Hochpreisige Arzneimittel, auch als „Hochpreiser“ bekannt, sind zu einem der zentralen Themen im deutschen Gesundheitssystem geworden. Trotz ihrer geringen Zahl an Verordnungen verursachen diese Medikamente einen erheblichen Anteil der Gesamtkosten im Gesundheitswesen. Ihre wachsende Bedeutung hat für Apotheken eine Vielzahl wirtschaftlicher Herausforderungen zur Folge, die mit strategischen Entscheidungen und einer verstärkten Risikomanagementplanung beantwortet werden müssen. Doch trotz der hohen Erträge, die Hochpreisige Arzneimittel versprechen, geht der steigende Druck auf Apothekenbetreiber oft mit einer hohen finanziellen Belastung einher.
Als hochpreisige Arzneimittel gelten jene, deren Herstellerabgabepreis (ApU) über 1200 Euro liegt, und die damit verbundenen Apothekeneinkaufspreise überschreiten die Grenze von 1238,53 Euro. Dies ist der Preis, ab dem ein einheitlicher Großhandelsaufschlag von 38,53 Euro zur Anwendung kommt, um eine faire Preisstruktur zu gewährleisten. Laut einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) entfielen 2023 knapp 48 Prozent der Arzneimittel-Umsätze auf Hochpreiser, obwohl sie nur 1,5 Prozent der verschriebenen Packungen ausmachten. Diese Diskrepanz zwischen Umsatzbeteiligung und Verordnungsanteil ist ein entscheidender Faktor, der die Struktur des deutschen Apothekenmarktes verändert und vor besondere Herausforderungen stellt.
Für Apothekenbetreiber bedeutet dies eine doppelte Herausforderung: Einerseits stellen Hochpreisige Arzneimittel eine potenziell sehr lukrative Einnahmequelle dar, da sie hohe Stückerträge erzeugen. Ein Medikament mit einem ApU von 2000 Euro kann beispielsweise einen Rohertrag von 108 Euro abwerfen – weit mehr als ein günstigeres Arzneimittel mit einem ApU von 40 Euro, das nur 12 Euro einbringt. Andererseits gibt es eine Vielzahl von Risiken, die mit der hohen Investition in diese Medikamente verbunden sind. Der größte davon ist die Vorfinanzierung: Apotheken müssen die teuren Arzneimittel sofort bezahlen, während die Rückerstattung durch die Krankenkassen erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Diese Liquiditätslücke kann besonders problematisch werden, wenn Apotheken nicht über genügend finanzielle Reserven verfügen, um eine konstante Versorgung aufrechtzuerhalten.
Hinzu kommt der steigende Druck durch geplante gesetzliche Reformen, die die Apothekenmargen weiter schmälern könnten. Der Fixzuschlag von 8,35 Euro für jedes Arzneimittel wird bei sehr teuren Medikamenten zunehmend irrelevant, da der prozentuale Aufschlag von 3 Prozent dominanter wird. Für Apotheken mit vielen Hochpreisern bedeutet dies eine signifikante Reduzierung der Erträge. Apotheker:innen warnen, dass eine geplante Senkung der Apothekenspanne von 3 auf 2 Prozent die wirtschaftliche Stabilität vieler Apotheken ernsthaft gefährden könnte, insbesondere bei Präparaten, die ohnehin nur eine geringe Marge bieten.
Zudem spielt der Staat bei der Verteilung der Einnahmen eine zunehmend größere Rolle. Während Apotheken aufgrund ihrer niedrigen Margen von Hochpreisern nur geringe Erträge erzielen, profitieren die öffentlichen Finanzen erheblich durch die Mehrwertsteuer. Auf einen Verkaufspreis von 61 Euro entfällt die Apothekenmarge von nur etwa 3 Cent pro Euro des Netto-Verkaufspreises, während der Staat 19 Cent pro Euro durch die Mehrwertsteuer einnimmt. Diese Diskrepanz führt zu einem ungleichen finanziellen Nutzen für Apotheken und den Staat, was viele Apothekenbetreiber als ungerecht empfinden.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie Apothekenbetreiber ihre Risiken effektiv managen können. Ein zentraler Baustein ist eine branchenorientierte Apothekenversicherung, die speziell auf die Bedürfnisse von Apotheken mit einem hohen Anteil an Hochpreisern zugeschnitten ist. Insbesondere eine Allrisk-Versicherung, die eine breite Palette von Schadensfällen abdeckt, bietet Apotheken den notwendigen Schutz vor unvorhergesehenen Ereignissen wie Schäden während des Transports, Retouren oder durch die Lagerung von Medikamenten. Auch eine Cyberversicherung sollte im Portfolio enthalten sein, um sich gegen die Risiken von Cyberangriffen und den Verlust von sensiblen Abrechnungsdaten abzusichern. In einer zunehmend digitalisierten Welt, in der viele Apotheken auf Softwarelösungen für ihre Bestell- und Abrechnungsprozesse angewiesen sind, ist der Schutz vor Cyberangriffen unverzichtbar.
