Gesundheitsminister Karl Lauterbach steht erneut im Fokus der Apothekenbranche. Seine geplante Apothekenreform stößt auf breiten Widerstand – sowohl bei Apothekern als auch bei rechtlichen Experten. Ein prominenter Apothekenrechtler warnt vor den gravierenden Folgen dieser Reform. Sollte sie in der derzeitigen Form umgesetzt werden, könnten Apotheken signifikante Einbußen hinnehmen müssen, und ihre Rolle im Gesundheitssystem könnte sich grundlegend ändern. Die zentrale Kritik: Lauterbach plant, das Dispensierrecht auszuweiten und es Notfallpraxen zu gewähren. Dies würde die Monopolstellung der Apotheken in der Medikamentenabgabe stark schwächen.
Im Rahmen des Deutschen Apothekertags wird erwartet, dass Lauterbach sich per Videostream an die Teilnehmer wendet. Spannend wird dabei sein, ob und wie er auf die Kritik eingeht. Sein Grußwort könnte erste Hinweise darauf geben, ob er bereit ist, die Bedenken der Apothekerschaft zu berücksichtigen oder ob er an seiner Reform festhält. Daneben wird er die Apotheken voraussichtlich dazu aufrufen, sich aktiv in die Umsetzung der elektronischen Patientenakte (ePA) einzubringen, die ab 2025 flächendeckend in Deutschland eingeführt werden soll. Offen bleibt allerdings, ob die Apotheken für diese zusätzliche Leistung ein Honorar erhalten werden. In der Vergangenheit war die Vergütung bei neuen Aufgabenfeldern für Apotheken oft ein Streitthema.
Parallel dazu kämpfen viele Apotheken derzeit an einer anderen Front: der Abrechnung von Rezepturen mit den Krankenkassen. Retaxationen, also die nachträgliche Rückforderung von bereits gezahlten Beträgen, sind an der Tagesordnung. Für Apotheken, die oft mit knappen Margen arbeiten, sind diese Rückforderungen ein großes Problem. Sie bedeuten nicht nur zusätzliche Bürokratie, sondern gefährden auch die finanzielle Stabilität kleinerer Betriebe. Die Krankenkassen argumentieren oft mit formalen Fehlern, während die Apothekenbranche dies als überzogen kritisiert.
Eine weitere bedeutende Entwicklung, die auf dem Apothekertag diskutiert wird, ist die Zukunft des Apothekenparlaments. Es wird erwartet, dass das Gremium in seiner bisherigen Form zum letzten Mal tagt. Künftig soll der Apothekertag zu einem Debattierclub ohne formelle Entscheidungskompetenz herabgestuft werden. Kritiker befürchten, dass dies die Mitbestimmungsrechte der Apotheken weiter schwächt und die Bereitschaft des Nachwuchses, sich berufspolitisch zu engagieren, deutlich verringern könnte.
Kommentar:
Die Apotheken stehen in stürmischen Zeiten. Die von Lauterbach geplante Reform trifft auf heftige Ablehnung, und das aus gutem Grund. Mit der Ausweitung des Dispensierrechts auf Notfallpraxen würde ein jahrzehntelanges Monopol der Apotheken angegriffen, ohne dass es klare Vorteile für die Patienten gibt. Ganz im Gegenteil: Die Gefahr, dass Medikamente nicht mehr ausschließlich durch die spezialisierten Fachkräfte der Apotheken ausgegeben werden, könnte die Versorgungsqualität senken.
Lauterbachs Reform scheint den Blick für die Realitäten des Apothekenalltags zu verlieren. Apotheken sind mehr als bloße Ausgabestellen für Medikamente. Sie sind essenzielle Beratungszentren im Gesundheitssystem und übernehmen immer mehr Aufgaben – von der Durchführung von Impfungen bis hin zur Unterstützung bei der elektronischen Patientenakte. Doch diese zusätzlichen Aufgaben werden oft nur unzureichend honoriert. Die ePA, die ab 2025 verpflichtend wird, könnte ein weiteres Beispiel dafür sein. Ohne eine klare Vergütung für den Mehraufwand wird es für viele Apotheken schwierig, diese Herausforderung zu meistern.
Auch die Retaxationen sind ein Dauerthema, das die Apotheken zermürbt. Die ständigen Rückforderungen der Krankenkassen, oft wegen kleinster formaler Fehler, gefährden die Existenz vieler Betriebe. Hier muss dringend eine Lösung gefunden werden, die den bürokratischen Aufwand reduziert und die Apotheken entlastet.
Doch das vielleicht gravierendste Problem ist der schwindende politische Einfluss der Apotheken. Wenn das Apothekenparlament tatsächlich zu einer reinen Diskussionsplattform herabgestuft wird, wird der ohnehin schon geringe Einfluss der Branche weiter geschwächt. In einer Zeit, in der Apotheken um ihre Existenz kämpfen, brauchen sie mehr Mitsprache und nicht weniger. Der Nachwuchs wird durch diese Entwicklung kaum motiviert, sich berufspolitisch zu engagieren – im Gegenteil: Viele junge Apotheker werden sich fragen, ob es sich lohnt, in einer Branche zu arbeiten, deren Stimme immer leiser wird.
Lauterbachs Reform ist ein Weckruf. Es ist an der Zeit, dass Apotheken ihre Rolle im Gesundheitssystem verteidigen – bevor es zu spät ist.
Von Engin Günder, Fachjournalist