Die Reform des Apothekengesetzes, insbesondere der Paragraph 11, der das sogenannte Zuweisungsverbot regelt, sorgt unter den Apotheken für wachsende Unsicherheit. Auf dem diesjährigen Deutschen Apothekertag stand dieses Thema im Mittelpunkt vieler Debatten. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) brachte einen Antrag ein, der fordert, das Gesetz klarer zu formulieren, um Apotheken mehr Rechtssicherheit in ihrer Zusammenarbeit mit Ärzten zu verschaffen. Der aktuelle Gesetzestext schränkt die Möglichkeit der Kooperation zwischen Apotheken und Ärzten deutlich ein, insbesondere was die Weitervermittlung von Patienten betrifft. In der Praxis führt dies zu einer Grauzone: Apotheken sind oft unsicher, ob sie sich bei der Weiterleitung von Patientenwünschen oder -informationen in strafrechtlich relevanten Bereichen bewegen. Dabei betont der AVWL, dass ein klarer Wille des Patienten und ein berechtigtes Interesse der Apotheke an einer Kooperation vorliegen können, insbesondere in Fällen, in denen die enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheke zur optimalen Versorgung des Patienten beiträgt. Die gegenwärtige Rechtslage erschwert jedoch diese Kooperationen und verursacht Unsicherheit, da viele Apotheken nicht genau wissen, ob sie durch ihre Handlungen das Zuweisungsverbot brechen. Der AVWL plädiert daher für eine Entschärfung der Verbotstatbestände im Gesetz, um den Apotheken mehr Handlungsspielraum zu gewähren.
Gleichzeitig stehen Apotheken auch vor einer massiven Herausforderung im Bereich der Personalgewinnung. Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert, wie auf der Expopharm in München im Rahmen des sogenannten Inspiration-Lab betont wurde. Früher waren es die Arbeitnehmer, die aktiv nach Stellen gesucht haben, heute sind es die Arbeitgeber, die um qualifizierte Fachkräfte werben müssen. Florian Giermann, der einen der Vorträge moderierte, hob hervor, dass insbesondere im Apothekenbereich der Wettbewerb um Fachkräfte extrem hart geworden ist. Im Durchschnitt bleiben offene Stellen in Apotheken bis zu 140 Tage unbesetzt. Dies stellt nicht nur eine Belastung für die verbleibenden Mitarbeiter dar, sondern gefährdet auch die Qualität der pharmazeutischen Versorgung. Die Apotheken müssen daher innovative Strategien entwickeln, um als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen zu werden und qualifiziertes Personal anzuziehen. Auf der Expopharm wurden hierzu verschiedene Ansätze präsentiert, darunter gezieltes Employer Branding und die Förderung von Weiterbildungsprogrammen für das bestehende Personal.
Ein weiteres drängendes Problem, das die Apothekenlandschaft derzeit beschäftigt, sind die wiederkehrenden Ausfälle der Telematikinfrastruktur (TI). Digitale Technologien haben in den letzten Jahren in Apotheken stark an Bedeutung gewonnen. Sie sollen Arbeitsprozesse effizienter gestalten, die Fehlerquote reduzieren und die Kommunikation zwischen Apotheken und anderen Akteuren im Gesundheitswesen verbessern. Doch immer wieder kommt es zu Störungen in der Telematikinfrastruktur, die den Arbeitsalltag empfindlich stören. Besonders kritisch äußerte sich Dr. Bertram Brockschnieder, Inhaber der Fontane-Apotheke in Bielefeld, über die wiederholten Ausfälle. Er betont, dass die digitalen Systeme zwar eine immense Hilfe im Arbeitsalltag seien, doch ihre Unzuverlässigkeit gefährde zunehmend die pharmazeutische Versorgung. Vor allem in Notfallsituationen, in denen schnelle digitale Kommunikation erforderlich ist, könnten solche Ausfälle verheerende Folgen haben. Dr. Brockschnieder fordert daher dringende Maßnahmen und klare Antworten seitens der Apothekerkammer, um diese Schwachstellen zu beheben.
