Die Apothekenbranche in Deutschland steht vor tiefgreifenden Veränderungen, die sich in einer rekordhohen Zahl an Apothekenübernahmen widerspiegeln. Neugründungen sind mittlerweile eine Seltenheit, da steigende Betriebskosten und hohe Einstiegsbarrieren die Übernahme bestehender Apotheken zur attraktiveren Option machen. Eine aktuelle Analyse der Deutschen Apotheker- und Ärztebank zeigt, dass 2023 nur noch 4 % der begleiteten Neugründungen an neuen Standorten stattfanden. Lediglich 1 % entfiel auf Existenzgründungen, während die restlichen 3 % auf Filialgründungen bereits etablierter Apothekenbesitzer entfielen. Diese Entwicklung verdeutlicht die zunehmenden finanziellen Hürden, denen sich angehende Apothekeninhaber stellen müssen. Eine Übernahme scheint für viele ein unternehmerisch sicherer Weg zu sein, erfordert jedoch immer höhere Investitionen und birgt Herausforderungen, die nicht zuletzt durch die allgemeine Wirtschaftslage verschärft werden.
Parallel dazu sorgte das Versorgungswerk der Apotheker in Schleswig-Holstein kürzlich für Schlagzeilen, als es aufgrund verlustreicher Immobilieninvestitionen gezwungen war, außerplanmäßig 54,9 Millionen Euro abzuschreiben. Die Führung um Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, versichert, dass die Renten der Mitglieder nicht gefährdet seien. Trotzdem weckt der Vorfall in der Apothekenschaft Sorgen über die Zukunft der Altersvorsorge. Die Immobilienkrise trifft nicht nur private Anleger, sondern offenbar auch institutionelle Akteure hart. Mit wachsenden Herausforderungen für berufsständische Versorgungswerke und der Bedeutung solider Anlageentscheidungen gewinnt das Thema Altersvorsorge in der Branche weiter an Relevanz.
Die Apothekenlandschaft sieht sich auch durch neue Tarifregelungen in der Notdienstvergütung verändert. Seit Inkrafttreten des neuen Bundesrahmentarifvertrags und der angepassten Gehaltstarifverträge im Sommer 2023 sind Apothekenbetreiber gezwungen, Bereitschaftsdienste umzuorganisieren. Angestellte, deren Gehalt mindestens 13 % über dem Tarifniveau liegt, erhalten keine zusätzliche Vergütung für Notdienste und keinen Freizeitausgleich – eine Regelung, die außer in Sachsen bundesweit gilt und auf Kritik stößt. Besonders Apotheken, die auf erfahrene Fachkräfte setzen, stehen hier vor Herausforderungen in der Personalplanung, da sie auch ohne zusätzliche Vergütung für Bereitschaftsdienste einspringen müssen.
Ein weiteres Streitthema zeichnet sich im Gesundheitswesen ab: Die telefonische Krankschreibung, die während der Corona-Pandemie als Notlösung eingeführt wurde und seit Ende 2023 als dauerhafte Maßnahme beschlossen ist, sorgt für Diskussionen. Arbeitgebervertreter sehen in dieser Regelung eine Ursache für steigende Krankenstände und fordern deren Abschaffung. Auf der anderen Seite verteidigen der Hausärzteverband und die Bundesärztekammer die Maßnahme, die als Entlastung für Hausarztpraxen und Patienten gleichermaßen gedacht ist. Dieser Konflikt spiegelt die Herausforderung wider, innovative Lösungen aus Krisenzeiten nachhaltig in das Gesundheitssystem zu integrieren, ohne die Interessen der Arbeitgeber und die Arbeitsfähigkeit der Belegschaft zu gefährden.
In den Krankenhäusern macht die Digitalisierung des Medikationsprozesses Fortschritte. Beim 6. Deutschen Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie in Berlin wurde diskutiert, wie digitale Systeme die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöhen können. Privatdozentin Dr. Claudia Langebrake vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf betonte die Rolle der Digitalisierung im Medikationsmanagement und verwies auf die entscheidende Rolle der Krankenhausapotheker. In einer zunehmend digitalen Umgebung wird die sichere Handhabung und Verabreichung von Medikamenten als zentraler Punkt für die Patientensicherheit erkannt.
Medikamente könnten auch bei der Bekämpfung schwerwiegender Krankheiten neue Anwendung finden, wie die Erkenntnisse um Semaglutid, einen GLP-1-Agonisten, zeigen. Dieser Wirkstoff, der primär zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt wird, könnte nach einer umfassenden Analyse der Gesundheitsdaten von mehr als einer Million Amerikanern das Risiko für die Entwicklung von Alzheimer-Demenz senken. Forschende unter der Leitung von William Wang von der Case Western Reserve University School of Medicine in Cleveland identifizierten unter den analysierten Gesundheitsdaten Hinweise darauf, dass das Alzheimer-Risiko durch Semaglutid möglicherweise verringert werden kann, was neue Hoffnung für Präventionsansätze in der Demenztherapie weckt.
