Die Apothekenlandschaft in Deutschland steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die von der Digitalisierung über politische Unsicherheiten bis hin zu wirtschaftlichen Zwängen reichen. Besonders drängend ist die wachsende Bedrohung durch Cyberkriminalität. Angesichts der sensiblen Gesundheitsdaten, die Apotheken verwalten, und der zunehmenden Digitalisierung ihrer Prozesse sind sie ein attraktives Ziel für Cyberangriffe. Solche Angriffe können gravierende Folgen haben – von Betriebsunterbrechungen über finanzielle Schäden bis hin zu einem Vertrauensverlust der Patienten. Der Schutz vor diesen Risiken wird durch Cyberversicherungen erleichtert, die jedoch hohe Anforderungen an die IT-Sicherheitsmaßnahmen der Apotheken stellen. Betreiber stehen vor der Aufgabe, sowohl die technische Infrastruktur zu modernisieren als auch ihre Mitarbeitenden im Umgang mit digitalen Risiken zu schulen.
Auch auf politischer Ebene ist die Lage angespannt. Während in Thüringen ein neuer Koalitionsvertrag zwischen CDU, BSW und SPD Apotheken als zentrale Akteure der Gesundheitsversorgung stärkt, sorgt der Zerfall der Ampelkoalition auf Bundesebene für Unsicherheit. Mit dem Ende der Koalition ist auch das Apothekenreformgesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vom Tisch. Dieses Scheitern wird von der Branche einerseits als verpasste Chance gesehen, da wichtige Reformen ausbleiben. Andererseits eröffnet sich die Möglichkeit, die anstehenden Wahlen zu nutzen, um die Anliegen der Apotheken in den politischen Diskurs einzubringen und die Richtung zukünftiger Reformen mitzugestalten.
Wirtschaftlich zeigt sich ein gemischtes Bild. Während die genossenschaftliche Großhandelsgruppe Noweda im Geschäftsjahr 2023/2024 beeindruckende Rekordergebnisse erzielte, warnt ihr Vorstandsvorsitzender Dr. Michael Kuck vor den Risiken der Marktöffnung für Kettenapotheken. Lauterbachs Reformpläne, die Apotheken ohne Apotheker ermöglichen könnten, werden als Bedrohung für die flächendeckende Versorgung und die traditionelle inhabergeführte Apothekenstruktur betrachtet. Parallel dazu befindet sich die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apobank) nach Jahren technischer Probleme auf einem stabileren Kurs. Unter der Leitung von Matthias Schellenberg fokussiert sich die Bank auf Konsolidierung und Modernisierung, wovon Heilberufler wie Apotheker profitieren können.
Ein Lichtblick für die Branche ist der Pharmacon-Kongress 2025 in Schladming, der vom 19. bis 24. Januar neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Impulse verspricht. Der Fokus auf Onkologie und pharmazeutische Ansätze bei Augen- und Ohrenkrankheiten unterstreicht die Bedeutung innovativer Behandlungsmöglichkeiten, die das Fachpersonal auf dem neuesten Stand halten sollen. Gleichzeitig rückt die digitale Transformation weiter in den Mittelpunkt. Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) ab Januar 2025 wird als Meilenstein der Digitalisierung betrachtet. Für Apotheken bringt dies jedoch nicht nur Chancen, sondern auch erhebliche Anpassungsanforderungen. Die Integration der ePA in bestehende Abläufe erfordert technische Investitionen und Schulungen, um die Effizienz zu gewährleisten.
Regionale Entwicklungen verdeutlichen zudem die unterschiedliche Dynamik innerhalb der Branche. Im Altmarkkreis Salzwedel betonte SPD-Landrat Steve Kanitz bei einem Besuch in der Hansa Apotheke die unverzichtbare Rolle der Apotheken für die Gesundheitsversorgung und den Katastrophenschutz. Zugleich zeigt die Schließung einer Traditionsapotheke in Haan die realen wirtschaftlichen und infrastrukturellen Belastungen auf, denen viele Apotheken ausgesetzt sind. Neben wirtschaftlichen Zwängen wie stagnierenden Honoraren und steigenden Betriebskosten verstärken externe Faktoren wie Bauarbeiten und lokale Herausforderungen den Druck auf Betreiber.