Neben technischen Herausforderungen und Personalmangel kämpfen Apotheken derzeit auch mit neuen Abrechnungsregeln, die die finanzielle Lage vieler Betriebe belasten. Mit der Kündigung der Hilfstaxe für die Rezepturabrechnung zum Jahresbeginn wurden die Spielregeln für Apotheken grundlegend verändert. Statt der Hilfstaxe müssen Apotheken nun den Einkaufspreis der gesamten Packungsgröße als Berechnungsgrundlage für Rezepturen verwenden. Dies hat in vielen Fällen zu enormen Preissteigerungen geführt. Teilweise haben sich die Kosten für Rezepturen verdreifacht. Doch die Krankenkassen akzeptieren diese neuen Abrechnungsmodalitäten nicht ohne Weiteres und es kommt immer häufiger zu Retaxationen, bei denen die Kassen nur eine anteilige Abrechnung der tatsächlich verwendeten Mengen verlangen. Diese Konflikte belasten die Apotheken finanziell und führen zu Unsicherheiten in der Rezepturabrechnung.
Auch die Verknappung von Medikamenten beschäftigt die Apothekenbranche. In den letzten Wochen häuften sich Berichte über Lieferengpässe bei verschiedenen Arzneimitteln, darunter auch lebenswichtige Präparate wie steriler Kochsalzlösung, die in zahlreichen medizinischen Anwendungen unersetzlich ist. Professorin Dr. Ulrike Holzgrabe, emeritierte Seniorprofessorin für pharmazeutische und medizinische Chemie, warnt jedoch vor einer Überdramatisierung. Nicht jeder Lieferengpass bedeute automatisch eine Versorgungslücke. In vielen Fällen könnten andere Präparate als Ersatz verwendet werden. Besonders kritisch seien Engpässe jedoch bei Antibiotika und anderen Medikamenten, für die es keine gleichwertigen Alternativen gebe, wie etwa Salbutamol zur Asthmabehandlung oder Atomoxetin gegen ADHS. Hier bestehe tatsächlich die Gefahr, dass Patienten nicht ausreichend versorgt werden könnten.
Der Sozialverband VdK fordert in Anbetracht dieser Herausforderungen eine weitreichendere Reform der Apothekenlandschaft. Die derzeit von der Bundesregierung geplante Apothekenreform wird vom VdK zwar als erster Schritt begrüßt, doch es müssten deutlich weitergehende Maßnahmen ergriffen werden, um die Apotheken nachhaltig zu stärken. Insbesondere für die älteren Mitglieder des Verbandes seien Apotheken eine unverzichtbare Säule des Gesundheitssystems, wie VdK-Präsidentin Verena Bentele betonte.
Besonders deutlich wird die Abhängigkeit des deutschen Gesundheitssystems von globalen Lieferketten am Beispiel der Knappheit von Kochsalzlösungen. Diese einfache, aber essenzielle Lösung ist in Apotheken und Krankenhäusern kaum noch verfügbar, was eine hitzige Debatte über die Versorgungssicherheit in Deutschland und die Abhängigkeit von Auslandslieferungen entfacht hat. Der Wegfall von inländischen Produktionskapazitäten zugunsten billigerer Importe zeigt nun seine Schattenseiten und verdeutlicht die Notwendigkeit, die Resilienz des Gesundheitssystems zu stärken.
Ein weiterer beunruhigender Fall ereignete sich in Hessen, wo ein 36-jähriger Mann sich der Fälschung zahlreicher Rezepte schuldig bekannt hat. Durch die gefälschten Verordnungen erschlich er sich verschreibungspflichtige Medikamente, bevor er schließlich von der Polizei gefasst wurde. Dieser Fall verdeutlicht die Sicherheitslücken im Rezeptwesen und wirft die Frage auf, wie solche Betrugsfälle in Zukunft besser verhindert werden können.
Auch die Diskussion um die Neugestaltung der PTA-Ausbildung wurde auf dem Deutschen Apothekertag aufgegriffen. Ein Vorschlag des Berliner Apotheker-Vereins sieht die Einführung einer dualen Ausbildung für Pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) vor, um den Beruf attraktiver zu machen und den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Durch eine Vergütung während der Ausbildung und praxisnahe Lerninhalte in Apotheken soll die Attraktivität des Berufs gesteigert werden.
