Die elektronische Patientenakte (ePA) wird ab dem 15. Januar 2025 in Deutschland für alle gesetzlich Versicherten verfügbar sein. Dieses Herzstück der digitalen Gesundheitsreform soll Patientendaten zentral bündeln, um die Kommunikation zwischen Gesundheitsdienstleistern zu erleichtern. Während die Einführung als Fortschritt gefeiert wird, stellen sich für Apotheken, die künftig eine wichtige Rolle im Umgang mit der ePA einnehmen sollen, zahlreiche Fragen. Die neuen Anforderungen betreffen nicht nur die technische Infrastruktur, sondern auch die Arbeitsabläufe und rechtlichen Verpflichtungen.
Wie Apotheken die ePA nutzen können
Der Zugriff auf die ePA erfolgt durch das Stecken der elektronischen Gesundheitskarte (eGK). Apothekenteams erhalten dabei Leserechte für einen Zeitraum von drei Tagen, während Arztpraxen 90 Tage Zugriff haben. Mit diesen Leserechten können Diagnosen, Medikationsdaten sowie ab Juli 2025 elektronische Medikationspläne (eMP) eingesehen werden. Gleichzeitig wird es Apothekenteams erlaubt sein, die eMP zu bearbeiten. Dabei bleibt die Bearbeitung zunächst auf manuelle Einträge beschränkt, etwa das Nachtragen von Medikamenten aus Papierrezepten, Betäubungsmitteln (BtM) oder rezeptfreien Arzneimitteln (OTC). Automatisierte Prozesse, wie der direkte Transfer von Daten aus dem Medikationsverlauf, sind bisher nicht vorgesehen.
Eine zentrale Herausforderung besteht in der Vergütung für diese Zusatzaufgaben. Gesetzlich ist festgelegt, dass Apotheken für das Eintragen von Informationen in die ePA vergütet werden sollen, doch die genaue Höhe und die Rahmenbedingungen dieser Vergütung sind noch unklar. Die Verzögerung bei der Klärung dieser Frage sorgt für Unsicherheit und Unmut in der Branche, da Apothekenteams bereits mit einer hohen Arbeitsbelastung konfrontiert sind.
Technische Umsetzung und Startschwierigkeiten
Die technische Umsetzung der ePA verlangt von Apothekensoftware-Anbietern umfangreiche Anpassungen. Unternehmen wie Pharmatechnik und Noventi haben zugesichert, die notwendigen Zertifizierungen rechtzeitig abzuschließen und die Funktionen in ihre Systeme zu integrieren. Dennoch bleibt die Frage, wie gut diese Systeme in der Praxis funktionieren werden. Besonders die derzeit eingeschränkten Suchfunktionen der ePA könnten anfangs Probleme bereiten. Informationen können nur anhand von Metadaten gesucht werden, was die Nutzung erheblich erschwert. Eine Volltextsuche, die den Zugriff auf spezifische Patientendaten erleichtern würde, ist erst ab 2026 geplant.
Hinzu kommen rechtliche Fragen im Umgang mit der ePA. So hat die Gematik klargestellt, dass die Nutzung von CardLink für den Zugriff auf die ePA nicht erlaubt ist. Apotheken können daher nur dann auf die ePA zugreifen, wenn die eGK physisch vor Ort gesteckt wird. Diese Einschränkung könnte insbesondere für Patienten problematisch sein, die auf digitale Lösungen angewiesen sind oder ihre eGK nicht mit sich führen.
Langfristige Perspektiven für Apotheken
Trotz der anfänglichen Herausforderungen birgt die ePA langfristig erhebliche Chancen für Apotheken. Mit der Möglichkeit, Medikationspläne zu bearbeiten und Laborparameter einzusehen, könnten Apothekenteams künftig eine noch zentralere Rolle in der Patientenversorgung übernehmen. Dies setzt jedoch voraus, dass die technischen Systeme zuverlässig funktionieren und die Arbeitsbelastung der Teams durch unterstützende Maßnahmen und faire Vergütungen ausgeglichen wird.
Die Integration der ePA könnte zudem die Position der Apotheken im Gesundheitssystem stärken. Durch die direkte Einbindung in den digitalen Datenfluss haben Apotheken die Möglichkeit, sich als unverzichtbare Partner in der Versorgung zu etablieren. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, ist jedoch eine enge Zusammenarbeit zwischen Apotheken, Software-Anbietern und politischen Akteuren erforderlich.
Kommentar: Eine digitale Revolution mit Hindernissen
Die Einführung der elektronischen Patientenakte ist ohne Zweifel ein Meilenstein in der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Doch wie bei jedem großen Reformprojekt zeigen sich bereits vor dem Start erhebliche Hürden, die überwunden werden müssen. Besonders Apotheken, die als Schnittstelle zwischen Patient und Gesundheitsdienstleister fungieren, stehen vor einer anspruchsvollen Aufgabe.
Ein Kernproblem ist die mangelnde Vorbereitung auf den Praxisalltag. Die manuelle Pflege von Medikationsplänen und die damit verbundenen rechtlichen Verpflichtungen stellen für Apothekenteams eine erhebliche Zusatzbelastung dar. Hinzu kommt die Unsicherheit über die Vergütung dieser Leistungen. Wenn Apotheken die zusätzlichen Aufgaben übernehmen sollen, ohne dass eine faire finanzielle Entschädigung geregelt ist, droht die Akzeptanz für die ePA in der Branche zu schwinden.
Technisch sind ebenfalls zahlreiche Fragen offen. Die eingeschränkten Suchfunktionen der ePA und die unklare Integration von Laborwerten in strukturierter Form zeigen, dass die Plattform in ihrer jetzigen Form noch weit von der angekündigten Nutzerfreundlichkeit entfernt ist. Auch die Einschränkung des Zugriffs über CardLink wirkt wie ein Rückschritt, da sie die Flexibilität der Patienten und Apothekenteams unnötig einschränkt.
Dennoch bietet die ePA eine Chance, die Apotheken langfristig stärken könnte. Mit dem Zugang zu Diagnosen, Medikationsdaten und Laborwerten erhalten Apothekenteams Werkzeuge, um ihre Beratung und Versorgung zu verbessern. Diese Potenziale dürfen jedoch nicht durch organisatorische und technische Mängel gefährdet werden.
Die Politik ist nun gefragt, um die Rahmenbedingungen für die ePA zu optimieren. Dazu gehört nicht nur eine klare Regelung der Vergütungsfragen, sondern auch die Förderung der technischen Weiterentwicklung und eine enge Einbindung der Apotheken in den Digitalisierungsprozess. Nur so kann die ePA zu einem Erfolg werden – für Patienten, Apotheken und das gesamte Gesundheitssystem.