Für deutsche Apotheken, die auf die Versorgung von Patienten mit hochpreisigen Medikamenten spezialisiert sind, entstehen zunehmend unerwartete Herausforderungen. In einem aktuellen Fall aus Hannover sieht sich eine Apotheke, die regelmäßig teure Spezialpräparate für chronisch kranke Patienten bestellt, mit einer ungewöhnlichen Zahlungsanforderung konfrontiert: Der Betrag für ein Medikament eines japanischen Herstellers soll nicht wie gewohnt auf ein deutsches Konto überwiesen werden, sondern direkt ins Ausland. Diese neue Anweisung bringt nicht nur erhebliche zusätzliche Kosten mit sich, sondern auch Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Transaktion.
Auslandstransaktionen, insbesondere solche mit hohen Beträgen, sind für viele Apotheken Neuland und gehen mit hohen Bankgebühren und einem höheren Risiko einher. Die betroffene Apotheke berichtet von erheblichen Mehrkosten, die durch die internationale Überweisung anfallen – eine Belastung, die bei den ohnehin engen Margen im Apothekenbetrieb nicht einfach zu kompensieren ist. „Die Gebühren sind horrend, und ich habe Sorge, dass das Geld im internationalen Zahlungsverkehr verloren geht oder falsch zugeordnet wird,“ erklärt die Apotheke. Gerade bei Medikamenten, die regelmäßig und pünktlich für Patienten verfügbar sein müssen, wird jede Unsicherheit im Zahlungsprozess schnell zum Problem.
Hinzu kommen organisatorische und logistische Hürden. Internationale Überweisungen benötigen oft länger als Inlandsüberweisungen und sind an zusätzliche regulatorische Anforderungen geknüpft. Für Apotheken, die auf eine reibungslose und planbare Abwicklung ihrer Bestellungen angewiesen sind, bedeutet dies zusätzlichen Aufwand. Zeitliche Verzögerungen oder zusätzliche Rückfragen können den gesamten Bestellprozess verlangsamen, was in der Folge die Versorgung der Patienten gefährden könnte.
Der Fall verdeutlicht eine größere Herausforderung, mit der viele Apotheken konfrontiert sind: Internationale Hersteller von Hochpreismedikamenten agieren zunehmend über globale Strukturen, was dazu führt, dass auch Apotheken in Deutschland vermehrt mit Auslandstransfers konfrontiert sind. Branchenexperten sehen hierin ein wachsendes Risiko, besonders in Verbindung mit der Gefahr unautorisierter Zahlungsaufforderungen oder gar Betrug. Die betroffene Apotheke zeigt sich skeptisch: „Ohne die bisher gewohnten Sicherheiten habe ich Bedenken, dass das Geld wirklich beim Hersteller ankommt und dass mein Patient das Medikament wie gewohnt erhält.“
Um die Risiken zu minimieren, raten Fachleute Apotheken dazu, alle Zahlungsanforderungen gründlich zu überprüfen und bei Unklarheiten den direkten Kontakt zum Pharmaunternehmen zu suchen. Darüber hinaus wird die Einführung strenger Sicherheitsmaßnahmen empfohlen, wie die Nutzung verschlüsselter Zahlungsplattformen oder die Zusammenarbeit mit spezialisierten Zahlungsdienstleistern, die sich auf internationale Transaktionen im Gesundheitsbereich spezialisiert haben. Dies könnte helfen, die Zahlungssicherheit zu erhöhen und das Risiko von Betrugsfällen zu verringern.
Doch die Apothekenbranche allein wird kaum in der Lage sein, diese strukturellen Herausforderungen zu bewältigen. Um die Sicherheit und Stabilität der Medikamentenversorgung langfristig zu gewährleisten, bedarf es einer stärkeren Unterstützung durch die Politik. Gesetzliche Rahmenbedingungen, die Apotheken bei internationalen Zahlungsanforderungen schützen und ihnen transparente, risikoarme Abwicklungswege ermöglichen, könnten eine große Entlastung bringen. Insbesondere kleinere Apotheken, die bereits am Rand ihrer wirtschaftlichen Belastbarkeit arbeiten, wären auf diese Weise besser vor den Folgen steigender Gebühren und administrativer Komplexität geschützt.
