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Apotheken-News: Strenge Vorgaben für Apotheken bei Mitarbeiterüberwachung

Bundesarbeitsgericht stärkt Privatsphäre und Datenschutz im Krankheitsfall

(PresseBox) (Karlsruhe, )
Arbeitgeber dürfen kranke Mitarbeiter nur unter strengen Bedingungen überwachen lassen – das hat das Bundesarbeitsgericht in einem wegweisenden Urteil entschieden. Eine Observation kommt demnach nur in Frage, wenn schwerwiegende Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen und mildere Maßnahmen zuvor ausgeschöpft wurden. Das Urteil stärkt den Schutz der Arbeitnehmerrechte und setzt klare Grenzen für Eingriffe in die Privatsphäre. Besonders für kleinere Unternehmen und Apotheken, wo Vertrauen zentral ist, bietet das Urteil eine wichtige Orientierung und betont den respektvollen Umgang mit den Rechten der Beschäftigten.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 25. Juli 2024 mit einem Grundsatzurteil (Az. 8 AZR 225/23) die Möglichkeiten von Arbeitgebern, krankgeschriebene Mitarbeiter durch Detekteien überwachen zu lassen, erheblich eingeschränkt. Das Urteil klärt, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber bei Verdacht auf vorgetäuschte Krankheit eine Überwachung veranlassen darf und stärkt damit den Schutz der Arbeitnehmer vor unzulässiger Datenerhebung und Eingriffen in ihre Privatsphäre.

Der Fall, der diesem Urteil zugrunde lag, betrifft einen Außendienstmitarbeiter eines Digitaldruckunternehmens, dessen Arbeitsverhältnis seit mehreren Jahren belastet war. Nachdem eine Änderungskündigung zur Versetzung des Mitarbeiters an einen anderen Standort erfolglos geblieben war, akzeptierte der Beschäftigte schließlich eine neue Position. Kurz darauf meldete er sich jedoch mehrfach krank und trat seine neue Aufgabe zunächst gar nicht an. Der Arbeitgeber vermutete, dass der Mitarbeiter die Krankmeldungen nutzte, um sich unerwünschten Aufgaben zu entziehen. Unterstützt durch Social-Media-Posts, die den Mitarbeiter bei verschiedenen Aktivitäten zeigten, entschloss sich das Unternehmen, eine Detektei zur Überwachung des Mitarbeiters einzuschalten.

Im Beobachtungszeitraum dokumentierten die Detektive unter anderem Arbeiten des Mitarbeiters auf seiner Terrasse. Sie verzeichneten dabei körperliche Tätigkeiten wie Sägen und Schneiden, die Zweifel an der angegebenen Arbeitsunfähigkeit aufkommen ließen. In den Ermittlungen wurde auch das Geh- und Bewegungsverhalten des Mitarbeiters beobachtet, was aus Sicht des Arbeitgebers im Widerspruch zu der gemeldeten Beinverletzung stand. Nachdem die Ergebnisse der Überwachung dem Mitarbeiter vorgelegt worden waren, reichte dieser Klage gegen das Unternehmen ein und forderte Schadensersatz wegen der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte sowie der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Das Bundesarbeitsgericht entschied zugunsten des Klägers und bestätigte eine Entschädigung in Höhe von 1.500 Euro. Es stellte klar, dass die Überwachung des Mitarbeiters unzulässig war, da sie einen erheblichen Eingriff in dessen Privatsphäre darstellte und gegen die DSGVO verstieß. Sichtbare Gesundheitsdaten wie das Gehbild des Mitarbeiters fallen unter die besonderen Schutzvorschriften von Art. 9 DSGVO, die strenge Vorgaben für deren Erhebung und Verarbeitung setzen. Der Arbeitgeber hätte zunächst mildere Mittel zur Aufklärung des Verdachts anwenden müssen, beispielsweise eine Anhörung des Mitarbeiters oder die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse. Nur in Fällen, in denen die Beweiskraft einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch schwerwiegende Indizien erschüttert wird, sei eine Observation unter Beachtung aller rechtlichen Voraussetzungen denkbar.

Das BAG bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz und betonte die besondere Bedeutung des Datenschutzes und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Arbeitswelt. Für Arbeitgeber bedeutet das Urteil eine klare Verpflichtung, die Verhältnismäßigkeit von Überwachungsmaßnahmen stets kritisch zu prüfen und das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten zu achten. Vor allem in Branchen mit kleinen Teams, wie Apotheken, wo Vertrauen und ein gutes Betriebsklima essenziell sind, hat dieses Urteil eine wegweisende Signalwirkung. Eine rechtswidrige Überwachung kann nicht nur finanzielle Folgen durch Schadensersatzforderungen haben, sondern auch die Beziehung zum Mitarbeiter und das Arbeitsklima dauerhaft beschädigen.

Kommentar:

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts setzt einen entscheidenden Maßstab für den Schutz der Arbeitnehmerrechte und die Grenzen des Überwachungsrechts am Arbeitsplatz. In Zeiten zunehmender Digitalisierung und des wachsenden Einsatzes von Überwachungsmitteln erinnert das Gericht daran, dass auch ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers niemals die Privatsphäre der Beschäftigten kompromittieren darf. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und das informationelle Selbstbestimmungsrecht sind Grundpfeiler einer modernen Arbeitswelt und dürfen nicht leichtfertig verletzt werden.

Arbeitgeber stehen bei Verdacht auf Krankheitsvortäuschung vor einer schwierigen Abwägung: Einerseits sind wirtschaftliche Interessen und der Schutz vor Missbrauch von Krankheitstagen nachvollziehbar, andererseits setzt der Gesetzgeber hohe Hürden für Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht. Dieses Urteil verdeutlicht, dass selbst in Fällen starker Verdachtsmomente zunächst mildere Maßnahmen erforderlich sind. Eine Anhörung des Mitarbeiters, bei gesetzlich versicherten Arbeitnehmern die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, und alternative Ansätze müssen stets Vorrang haben. Heimliche Überwachung kann nur das letzte Mittel sein und erfordert eine sorgfältige Abwägung der Verhältnismäßigkeit.

Für Apothekenbetreiber und kleinere Unternehmen, in denen enge Teams auf Vertrauen angewiesen sind, ist das Urteil besonders relevant. Eine unrechtmäßige Überwachung, die ohne nachvollziehbare Grundlage erfolgt, kann das Betriebsklima dauerhaft beschädigen und erhebliche rechtliche Konsequenzen haben. Apotheken, die eine familiäre Atmosphäre und ein hohes Maß an Vertrauen pflegen, könnten durch eine ungerechtfertigte Überwachung nicht nur das Vertrauen ihrer Mitarbeiter verlieren, sondern auch langfristig den Ruf als verantwortungsbewusster Arbeitgeber einbüßen.

Das BAG-Urteil fordert Arbeitgeber auf, Konflikte mit Bedacht und unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerrechte zu lösen. Ein respektvoller Umgang mit den Mitarbeitenden, der auf Kommunikation und fairen Verfahren basiert, stärkt nicht nur das Betriebsklima, sondern schützt Unternehmen vor rechtlichen Risiken. Arbeitgeber sollten daher proaktiv auf Lösungen setzen, die Transparenz und Offenheit fördern und damit das Vertrauen zwischen den Beteiligten bewahren.

Von Engin Günder, Fachjournalist

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