Das deutsche Rentensystem basiert auf dem sogenannten Umlageverfahren, bei dem die aktuellen Beiträge der Erwerbstätigen direkt zur Finanzierung der Renten der heutigen Rentner verwendet werden. Dieses System funktionierte in der Vergangenheit gut, als es deutlich mehr Erwerbstätige als Rentner gab. Doch die demografische Entwicklung hat diese Grundlage erheblich verändert.
In den letzten Jahrzehnten ist die Geburtenrate in Deutschland kontinuierlich gesunken, während die Lebenserwartung gestiegen ist. Diese Entwicklung führt dazu, dass immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Rentner aufkommen müssen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Beitragszahler durch den demografischen Wandel weiter schrumpft, was das System zusätzlich belastet.
Albrecht Ritschl weist darauf hin, dass diese demografischen Veränderungen nicht überraschend gekommen sind. Bereits seit den 1970er Jahren sei bekannt, dass die Babyboomer-Generation in Rente gehen würde und die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit das Rentensystem vor große Herausforderungen stellen würden. Dennoch wurden notwendige Reformen verschleppt oder nicht ausreichend umgesetzt.
Eine weitere Belastung für das Rentensystem sind die steigenden Gesundheitskosten und die höheren Ansprüche der Rentner an die Lebensqualität im Alter. Diese Faktoren erhöhen den finanziellen Druck auf das System zusätzlich. Auch die Einführung der Rente mit 63 und die Mütterrente haben das System weiter strapaziert.
Ritschl betont, dass auch Beamte das Problem nicht lösen können. Zwar haben Beamte eigene Pensionskassen, doch diese werden ebenfalls aus Steuermitteln finanziert und belasten somit den Staatshaushalt. Eine Überführung der Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung würde daher das Problem nur verlagern, aber nicht lösen.
Um das Rentensystem zukunftsfähig zu machen, seien grundlegende Reformen notwendig. Ritschl plädiert für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit und eine stärkere private Altersvorsorge. Auch eine Erhöhung der Beiträge zur Rentenversicherung und eine Anpassung der Rentenformel an die demografische Entwicklung könnten helfen, die finanzielle Stabilität des Systems zu sichern.
Kommentar
Das Rentensystem braucht einen Neustart
Die deutsche Rentenversicherung steht am Scheideweg. Das Umlageverfahren, einst ein Erfolgsmodell, droht unter den demografischen Veränderungen zusammenzubrechen. Die Herausforderung ist klar: immer weniger Beitragszahler müssen für immer mehr Rentner aufkommen. Dass dieses Problem nicht neu ist, macht die Situation nur schlimmer. Bereits seit Jahrzehnten ist bekannt, dass die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit in Rente gehen und das System vor immense Herausforderungen stellen werden. Doch die Politik hat zu lange gezögert und notwendige Reformen verschleppt.
Die Lösung liegt nicht in der Verlagerung der Problematik. Auch Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung zu integrieren, wird den Druck auf das System nicht mindern. Es braucht vielmehr einen umfassenden Neustart. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und eine stärkere private Altersvorsorge sind Schritte in die richtige Richtung. Doch das allein wird nicht reichen. Eine ehrliche Diskussion über die Höhe der Beiträge und eine Anpassung der Rentenformel sind unumgänglich.
Wir müssen uns der Realität stellen: Die demografischen Veränderungen sind nicht aufzuhalten, aber wir können uns darauf einstellen. Es bedarf mutiger Entscheidungen und eines klaren Fahrplans für die Zukunft. Nur so kann das Rentensystem langfristig stabilisiert und die Altersarmut verhindert werden. Der Neustart des Rentensystems ist nicht nur notwendig, sondern überfällig.
Von Engin Günder, Fachjournalist