Darüber hinaus könnte auch die Pharmaindustrie ihren Beitrag leisten, indem sie verlässlichere und kostengünstigere Zahlungswege etabliert, die auf die Bedürfnisse und wirtschaftlichen Bedingungen der Apotheken eingehen. Für viele Apotheken ist die Zahlungsaufforderung ins Ausland ein unnötiges Risiko, das die ohnehin schwierige wirtschaftliche Lage weiter verschärft und die Versorgungssicherheit für Patienten untergräbt.
Kommentar:
Der Fall der Apotheke aus Hannover zeigt eindrücklich, mit welchen strukturellen Herausforderungen deutsche Apotheken im Zusammenhang mit der Versorgung hochpreisiger Spezialpräparate kämpfen. Längst ist die Belieferung von Patienten mit teuren Medikamenten nicht mehr nur eine Frage der Bestelllogistik und der Nachfrage, sondern auch eine Frage der finanziellen und administrativen Machbarkeit. Apotheken stehen vor der Herausforderung, immer engere Margen zu bewältigen, und sehen sich durch zusätzliche Auslandstransaktionsgebühren in ihren Möglichkeiten weiter eingeschränkt.
Das Beispiel aus Hannover verdeutlicht die Diskrepanz zwischen den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten der Apotheken und den wachsenden internationalen Verflechtungen der Pharmaindustrie. Wenn Apotheken plötzlich Zahlungen auf Auslandskonten leisten müssen, steigt nicht nur das Risiko durch hohe Gebühren, sondern auch das der Unsicherheit, dass das Geld sein Ziel erreicht. Was auf Seiten der Pharmaunternehmen als einfacher Umstrukturierungsprozess erscheinen mag, ist für Apothekenbetreiber ein enormer Einschnitt in ihre Finanz- und Versorgungsstruktur.
Eine Lösung dieses Problems erfordert Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen. Apotheken sollten intern Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit ihrer internationalen Zahlungen zu gewährleisten. Dies könnte die Nutzung verschlüsselter und abgesicherter Zahlungsplattformen umfassen, ebenso wie die enge Abstimmung mit den Lieferanten, um sicherzustellen, dass die Zahlungswege nachvollziehbar und vertrauenswürdig sind.
Auf politischer Ebene ist ein Umdenken erforderlich, das die spezifischen Herausforderungen der Apothekenbranche in den Blick nimmt. Apotheken sind ein wesentlicher Bestandteil der Gesundheitsversorgung in Deutschland und dürfen bei solchen Zusatzbelastungen nicht allein gelassen werden. Gesetzliche Regelungen, die die Apotheken vor übermäßigen Gebühren schützen und internationale Zahlungswege absichern, wären ein wichtiger Schritt, um die strukturellen Risiken zu minimieren und die langfristige Versorgung der Patienten sicherzustellen.
Auch die Pharmaindustrie könnte ihren Beitrag leisten, indem sie Apotheken gezielte Zahlungsoptionen und alternative Zahlungswege anbietet, die für die speziellen Bedingungen in Deutschland angepasst sind. Denn eines ist klar: Wenn Apotheken zunehmend um die Sicherheit ihrer Zahlungen und die Höhe ihrer Transaktionskosten fürchten müssen, leidet letztlich die Versorgungssicherheit. Eine umfassende Strategie zur Unterstützung der Apotheken ist daher unerlässlich, um diese wichtigen Gesundheitseinrichtungen vor vermeidbaren Risiken zu schützen und den Zugang zu hochpreisigen Medikamenten für die Patienten weiterhin zu gewährleisten.
Von Engin Günder, Fachjournalist