Die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel hat in Deutschland seit April 2024 zu weitreichenden Veränderungen geführt. Während der private Konsum nun erlaubt ist, bleibt die medizinische Nutzung weiterhin ein heikles Thema. Besonders problematisch ist der zunehmende Trend zur Telemedizin, bei der mittlerweile etwa 80 Prozent der Cannabisverordnungen ausgestellt werden. Die einfache Ausstellung von Privatrezepten im Internet hat neue Herausforderungen geschaffen, insbesondere hinsichtlich der Überwachung und Qualitätssicherung der medizinischen Versorgung.
Zuletzt gerät auch das Kounis-Syndrom, eine seltene und potenziell tödliche allergische Reaktion des Herzens, verstärkt in den Fokus der Arzneimittelsicherheit. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat beschlossen, dass Medikamente, die die Kombination aus Ibuprofen und Pseudoephedrin enthalten, zukünftig auf diese Gefahr hinweisen müssen. Diese Entscheidung wurde auch in Deutschland vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) umgesetzt, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten.
Im Bereich der Gesundheitsvorsorge zeigt sich, dass Krafttraining und eine ausgewogene Ernährung entscheidend sind, um dem altersbedingten Muskelschwund, auch bekannt als Sarkopenie, entgegenzuwirken. Dieser Prozess beginnt bereits ab dem fünften Lebensjahrzehnt und kann zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führen, wenn er nicht durch gezielte Maßnahmen verlangsamt wird.
Kommentar:
Die Apothekenlandschaft in Deutschland steht vor enormen Herausforderungen, die von rechtlichen Unsicherheiten bis hin zu personellen Engpässen und technischen Störungen reichen. Die Reform des Apothekengesetzes, insbesondere das Zuweisungsverbot, führt bei vielen Apotheken zu großer Verunsicherung. Es zeigt sich, dass die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen nicht den modernen Anforderungen der Apothekenpraxis entsprechen. Die Apotheker benötigen klare und eindeutige Regelungen, um ihrer Aufgabe als wesentlicher Bestandteil des Gesundheitssystems nachkommen zu können. Kooperationen zwischen Apotheken und Ärzten sind notwendig, um eine optimale Patientenversorgung zu gewährleisten. Eine unklare Gesetzeslage behindert jedoch diese Zusammenarbeit und führt zu unnötigen Hürden.
Zudem wird der Fachkräftemangel zu einer existenziellen Bedrohung für viele Apotheken. Die Personalgewinnung gestaltet sich in einem zunehmend angespannten Arbeitsmarkt als äußerst schwierig. Apotheken müssen innovative Wege finden, um als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Dies erfordert nicht nur eine Anpassung an die modernen Anforderungen des Arbeitsmarktes, sondern auch die Einführung neuer Ausbildungskonzepte, wie die duale PTA-Ausbildung zeigt. Der Wettbewerb um Fachkräfte erfordert zudem eine langfristige Personalentwicklungsstrategie, die auch auf die Bedürfnisse der nächsten Generation von Arbeitnehmern eingeht.
Die technischen Ausfälle in der Telematikinfrastruktur verdeutlichen, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens zwar viele Vorteile bietet, jedoch auch anfällig für Störungen ist. Diese Störungen gefährden die Versorgungssicherheit und können in Notfällen schwerwiegende Konsequenzen haben. Es bedarf daher dringend einer Stabilisierung der digitalen Infrastruktur, um den Apotheken einen reibungslosen Arbeitsablauf zu ermöglichen.
Neben diesen internen Herausforderungen sind Apotheken zunehmend von externen Faktoren wie Lieferengpässen und globalen Lieferketten abhängig. Die Knappheit von Kochsalzlösungen ist nur ein Beispiel dafür, wie verwundbar das Gesundheitssystem ist, wenn essenzielle Produkte nicht mehr verfügbar sind. Hier zeigt sich die dringende Notwendigkeit, inländische Produktionskapazitäten wieder aufzubauen und die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Apotheken in Deutschland dringend umfassende Reformen und Unterstützung benötigen, um ihre zentrale Rolle im Gesundheitssystem auch in Zukunft ausfüllen zu können. Die Politik ist gefordert, die rechtlichen, personellen und technischen Rahmenbedingungen so anzupassen, dass die Apotheken nicht nur überleben, sondern auch gestärkt aus den aktuellen Herausforderungen hervorgehen können.
Von Engin Günder, Fachjournalist