Neben Versicherungen sind auch interne betriebliche Anpassungen erforderlich, um die Rentabilität trotz der Herausforderungen zu gewährleisten. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist die sorgfältige Auswahl und Bestellung von Hochpreismedikamenten. Diese sollten nur bei Vorliegen eines gültigen Rezepts bestellt werden, um unnötige Lagerbestände und damit verbundene Kosten zu vermeiden. Gleichzeitig müssen Apothekenbetreiber ihre Liquiditätsplanung streng überwachen, um sicherzustellen, dass sie in der Lage sind, die Kosten für Hochpreiser zu decken, ohne in finanzielle Engpässe zu geraten. Ein klar strukturiertes Risikomanagement, das sich auf die kontinuierliche Überprüfung der Umsätze und der Ertragsstruktur stützt, kann dabei helfen, langfristig erfolgreich zu bleiben.
Kommentar:
Die Diskussion um hochpreisige Arzneimittel beleuchtet eine der größten wirtschaftlichen Herausforderungen für Apotheken im deutschen Gesundheitssystem. Die stark gestiegenen Ausgaben für teure Medikamente erfordern eine Umstrukturierung der apothekenspezifischen Geschäftsstrategien, die nicht nur eine verstärkte Liquiditätsplanung und Risikomanagement umfassen, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit den politischen Rahmenbedingungen. Der scheinbare Widerspruch zwischen hohen Erträgen und den damit verbundenen Risiken ist für Apothekenbetreiber ein tägliches Dilemma. Sie müssen sich entscheiden, wie sie das Potenzial von Hochpreisern nutzen, ohne sich finanziell zu überlasten.
Besonders die Vorfinanzierung und die Unsicherheit der Rückerstattungen stellen eine gewaltige Hürde dar. Ohne ausreichende Liquidität geraten viele Apotheken in eine gefährliche Abwärtsspirale, die durch sinkende Margen und die ständige Unsicherheit über politische Entscheidungen weiter verstärkt wird. Hier zeigt sich das Fehlen einer langfristigen Planungssicherheit für Apotheken, die in ihrer Rolle als unverzichtbare Leistungserbringer für die Gesundheitsversorgung immer mehr unter Druck geraten.
Die Versicherungsbranche hat längst erkannt, wie wichtig es ist, speziell auf Apotheken zugeschnittene Lösungen anzubieten. Eine Kombination aus Allrisk- und Cyberversicherungen könnte einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, Risiken abzusichern und finanzielle Verluste durch unvorhergesehene Ereignisse zu vermeiden. Aber Versicherungen allein sind nicht die Lösung. Es bedarf einer umfassenden Reform, die die Vorfinanzierungslasten für Apotheken reduziert und die Abrechnungsprozesse vereinfacht.
Darüber hinaus ist eine stärkere politische Unterstützung notwendig, um den Druck auf Apotheken zu mindern. Eine Reduzierung der Apothekenspanne um einen weiteren Prozentpunkt würde viele Betriebe in die Insolvenz treiben. Apotheken sind nicht nur für die Abgabe von Medikamenten verantwortlich, sondern auch für die Versorgungssicherheit der Bevölkerung. Es ist daher nicht nur im Interesse der Apothekenbetreiber, sondern auch im Interesse der öffentlichen Gesundheit, dass die Politik endlich konkrete Maßnahmen zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit und Stabilität der Apotheken trifft.
Hochpreisige Arzneimittel bleiben ein bedeutender Bestandteil des Gesundheitsmarktes. Doch ohne eine politische Unterstützung und die Implementierung solider, auf die besonderen Bedürfnisse der Apotheken zugeschnittene Maßnahmen, besteht die Gefahr, dass das System kollabiert und die Patientenversorgung langfristig beeinträchtigt wird. Apotheken müssen die richtigen Schritte unternehmen, um ihre wirtschaftliche Zukunft zu sichern, doch auch die Politik darf nicht länger wegschauen.
Von Engin Günder, Fachjournalist