiten und die anhaltende Unsicherheit aufgrund von Lieferengpässen. Apotheken stehen vor der Aufgabe, ihre Position als lokale Gesundheitsdienstleister zu stärken. Individuelle Beratung, innovative Services und eine stärkere Kundenbindung könnten entscheidende Hebel sein, um dem Rückgang entgegenzuwirken.
Ein Hoffnungsschimmer ist die Rückkehr des beliebten Diabetes-Medikaments Ozempic in die Apothekenregale. Nach knapp zwei Jahren Lieferengpässen sollen ausgeweitete Produktionskapazitäten nun für eine stabilere Versorgung sorgen. Die enorme Nachfrage nach Ozempic, das auch für die Gewichtsreduktion eingesetzt wird, hatte die Verfügbarkeit des Medikaments lange Zeit eingeschränkt. Für Apotheken bietet das Comeback die Chance, die Versorgung ihrer Patienten zu sichern und das Vertrauen in die Lieferfähigkeit der Branche zurückzugewinnen.
Kommentar:
Die aktuellen Entwicklungen im Apothekenwesen verdeutlichen die wachsende Komplexität der Branche. Die Digitalisierung bietet enorme Chancen, erfordert jedoch eine konsequente Vorbereitung und Umsetzung. Cybersecurity ist kein Luxus, sondern eine absolute Notwendigkeit. Gerade kleine und mittelständische Apotheken müssen sich bewusst sein, dass selbst kleinste Schwachstellen erhebliche Folgen haben können. Es ist nicht nur Aufgabe der Betreiber, sondern auch der politischen Entscheidungsträger, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Apotheken in die Lage versetzen, sich gegen Cyberbedrohungen zu wappnen. Förderprogramme oder steuerliche Anreize für Sicherheitsmaßnahmen könnten hier einen wichtigen Beitrag leisten.
Die elektronische Patientenakte ist ein weiterer Schritt in die digitale Zukunft, doch sie birgt das Risiko, an mangelnder Akzeptanz oder unzureichender Umsetzung zu scheitern. Datenschutzfragen müssen klar beantwortet werden, und die betroffenen Akteure benötigen ausreichende Schulung und technische Unterstützung. Hier sollte die Politik nicht nur Vorgaben machen, sondern auch aktiv die Implementierung begleiten.
Die Änderungen bei Ersatzverordnungen und Wundbehandlungsprodukten zeigen, wie stark gesetzliche Vorgaben die Arbeit von Apotheken beeinflussen können. Diese Regulierungen erhöhen nicht nur den bürokratischen Aufwand, sondern setzen Apotheken auch einem zusätzlichen wirtschaftlichen Druck aus. Ein Dialog zwischen den Verantwortlichen und der Branche ist dringend nötig, um praxistaugliche Lösungen zu finden.
Besorgniserregend ist die rückläufige Kundenfrequenz in Apotheken. Dies zeigt, dass sich die Branche in einem tiefgreifenden Wandel befindet. Apotheken müssen sich neu erfinden, um relevant zu bleiben. Dies erfordert kreative Konzepte, die über das traditionelle Geschäftsmodell hinausgehen. Gleichzeitig sollten auch die Lieferengpässe, die das Vertrauen der Patienten erschüttern, konsequent adressiert werden.
Das Ende der Lieferprobleme bei Ozempic ist zwar erfreulich, aber es zeigt auch, wie abhängig die Branche von globalen Lieferketten ist. Langfristig muss die Versorgungssicherheit in Deutschland durch eine stärkere lokale Produktion und bessere Lagerhaltung gewährleistet werden. Politik, Pharmaunternehmen und Apotheken sind hier gleichermaßen gefragt, um gemeinsam nachhaltige Lösungen zu entwickeln.
Die Apotheke der Zukunft muss digital, flexibel und krisenfest sein – und das erfordert ein Umdenken auf allen Ebenen. Nur so kann sie weiterhin als unverzichtbarer Bestandteil des deutschen Gesundheitswesens bestehen bleiben.
Von Engin Günder, Fachjournalist