Am 15. Januar 2025 tritt die verpflichtende elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten in Kraft. Diese grundlegende Reform, initiiert durch das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen, markiert einen Wendepunkt für das deutsche Gesundheitssystem. Fortan werden medizinische Daten zentral gespeichert, es sei denn, Versicherte widersprechen ausdrücklich. Für Apotheken bedeutet diese Neuerung nicht nur die Integration in eine zunehmend digitale Versorgungslandschaft, sondern auch die Chance, eine aktivere Rolle in der interdisziplinären Patientenbetreuung zu übernehmen. Neben organisatorischen Herausforderungen, wie der sicheren Anbindung an das Telematiknetz, eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Unterstützung chronisch Kranker, etwa durch den Zugriff auf Medikationspläne.
Auch die überarbeitete Nationale Versorgungsleitlinie zur koronaren Herzerkrankung (KHK) unterstreicht die Bedeutung interdisziplinärer Zusammenarbeit. Der Fokus liegt auf einer stärkeren Einbindung von Patienten in den Therapieprozess. Apotheker könnten hier eine Schlüsselrolle spielen, um die Adhärenz zu fördern und Patienten durch gezielte Beratung und Medikationsmanagement zu unterstützen. Die Leitlinie fordert explizit eine partnerschaftliche Entscheidungsfindung zwischen Arzt und Patient, was die Rolle der Apotheker als Schnittstelle zwischen Therapieplanung und praktischer Umsetzung weiter stärken dürfte.
Parallel zu diesen Entwicklungen sorgen Änderungen im Sozialrecht für Aufsehen. Berufstätige Eltern können künftig unabhängig von ihrer Arbeitszeitgestaltung gleich viele Kinderkrankentage in Anspruch nehmen. Diese Regelung bringt endlich Klarheit und Gleichstellung zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten. Alleinerziehende profitieren von einer zusätzlichen Absicherung, was vor allem in Krisenzeiten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert.
Während die Politik versucht, soziale Gerechtigkeit voranzutreiben, bleiben Gefahren wie der Missbrauch von Nikotinbeuteln ein wachsendes Problem. Diese Produkte, die durch ihre unauffällige Anwendung insbesondere Jugendliche ansprechen, stellen eine erhebliche gesundheitliche Bedrohung dar. Trotz bestehender Verbote findet der Vertrieb dieser Produkte zunehmend über inoffizielle Kanäle statt, was Eltern und Schulen gleichermaßen herausfordert. Experten fordern strengere Kontrollen und verstärkte Aufklärungskampagnen, um die Verbreitung einzudämmen.
Eine andere Debatte entfachte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Verfassungsbeschwerde einer schwangeren Frau gegen ihre Krankenkasse abzuweisen. Die Frau hatte die Kostenübernahme für das Präparat Cytotect CP gefordert, das während der Schwangerschaft zur Prävention von Infektionen eingesetzt wird. Das Gericht sah jedoch keine rechtliche Grundlage für eine Verpflichtung der Krankenkasse. Dieser Fall verdeutlicht die Grenzen individueller Gesundheitsansprüche im Rahmen eines solidarischen Gesundheitssystems und ruft zur Diskussion über die Balance zwischen medizinischer Notwendigkeit und Kosteneffizienz auf.
Derweil blickt das Gesundheitssystem auf einen weiteren politischen Meilenstein: Die umstrittene Krankenhausreform steht vor ihrer entscheidenden Abstimmung im Bundesrat. Angesichts der kontroversen Positionen der Bundesländer ist unklar, ob das Gesetz unverändert verabschiedet wird oder im Vermittlungsausschuss landet. Diese Reform könnte die Krankenhauslandschaft grundlegend umgestalten und kleinere Einrichtungen weiter unter Druck setzen.
Eine Entspannung gibt es hingegen bei den Lieferengpässen von Atomoxetin. Nach monatelangen Schwierigkeiten ist das Medikament Agakalin wieder verfügbar, was für ADHS-Patienten und Ärzte eine erhebliche Erleichterung bedeutet. Strengere Produktionsstandards und neue regulatorische Vorgaben hatten die Herstellung verzögert. Die überarbeitete Formulierung erfüllt nun die gestiegenen Anforderungen, womit sich eine ähnliche Versorgungskrise in Zukunft hoffentlich vermeiden lässt.
Trotz solcher Lichtblicke bleiben Lieferengpässe bei Medikamenten ein drängendes Problem. Systemische Abhängigkeiten von wenigen Produktionsstätten gefährden die Versorgung, da wirtschaftliche Interessen oft Vorrang vor Versorgungssicherheit haben. Apotheken sind gezwungen, kreative Lösungen zu finden, um Patienten trotz Engpässen zu versorgen, was ihre wirtschaftlichen und logistischen Ressourcen strapaziert.
Ein Beispiel für die finanziellen Risiken, die Apothekenbetreiber tragen, zeigte sich jüngst in einem Vertragsstreit nach der Schließung einer Apotheke. Ein Softwareanbieter forderte die Zahlung ausstehender Lizenzgebühren, obwohl die Apotheke nicht mehr operativ tätig war. Die Auseinandersetzung verdeutlicht die Bedeutung rechtlicher Absicherung und sorgfältiger Vertragsgestaltung, um existenzbedrohende Belastungen zu vermeiden.
Kommentar:
Die deutsche Gesundheitslandschaft befindet sich in einem Umbruch, der Chancen und Herausforderungen in gleichem Maße bringt. Die verpflichtende Einführung der ePA ist ein Meilenstein, doch ihre Umsetzung wird nur erfolgreich sein, wenn technische und datenschutzrechtliche Hürden entschlossen angegangen werden. Für Apotheken bedeutet die Digitalisierung eine große Chance, sich als unverzichtbare Partner im Versorgungssystem zu positionieren. Doch die notwendigen Investitionen in IT-Infrastruktur und Fortbildung werden nicht ohne staatliche Unterstützung zu stemmen sein.
Die anhaltenden Lieferengpässe bei Medikamenten offenbaren eine tiefe Systemkrise, die dringend adressiert werden muss. Politische Entscheidungsträger sollten sich nicht länger mit Symptombehandlung zufriedengeben, sondern die Abhängigkeit von globalen Lieferketten reduzieren und die Produktion lebenswichtiger Medikamente in Europa stärken.
Besonders alarmierend ist der zunehmende Missbrauch von Nikotinprodukten durch Jugendliche. Hier zeigt sich, dass bestehende Regelungen oft an der Realität vorbeigehen. Eine konsequentere Marktüberwachung und eine breitere Sensibilisierung sind dringend erforderlich. Gleichzeitig dürfen individuelle Gesundheitsansprüche, wie im Fall Cytotect, nicht zu einer Kostenexplosion führen. Doch die Abwägung zwischen Patientenbedürfnissen und den finanziellen Grenzen des Systems bleibt eine der zentralen Herausforderungen.
Die Reformen in Krankenhäusern und Apotheken zeigen, dass der deutsche Gesundheitssektor vor tiefgreifenden Veränderungen steht. Nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Akteure – von Politik über Ärzte und Apotheker bis hin zu Patienten – kann dieser Wandel gelingen. Eine passive Haltung wird nicht reichen; es braucht Mut und Vision, um die Gesundheitsversorgung zukunftsfähig zu machen.
Von Engin Günder, Fachjournalist