Ein weiteres Problemfeld sind illegale Arzneimittelangebote auf Plattformen wie Ebay. Trotz klarer Richtlinien und gesetzlicher Vorgaben bleibt die Durchsetzung lückenhaft. Dies betrifft nicht nur freiverkäufliche Präparate, sondern auch verschreibungspflichtige Medikamente. Solche Verstöße gefährden nicht nur die Patientensicherheit, sondern untergraben auch die Glaubwürdigkeit des legalen Arzneimittelvertriebs.
Die Branche steht vor einer kritischen Phase: Die steigenden Anforderungen an Digitalisierung und Cybersicherheit, die politischen Unsicherheiten und der wirtschaftliche Druck machen deutlich, dass umfassende Reformen notwendig sind. Gleichzeitig bieten Erfolge wie die von Noweda und zukunftsweisende Veranstaltungen wie der Pharmacon-Kongress die Chance, die Apothekerschaft zu stärken und ihre Position als Rückgrat der Gesundheitsversorgung zu festigen.
Kommentar:
Die gegenwärtige Situation der Apotheken in Deutschland spiegelt eine vielschichtige Problematik wider, die langfristige Konsequenzen für die Gesundheitsversorgung haben könnte. Während Fortschritte wie die Einführung der elektronischen Patientenakte und die wirtschaftliche Stabilität von Partnern wie Noweda und der Apobank positive Signale setzen, bleibt die politische Dimension der größte Unsicherheitsfaktor. Die geplante Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hätte dringend benötigte Veränderungen bringen können, doch das politische Scheitern zeigt einmal mehr, dass die Apothekenbranche von der Bundespolitik oft nicht mit der nötigen Priorität behandelt wird.
Die Warnungen von Noweda vor einer Marktöffnung für Kettenapotheken sind dabei mehr als berechtigt. Die flächendeckende Versorgung, insbesondere in ländlichen Regionen, wird durch inhabergeführte Apotheken gewährleistet. Eine Liberalisierung könnte dazu führen, dass wirtschaftlich weniger rentable Standorte aufgegeben werden und die Versorgungslücken noch größer werden. Hier ist die Politik gefordert, klare Regelungen zu schaffen, die die Unabhängigkeit der Apotheken sichern und gleichzeitig die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern.
Auch die Digitalisierung birgt Risiken und Chancen. Die elektronische Patientenakte ist ein bedeutender Schritt zur Verbesserung der Versorgungsqualität und Effizienz im Gesundheitssystem. Doch ohne ausreichende Unterstützung für Apotheken – sei es in Form finanzieller Hilfen oder praxisnaher Schulungen – droht diese Reform für viele Betreiber zu einer weiteren Belastung zu werden. Cybersicherheit ist dabei ein zentraler Aspekt: Die Abhängigkeit von digitalen Prozessen macht Apotheken zu einem attraktiven Ziel für Cyberangriffe. Betreiber müssen nicht nur in moderne IT-Systeme investieren, sondern auch sicherstellen, dass ihre Teams ausreichend geschult sind, um Cyberrisiken effektiv zu begegnen.
Die regionalen Unterschiede in der Apothekenlandschaft verdeutlichen, wie wichtig ein ausgewogener Ansatz ist. Initiativen wie in Thüringen oder die Unterstützung durch kommunale Akteure wie im Altmarkkreis Salzwedel zeigen, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Apothekern, Politik und Gesellschaft möglich ist. Solche Beispiele sollten als Vorbild dienen, um den besonderen Herausforderungen der Branche – von wirtschaftlichem Druck bis hin zu infrastrukturellen Problemen – zu begegnen.
Die Zukunft der Apotheken hängt maßgeblich davon ab, wie entschlossen die Politik handelt und wie gut die Branche ihre Position stärken kann. Es ist an der Zeit, dass Apotheken nicht länger als reine Kostenfaktoren, sondern als unverzichtbare Stützen der Gesundheitsversorgung wahrgenommen werden. Reformen müssen nicht nur dringend umgesetzt, sondern auch langfristig angelegt sein, um die Apothekenlandschaft zukunftsfähig zu machen. Die Apothekerschaft selbst ist gefordert, ihre Anliegen aktiv zu vertreten, ihre digitale Kompetenz auszubauen und die Bedeutung ihrer Arbeit gegenüber der Gesellschaft stärker zu kommunizieren. Die Zeit für Reformen ist jetzt – bevor die Belastungen für viele Apotheken endgültig zu groß werden.
Von Engin Günder, Fachjournalist