Seit der Legalisierung von Genusscannabis am 1. April 2024 steht die Gesetzesreform im Zentrum kontroverser politischer Diskussionen. Die CSU fordert nun eine Rücknahme der Regelung und hat dies in ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2025 aufgenommen. Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag, bezeichnete die Reform als „Geschenk für die organisierte Kriminalität“ und kündigte an, die Rückabwicklung in möglichen Koalitionsverhandlungen zur Bedingung zu machen.
Das Gesetz erlaubt Erwachsenen, bis zu 50 Gramm Cannabis zu besitzen und maximal drei Pflanzen in privaten Räumen anzubauen. Zusätzlich wurden nicht-kommerzielle „Anbauvereinigungen“ mit bis zu 500 Mitgliedern legalisiert. Diese unterliegen strengen Auflagen, kommen jedoch nur schleppend in Gang. Besonders in Bayern, wo die CSU eine restriktive Linie verfolgt, sind bislang keine solchen Vereinigungen entstanden. Für Minderjährige bleibt Cannabis weiterhin verboten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), einer der Architekten der Reform, argumentiert, dass das Gesetz den bereits steigenden Konsum entkriminalisieren und sicherer machen solle, indem verunreinigte Produkte vom Schwarzmarkt verdrängt werden.
Die Union kritisiert hingegen die Umsetzung der Regelung scharf. Dobrindt bemängelte, dass der versprochene Jugend- und Gesundheitsschutz nicht ausreichend gewährleistet sei und der Schwarzmarkt weiterhin floriert. Zudem warnt die CSU vor einer Zunahme von Bandenkriminalität und Gewalt im Zuge der Legalisierung. Die CDU unterstützt diese Sichtweise und sieht die Rückabwicklung des Gesetzes als eine zentrale Forderung ihrer Wahlkampfstrategie.
Die Grünen und die FDP, die maßgeblich an der Legalisierung beteiligt waren, verteidigen die Reform vehement. In ihren Wahlprogrammen bekennen sich beide Parteien ausdrücklich zur Fortführung der Legalisierung und betonen die Bedeutung von Regulierung und Entkriminalisierung. Die Grünen verweisen auf den Konsumentenschutz und die Entlastung der Strafjustiz, während die FDP die wirtschaftlichen Chancen und die Möglichkeit einer kontrollierten Marktregulierung hervorhebt.
Neben der politischen Polarisierung stellt die schleppende Umsetzung des Gesetzes eine weitere Herausforderung dar. Anbauvereinigungen konnten vielerorts nicht etabliert werden, während der Markt für Medizinalcannabis boomt. Telemedizin-Plattformen, die ärztliche Verschreibungen für Cannabisprodukte anbieten, stehen zunehmend in der Kritik. Juristische Prüfungen und Vorwürfe der Kommerzialisierung medizinischer Verschreibungen sorgen für zusätzliche Unsicherheit.
Die Bundestagswahl 2025 könnte richtungsweisend für die Cannabis-Politik in Deutschland werden. Während die Union eine vollständige Rückabwicklung fordert, setzen FDP und Grüne auf eine Weiterentwicklung der bestehenden Regelung. Die Zukunft der Reform hängt von den politischen Mehrheiten und der Fähigkeit der Parteien ab, Lösungen für die praktischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Legalisierung zu finden.
Kommentar:
Die Cannabis-Legalisierung polarisiert wie kaum ein anderes Thema in der deutschen Politik. Die CSU nutzt die Debatte als strategisches Wahlkampfinstrument, um konservative Wähler zu mobilisieren und sich als Hüter von Sicherheit und Ordnung zu positionieren. Alexander Dobrindts harsche Kritik an der Reform bedient dabei vor allem die Narrative eines angeblichen Kontrollverlusts. Doch die Argumente der Union greifen in ihrer Pauschalisierung zu kurz.
Es ist unbestreitbar, dass die Legalisierung mit Startschwierigkeiten verbunden ist. Die schleppende Einführung von Anbauvereinigungen und die Nutzung von Telemedizin-Plattformen als Schlupfloch für den Zugang zu Cannabis werfen berechtigte Fragen auf. Auch die mangelnde Durchsetzung von Jugendschutzmaßnahmen und die florierenden Schwarzmarktstrukturen zeigen, dass die Reform in der Praxis besser umgesetzt werden muss. Diese Defizite sollten jedoch nicht als Argument für eine vollständige Rückabwicklung dienen.
Internationale Beispiele, etwa aus Kanada und den Niederlanden, zeigen, dass eine regulierte Cannabis-Politik langfristig den Schwarzmarkt zurückdrängen und gesundheitliche Risiken für Konsumenten minimieren kann. Eine funktionierende Legalisierung erfordert jedoch mehr als bloße Gesetzesänderungen: Es bedarf einer stringenten Umsetzung, klarer Aufklärungskampagnen und einer stärkeren Unterstützung durch die Politik.
Die Union hat bislang keine überzeugende Alternative präsentiert. Ein einfaches Verbot wird die Probleme des Schwarzmarkts und des Konsums nicht lösen, sondern die Strafjustiz erneut belasten. Statt ideologischer Grabenkämpfe ist eine pragmatische und lösungsorientierte Weiterentwicklung der Legalisierung nötig. Die Bundesregierung sollte die bestehenden Schwachstellen identifizieren und gezielt beheben, anstatt die gesamte Reform infrage zu stellen.
Die Bundestagswahl 2025 wird nicht nur über die Zukunft der Cannabis-Legalisierung entscheiden, sondern auch darüber, ob sich Deutschland als progressives und lösungsorientiertes Land positioniert. Die politische Verantwortung liegt nun bei allen Parteien, sachliche Debatten zu führen und den Fokus auf den gesellschaftlichen Mehrwert einer regulierten Drogenpolitik zu legen. Eine Rückabwicklung wäre ein Rückschritt, der die komplexen Herausforderungen nicht lösen wird.
Von Engin Günder, Fachjournalist