In einer norddeutschen Gemeinde steht eine etablierte Apotheke vor der Schließung, nachdem der Mietvertrag durch den Eigentümer der Immobilie gekündigt wurde. Die Betreiberin der Apotheke sieht darin eine unrechtmäßige Vertragsbeendigung und beruft sich auf eine zuvor schriftlich bestätigte Verlängerung des Mietverhältnisses bis ins Jahr 2029. Der Fall wird nun vor Gericht verhandelt – eine Räumungsklage wurde eingereicht.
Nach Angaben der Apothekeninhaberin wurde ihr bereits vor rund zwei Jahren eine Verlängerung des bestehenden Mietvertrags schriftlich zugesichert. Dennoch wurde ihr mitgeteilt, dass sie das Mietobjekt zum 30. Juni 2023 zu verlassen habe. Seitdem setzt sich die Apotheke rechtlich zur Wehr und lehnt einen Auszug ab. Die Situation hat sich inzwischen soweit zugespitzt, dass ein gerichtliches Verfahren über die Räumung eingeleitet wurde.
Eine Stellungnahme des Vermieters zu den Hintergründen der Kündigung liegt bislang nicht vor. Beobachter vermuten, dass wirtschaftliche oder strukturelle Überlegungen eine Rolle spielen könnten. Der betroffene Standort gehört zu einem Einzelhandelskomplex, in dem mehrere Geschäfte angesiedelt sind. Welche Pläne für die Fläche vorgesehen sind, bleibt unklar.
Die Apotheke war über Jahrzehnte ein fester Bestandteil der lokalen Gesundheitsversorgung und wird insbesondere von älteren und mobilitätseingeschränkten Personen frequentiert. Sollte sie schließen müssen, würde dies die Wege zu alternativen Apothekenstandorten deutlich verlängern. Die nächste Einrichtung dieser Art ist mehrere Kilometer entfernt.
Der Fall wirft rechtliche und strukturelle Fragen auf. Besonders in ländlichen Regionen sind Apotheken häufig auf langfristige Mietverhältnisse angewiesen, um Planungssicherheit zu haben. Gleichzeitig befinden sich viele Mietobjekte in Besitz großer Handelsunternehmen oder Immobiliengesellschaften, was bei Konflikten zu ungleichen Ausgangsbedingungen führen kann. Die Entscheidung des Gerichts könnte daher über den Einzelfall hinaus Bedeutung für ähnliche Konstellationen haben.
Kommentar:
Die aktuelle Auseinandersetzung um den Fortbestand einer Apotheke in Norddeutschland macht deutlich, wie fragil die Basis für eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung mittlerweile sein kann. Abseits politischer Diskussionen über Apothekenhonorare, Lieferengpässe oder digitale Umbrüche zeigt sich hier ein bislang weniger beachteter Risikofaktor: das Mietverhältnis.
Wenn selbst schriftliche Zusicherungen über eine Vertragsverlängerung nicht vor einer Räumungsklage schützen, entsteht ein Zustand rechtlicher Unsicherheit, der die Planung und den Betrieb solcher Einrichtungen erheblich belastet. Dies gilt insbesondere, wenn Vermieter größere wirtschaftliche Interessen verfolgen oder Standortstrategien ändern – Apotheken stehen solchen Entscheidungen oftmals machtlos gegenüber.
Zugleich verdeutlicht der Fall, dass wohnortnahe Apotheken nicht nur privatwirtschaftliche Betriebe sind, sondern Teil der kritischen Infrastruktur. Ihr Wegfall betrifft nicht nur die betriebswirtschaftliche Seite, sondern auch die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung. Besonders im ländlichen Raum, wo Alternativen selten sind, können solche Entwicklungen Versorgungslücken hinterlassen.
Die anstehende gerichtliche Klärung wird nicht nur über die Zukunft der betroffenen Apotheke entscheiden, sondern auch über die Frage, wie belastbar rechtliche Zusicherungen in Mietverhältnissen tatsächlich sind – insbesondere dann, wenn ein erhebliches Machtgefälle zwischen den Vertragspartnern besteht. Eine breitere gesellschaftliche und politische Diskussion darüber, wie Apotheken besser vor solchen Entwicklungen geschützt werden können, erscheint vor diesem Hintergrund notwendig.
Von Engin Günder, Fachjournalist