Die Kreditvergabe an Freiberufler und Selbstständige gestaltet sich in Deutschland oftmals als Hürde. Banken verlangen in der Regel umfassende Sicherheiten und einen stabilen Einkommensnachweis – Anforderungen, die viele Selbstständige nur schwer erfüllen können. Besonders in Branchen mit unregelmäßigem oder saisonalem Einkommen stoßen Antragsteller häufig auf Ablehnung. Diese Unsicherheit, die oft durch die schwankenden Einnahmen von Selbstständigen verstärkt wird, lässt Kreditgeber zögern.
Ein wesentlicher Faktor, der zu diesen Schwierigkeiten führt, ist das Fehlen eines festen Arbeitsverhältnisses. Während Angestellte mit einem regelmäßigen Einkommen und einem unbefristeten Arbeitsvertrag als kreditwürdig gelten, sehen sich Selbstständige und Freiberufler gezwungen, ihren finanziellen Erfolg auf andere Weise zu beweisen. Viele Banken stützen ihre Entscheidungen auf die Vergangenheit der Selbstständigen – Steuerbescheide, Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen der letzten Jahre. Hier zeigt sich oft das Problem: Nicht jeder Selbstständige kann stabile Zahlen über mehrere Jahre hinweg vorweisen, insbesondere nicht in den frühen Phasen eines Unternehmens.
Um ihre Chancen auf eine Kreditvergabe zu erhöhen, sollten Selbstständige frühzeitig Maßnahmen ergreifen. Eine Möglichkeit ist die Schaffung einer soliden Finanzhistorie. Indem sie über mehrere Jahre hinweg stabile Einnahmen nachweisen und Rücklagen bilden, können Selbstständige Vertrauen bei Kreditgebern aufbauen. Zudem kann es hilfreich sein, alternative Sicherheiten wie Immobilien oder Lebensversicherungen anzubieten, die das Risiko der Bank minimieren. Auch die Zusammenarbeit mit spezialisierten Beratern, die Erfahrung mit der Finanzierung von Selbstständigen haben, kann einen positiven Unterschied machen.
Ein weiteres Mittel zur Erhöhung der Kreditwürdigkeit ist die Zusammenarbeit mit Banken, die bereits Erfahrungen mit Selbstständigen haben. Hier sind insbesondere Direktbanken oder spezielle Kreditinstitute eine Option, die flexibelere Kriterien anlegen. Auch Förderprogramme, die durch die KfW oder andere öffentliche Institutionen angeboten werden, können eine wertvolle Unterstützung bieten.
Kommentar:
Die Herausforderungen, die Freiberufler und Selbstständige bei der Kreditvergabe erleben, verdeutlichen ein strukturelles Problem. Die deutsche Bankenlandschaft tut sich schwer, die Flexibilität und Dynamik dieser Berufsgruppen angemessen zu bewerten. Während Angestellte mit standardisierten Kriterien schnell bewertet werden können, benötigen Selbstständige oft maßgeschneiderte Ansätze.
Die Forderung nach mehr Flexibilität in der Kreditvergabe an Selbstständige ist daher berechtigt. Ein erster Schritt wäre eine stärkere Berücksichtigung individueller Unternehmensmodelle und eine bessere Bewertung der Zukunftsaussichten statt nur der Vergangenheit. Ebenso könnten staatliche Unterstützungsprogramme ausgebaut werden, um dieser wachsenden Gruppe von Erwerbstätigen bessere Finanzierungsmöglichkeiten zu bieten. Solange sich die Kreditvergabepraxis nicht ändert, bleibt es für viele Selbstständige ein steiniger Weg, an die notwendige Finanzierung zu gelangen.
Von Engin Günder, Fachjournalist