Der aktuelle Missbrauch der Webseite einer geschlossenen Apotheke in Berlin-Marzahn durch einen Fake-Shop hat die Verwundbarkeit digitaler Strukturen im Apothekenwesen drastisch offengelegt. Die frühere Internetpräsenz der „Bärliner Apotheke“, die im Mai 2024 den Betrieb einstellte, wurde von unbekannten Tätern übernommen und in eine täuschend echt wirkende Verkaufsplattform für nicht existierende Produkte umgewandelt. Verbraucher wurden dort mit vermeintlichen Schnäppchen in die Irre geführt – eine Masche, die zeigt, wie schnell aus einer einst seriösen Gesundheitsadresse ein Instrument krimineller Machenschaften werden kann.
Dieser Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die drängende Frage nach der digitalen Resilienz von Apotheken. Als systemrelevante Einrichtungen verarbeiten sie täglich eine Vielzahl hochsensibler Patientendaten und sind auf funktionierende digitale Systeme für Rezeptannahme, Abrechnung, Warenwirtschaft und Kommunikation angewiesen. Doch gerade diese digitale Abhängigkeit macht sie zu attraktiven Angriffszielen für Cyberkriminelle.
Fachleute aus der IT-Sicherheitsbranche und dem Apothekenwesen fordern daher ein Umdenken im Umgang mit digitalen Risiken. Neben der technischen Absicherung durch Firewalls, Verschlüsselungstechniken und Zugangskontrollen kommt dem Aufbau eines strukturierten Notfallmanagements eine zentrale Rolle zu. Ebenso wichtig ist die Einführung regelmäßiger Schulungen für Apothekenteams, um Phishing-Versuche und Social-Engineering-Angriffe frühzeitig zu erkennen und abzuwehren.
Ein zunehmend relevantes Element im Schutzkonzept stellt die Cyber-Versicherung dar. Sie kann finanzielle Schäden aus Datenverlust, Systemausfällen, Erpressungstrojanern (Ransomware) oder Haftungsansprüchen bei Datenschutzverletzungen abdecken. Darüber hinaus bieten gute Policen auch schnelle Hilfe bei IT-Forensik, Rechtsberatung und Krisenkommunikation.
„Viele Apotheken unterschätzen die reale Bedrohungslage. Dabei sind selbst kleine Betriebe attraktive Ziele – insbesondere, wenn sie keine ausreichenden Schutzmechanismen installiert haben“, warnt Dr. Felix Meinhardt, IT-Risikoberater im Gesundheitswesen. Er appelliert an Apothekeninhaber, das Thema Cybersicherheit zur Chefsache zu machen und nicht erst auf den Ernstfall zu warten.
Auch ehemalige Online-Präsenzen müssen abgesichert oder rechtzeitig abgeschaltet werden. Der aktuelle Fall zeigt, dass verwaiste Domains oder unkontrollierte digitale Spuren schnell von Dritten für illegale Zwecke zweckentfremdet werden können. Wer seine Apotheke aufgibt oder digital umstrukturiert, sollte professionelle Begleitung in Anspruch nehmen, um sich gegen digitale Nachwirkungen abzusichern.
Kommentar:
Der Vorfall rund um die missbrauchte Apothekenwebseite ist ein Weckruf – und er kommt zur rechten Zeit. Denn während viele Apotheken derzeit mit Lieferengpässen, Personalmangel und stagnierenden Honoraren ringen, gerät ein weiteres zentrales Risiko oft aus dem Blick: die Cybersicherheit. Dabei kann gerade ein erfolgreicher Cyberangriff schwerwiegende Folgen haben – von massiven Umsatzeinbußen über Ermittlungen der Datenschutzbehörden bis hin zu nachhaltigem Vertrauensverlust bei Patienten.
Es ist bezeichnend, dass nicht ein aktiver Online-Shop, sondern eine längst stillgelegte Apothekenwebseite zum Einfallstor für Kriminelle wurde. Diese Tatsache unterstreicht, wie wichtig ein professioneller Umgang mit digitalen Ressourcen auch über das Ende eines Betriebs hinaus ist. Die Verantwortung endet nicht mit dem letzten verkauften Medikament – sie umfasst auch die digitale Nachsorge.
Cyberkriminalität im Gesundheitssektor ist kein hypothetisches Szenario mehr. Die Angriffe sind real, sie sind gezielt und sie nehmen zu. Deshalb dürfen Apotheken nicht länger zögern, ihre IT-Infrastruktur auf den Prüfstand zu stellen und in zeitgemäße Sicherheitskonzepte zu investieren. Cyber-Versicherungen sind dabei kein Allheilmittel, aber ein entscheidender Baustein in einem mehrschichtigen Schutzsystem, das auf Prävention, Reaktion und Wiederherstellung basiert.
Wer glaubt, als kleine Vor-Ort-Apotheke sei man zu unbedeutend für Hacker, irrt gewaltig. Gerade solche Betriebe sind für Angreifer interessant, weil sie häufig schlechter geschützt sind und damit leichte Beute bieten. Der Schutz der eigenen Systeme ist daher nicht nur Selbstschutz, sondern auch gelebte Verantwortung gegenüber den Patienten, die täglich auf eine funktionierende, sichere und vertrauenswürdige Apotheke angewiesen sind.
Fazit: Die Bedrohung ist real, die Risiken sind hoch – aber ebenso groß ist die Chance, jetzt zu handeln. Wer in Cybersicherheit investiert, investiert in die Zukunft seiner Apotheke.
Von Matthias Engler, Fachjournalist