Fernab der typischen Apothekenstrukturen zieht die „Poetry Pharmacy“ in Bishop’s Castle, Shropshire, Aufmerksamkeit auf sich. Hier werden statt Medikamenten Gedichtbände und poetische Texte angeboten, die die Besucher in emotionalen Krisen beruhigen und aufmuntern sollen. Die heilende Kraft der Worte steht im Mittelpunkt dieses Konzepts, das zeigt, dass Apotheken und deren Angebote im weitesten Sinne über rein medizinische Dienste hinauswirken können und sich an menschliche Bedürfnisse auf andere Weise wenden.
Von literarischen Experimenten zurück zur Gesundheitssicherheit in der Landwirtschaft: Die Ausbreitung der Vogelgrippe in US-amerikanischen Milchviehbetrieben lässt internationale Besorgnis steigen. Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums haben sich seit März Fälle in 339 Betrieben über 14 Bundesstaaten verteilt. Professor Dr. Martin Beer vom Friedrich-Loeffler-Institut kritisierte das mangelnde Monitoring und die unzureichenden Kontrollmaßnahmen der US-Behörden. In Colorado etwa, wo umfangreiche Untersuchungen stattfanden, waren von knapp 300 untersuchten Betrieben rund 60 betroffen, was die Dringlichkeit verstärkter Maßnahmen unterstreicht.
Im Bereich der Herzchirurgie zeigen neue Untersuchungen, dass die präoperative Gabe von hochdosierten Statinen keinen Schutz vor postoperativen Komplikationen wie Vorhofflimmern bietet. Ein Cochrane-Review analysierte acht Studien mit 5592 Patienten und kam zu dem Schluss, dass die entzündungshemmende Wirkung von Statinen in diesem Kontext begrenzte Effekte hat. Diese Erkenntnisse dürften Einfluss auf künftige präoperative Behandlungsstrategien nehmen.
Derweil schreitet die Entwicklung sogenannter „smarter“ Kontaktlinsen voran, die über die Sehkorrektur hinausgehende diagnostische und therapeutische Funktionen bieten könnten. Forscher und Unternehmen arbeiten daran, diese Linsen zur Marktreife zu bringen. Professor Dr. Claus Cursiefen von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft hob bei einer Pressekonferenz die Fortschritte in diesem Bereich hervor und verwies auf das Potenzial solcher Linsen in der Diagnostik und personalisierten Therapie.
Ein anderes gesundheitliches Problem, das immer mehr Menschen betrifft, ist Schlaflosigkeit. Die Zahl der an Schlafstörungen leidenden Menschen hat in Deutschland in den letzten zehn Jahren stark zugenommen. Nach Angaben der Barmer Krankenkasse erhielt 2023 rund jeder vierzehnte Versicherte eine Diagnose im Zusammenhang mit Schlafproblemen. Diese Entwicklung verdeutlicht die wachsende Belastung der Gesellschaft durch Schlafstörungen und den damit verbundenen Einfluss auf die Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit.
Auch bei der Alzheimer-Therapie sind Fortschritte und Grenzen deutlich erkennbar. Die neurodegenerative Erkrankung betrifft weltweit Millionen Menschen und stellt für Forschende nach wie vor eine der größten medizinischen Herausforderungen dar. Die kürzlich zugelassenen Antikörpertherapien wie Aducanumab, Lecanemab und Donanemab haben zwar Hoffnung geweckt, doch bestehen Kontroversen über deren Wirksamkeit und Sicherheit. Diese neuen Ansätze werfen die Frage auf, ob ein Paradigmenwechsel in der Alzheimer-Therapie bevorsteht und wie dieser gestaltet werden kann.
Im Kommentar wird deutlich, dass die deutsche Apothekenlandschaft von tiefgreifenden Veränderungen geprägt ist, die nicht nur auf strukturelle, sondern auch auf wirtschaftliche Herausforderungen zurückzuführen sind. Die wachsenden finanziellen Hürden für Neugründungen und die vermehrte Konzentration auf Übernahmen spiegeln die hohen Kosten und Risiken wider, die mit dem Betrieb einer Apotheke verbunden sind. Die Schieflage des Versorgungswerks in Schleswig-Holstein verdeutlicht zudem die Bedeutung vorsichtiger und solider Anlagestrategien, insbesondere in Krisenzeiten. Darüber hinaus zeigt die Diskussion um die telefonische Krankschreibung, wie schwierig es ist, kurzfristige Lösungen dauerhaft in das System zu integrieren. Die Digitalisierung und die Fortschritte im Medikationsmanagement in Krankenhäusern weisen auf einen Trend zur erhöhten Patientensicherheit hin, der in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen dürfte.
Innovationen wie die „Poetry Pharmacy“ und smarte Kontaktlinsen verdeutlichen, dass Apotheken und die Pharmaziebranche auch jenseits der klassischen Medizin neue Wege gehen können. Schließlich sind auch die internationalen Herausforderungen, wie die Ausbreitung der Vogelgrippe in den USA, sowie die laufende Alzheimer-Forschung mit kritischen Fragen behaftet, die sowohl Risiken als auch Chancen bergen. Die steigenden Schlafstörungen und der Einfluss von Herzmedikamenten vor Operationen werfen darüber hinaus Fragen zur Präventionsmedizin auf, die die Gesellschaft langfristig beschäftigen werden.
Von Engin Günder, Fachjournalist