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Armut in Deutschland gefährdet Gesundheit und Lebenserwartung

Soziale Ungleichheit erhöht Krankheitsrisiken und belastet Millionen Menschen

(PresseBox) (Karlsruhe, )
Armut gefährdet die Gesundheit und verkürzt die Lebenserwartung – selbst in einem wohlhabenden Land wie Deutschland. Die finanzielle Lage entscheidet über das Risiko chronischer Krankheiten, den Zugang zu Präventionsangeboten und die psychische Belastung. Besonders betroffen sind Kinder und sozial benachteiligte Gruppen, deren Gesundheitschancen oft schon früh eingeschränkt werden. Warum soziale Ungleichheit krank macht und welche Lösungen notwendig sind, zeigt ein umfassender Blick auf die alarmierenden Zahlen und Hintergründe.

Armut ist in Deutschland nicht nur ein soziales, sondern auch ein gesundheitliches Risiko. Trotz eines hochentwickelten Sozialsystems, gesetzlicher Krankenversicherungspflicht und eines der leistungsfähigsten Gesundheitssysteme weltweit wirkt sich die finanzielle Situation massiv auf die Gesundheit und die Lebenserwartung der Menschen aus. Studien zeigen, dass das Einkommen eine ebenso starke, wenn nicht stärkere Rolle für die Lebenserwartung spielt als klassische Risikofaktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck oder Alkoholmissbrauch. Geringverdiener sterben in Deutschland im Durchschnitt 8,6 Jahre früher als Männer und 4,4 Jahre früher als Frauen aus höheren Einkommensschichten.

Besonders betroffen sind Alleinerziehende, kinderreiche Familien sowie Menschen mit Migrationshintergrund und niedrigem Bildungsniveau. Fast ein Viertel der Bevölkerung – 17,7 Millionen Menschen – war 2023 von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Die Armutsgefährdung trifft nicht nur Arbeitslose, sondern auch Erwerbstätige und Rentner. Selbst unter Kindern und Jugendlichen sind die gesundheitlichen Folgen der Armut deutlich sichtbar: Entwicklungsstörungen, ungesunde Ernährung und mangelnde sportliche Aktivität prägen ihre Lebensrealität.

Soziale Ungleichheit zeigt sich quer durch das gesamte Krankheitsspektrum. Menschen mit niedrigem Einkommen sind wesentlich häufiger von chronischen Krankheiten betroffen. Das Risiko für Typ-2-Diabetes, koronare Herzerkrankungen oder Schlaganfälle ist bei sozial Benachteiligten teils um das Dreifache erhöht. Auch Krebsarten wie Lungen- oder Magenkrebs treten in ärmeren Bevölkerungsschichten deutlich häufiger auf. Darüber hinaus nehmen einkommensschwache Gruppen Präventionsangebote wie Krebsfrüherkennungen oder Check-ups seltener wahr und verzichten oft auf ärztlich verschriebene Medikamente, weil sie sich diese nicht leisten können.

Ein weiterer Faktor ist die psychische Belastung. Enge Wohnverhältnisse, finanzielle Sorgen und eine unsichere berufliche Lage führen zu chronischem Stress, der wiederum die Wahrscheinlichkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen erhöht. Hinzu kommt eine stärkere soziale Isolation, die wichtige Resilienzfaktoren wie familiäre Unterstützung erschwert.

Die strukturellen Gesundheitsdeterminanten, darunter Arbeits- und Wohnverhältnisse, verschärfen die Lage. Menschen mit niedrigem Einkommen leben häufiger in gesundheitsschädlichen Umfeldern und sind einer höheren Feinstaub- und Lärmbelastung ausgesetzt. Zudem sind sie in Berufen mit hoher körperlicher Belastung und Schichtarbeit überrepräsentiert, was weitere gesundheitliche Risiken mit sich bringt.

Die Auswirkungen der sozialen Ungleichheit wurden besonders in der Coronapandemie deutlich. Während in wohlhabenden Gebieten anfangs höhere Infektionsraten verzeichnet wurden, verlagerte sich das Infektionsgeschehen im weiteren Verlauf in sozial benachteiligte Regionen. Die altersstandardisierte Sterblichkeit durch COVID-19 war dort um bis zu 50 Prozent höher.

Armut wirkt nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig als gesundheitlicher Risikofaktor. Kinder aus sozial schwachen Familien haben ein erhöhtes Risiko für Entwicklungsstörungen, Übergewicht und psychische Auffälligkeiten. Diese Gesundheitsnachteile ziehen sich häufig durch das gesamte Leben und führen zu einer verkürzten Lebenserwartung.

Die Bekämpfung der gesundheitlichen Folgen von Armut erfordert ein koordiniertes Zusammenspiel aus Bildung, Prävention und sozialer Unterstützung. Nur durch den Abbau struktureller Ungleichheiten können die massiven gesundheitlichen Unterschiede in der Bevölkerung verringert werden.

Kommentar:

Armut als gesundheitliches Risiko ist kein neues Thema, doch die anhaltende Relevanz der Problematik zeigt, wie unzureichend bisherige Maßnahmen sind. Es reicht nicht aus, die Symptome zu behandeln, indem man den Zugang zu Präventionsangeboten ausbaut. Vielmehr braucht es eine Politik, die soziale Ungleichheit an ihrer Wurzel packt. Höhere Bildungschancen, bessere Arbeitsbedingungen und ein Mindestlohn, der tatsächlich existenzsichernd ist, müssen Hand in Hand mit Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz gehen.

Auch das Gesundheitssystem selbst muss flexibler werden. Es kann nicht sein, dass Menschen aus Angst vor hohen Kosten notwendige Medikamente oder Arztbesuche vermeiden. Die soziale Schieflage zeigt sich dabei besonders drastisch bei Kindern, die in einem der reichsten Länder der Welt schon von Geburt an gesundheitlich benachteiligt sind. Hier versagt die Gesellschaft nicht nur im Moment, sondern gefährdet ihre Zukunft.

Armut darf nicht länger ein gesundheitliches Todesurteil sein. Es braucht entschlossene Reformen und ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass Gesundheit kein Privileg, sondern ein Grundrecht ist.

Von Engin Günder, Fachjournalist

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